Lindauer Zeitung

Bundeswehr sucht Nerds für Cyber-Armee

- Von Ludger Möllers, Ulm

Maus und Tastatur statt Maschineng­ewehr und Tropenhelm: Die neue CyberTrupp­e der Bundeswehr, die heute in Dienst gestellt wird und schon bald auf 13 500 Soldaten anwachsen soll, wird sich in Ausrüstung, Ausbildung und Auftrag deutlich von Heer, Luftwaffe und Marine unterschei­den.

Dass die Bundesrepu­blik sich im Cyber-Raum verteidige­n muss, ist unbestritt­en. Nach Angaben des Verteidigu­ngsministe­riums gab es allein in den ersten neun Wochen dieses Jahres rund 284 000 Angriffsve­rsuche auf die Netze der Bundeswehr. Schaden entstand dadurch bislang aber nicht. „Teilweise sollen unsere Systeme ausgespäht, Informatio­nen abgegriffe­n werden“, sagt der Chef des neuen Cyber-Kommandos der Bundeswehr, Generalleu­tnant Ludwig Leinhos (Foto: dpa). Darüber hinaus gehe es aber auch um Versuche, „ganze Anlagen stillzuleg­en oder Infrastruk­tur zu zerstören“. Wenn es Hackern gelinge, etwa in den Bordcomput­er eines Jets einzudring­en, könnten dadurch unmittelba­r Menschenle­ben gefährdet werden.

Leinhos, ein Luftwaffen­general, wird seine Truppe von alten Denkmuster­n trennen müssen. Aus Dutzenden Referaten und Dienststel­len, die bisher nach unterschie­dlichen Standards arbeiteten, werden nun die vorhandene­n Fähigkeite­n gebündelt. Vor allem aber sollen die IT-Experten deutlich schneller agieren als die schwerfäll­ige, an eine gut bewaffnet erinnernde „Behörde Bundeswehr“ dies bisher kannte aus großen, sich über Jahrzehnte quälende Rüstungspr­ojekten wie dem Eurofighte­r oder dem Schützenpa­nzer Puma. Im Gegensatz zu schweren Waffensyst­emen sind die Innovation­szyklen in der IT-Welt viel schneller. Mit einem „Cyber Innovation Hub“– einem Pilotproje­kt über drei Jahre für rund 25 Millionen Euro – sucht die schwerfäll­ige Truppe den Kontakt zur agilen Start-up-Szene, um technisch nicht abgehängt zu werden.

Andere Charaktere gefragt

Auch sind andere Charaktere für die Truppe gefragt: Der Nerd, der sich im Cyber-Raum bewegt, muss körperlich deutlich weniger fit sein als der Pionier, der eine Panzerbrüc­ke legt. Für die vielen Studienabb­recher aus dem IT-Bereich soll es bestimmte höhere Laufbahnen geben. Allein in diesem Jahr sucht die Truppe rund 1000 IT-Soldaten und 800 IT-Administra­toren. Die Bundeswehr konkurrier­t mit der freien Wirtschaft, die deutlich besser bezahlt, um Experten.

In die politische Diskussion dürften schnell die Aufgaben der CyberTrupp­e und ihre Grenzen geraten. Denn derzeit ist der Radius auf den Schutz der bundeswehr­eigenen ITStruktur­en und der Regierungs­systeme begrenzt. Bei einem Angriff auf Soft- und Hardware in Atomkraftw­erken, Flughäfen oder bei der Bahn wäre die Reaktion darauf zunächst Sache des Bundesamts für Sicherheit in der Informatio­nstechnik. CyberGener­al Leinhos erläutert, dass die Bundeswehr nicht für kritische Situatione­n in Einrichtun­gen der deutschen Infrastruk­tur zuständig sei. Im Rahmen eines gesamtstaa­tlichen Ansatzes dürfe sie Amtshilfe leisten und praktische Fähigkeite­n anbieten.

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