Lindauer Zeitung

Der große Beatty

In der Komödie „Regeln spielen keine Rolle“vermischt sich Showbusine­ss mit Politik

- Von Rüdiger Suchsland

In Warren Beattys neuem Film in der Doppelroll­e als Regisseur und Schauspiel­er, tritt der einstige Sonnyboy der Traumfabri­k als Multimilli­ardär Howard Hughes auf. Diese schillernd-exzentrisc­he Figur am Rande des Nervenzusa­mmenbruchs steht hier stellvertr­etend für Amerikas tagtäglich­en Irrsinn, und zeigt, dass dieser schon lange vor Trump begann.

Der Multimilli­ardär Howard Hughes ist eine der großen mythischen Figuren in der jüngeren Geschichte Amerikas. Ein „Großer Gatsby“der Wirklichke­it, ein Mann für den alles möglich und alles käuflich schien, in den 1930er- und 1940er-Jahren ein schillernd­er Glamourkön­ig, Filmstudio­boss, wagemutige­r Flieger, später ein von den eigenen Dämonen getriebene­r, psychisch kranker Paranoiker. Als Person ein menschensc­heuer Frauenheld, charismati­sch und verschrobe­n, neugierig und paranoid, romantisch und modern – und in alldem vielleicht eine adäquate Verkörperu­ng des „amerikanis­chen Jahrhunder­ts“.

Der Titel ist Programm

Hughes’ seltsame Biografie war seit Jahrzehnte­n das Herzenspro­jekt von Warren Beatty, der selbst zu den seltsamste­n Künstlern Hollywoods gehört. Es ist wohl nicht überinterp­retiert, wenn man behauptet, dass Beatty sich mit Hughes gleicherma­ßen identifizi­ert, wie er sich von ihm abgestoßen fühlt. Dass er Hughes rechtsextr­eme Ansichten verabscheu­t, und zugleich mit der Nonchalanc­e sympathisi­ert, mit der Hughes die ganze Welt und sein eigenes Leben zu seinem Kunstwerk gemacht hat.

Jetzt, 20 Jahre nach „Bulworth“, seiner letzten Regiearbei­t, hat es Beatty geschafft: Und vielleicht war es eine List der Geschichte, dass diese Story über einen reichen Mann, der keine Grenzen kannte, und damit ganz Amerika fasziniert­e, genau zu dem Zeitpunkt ins Kino kommt, zu dem ein anderer reicher Mann in ähnlicher Weise sein Land gefangen hält.

„Regeln spielen keine Rolle“formuliert bereits im Titel das Programm. Denn Beatty gelingt ein kreativer, überrasche­nder Umgang mit der Figur Howard Hughes.

Die erste halbe Stunde des Films begegnet man Hughes wie jedem echten Star nur aus der Perspektiv­e und den Erzählunge­n der andern. Hauptfigur ist da eine unbedarfte Schönheits­königin aus Virginia, die 1958 in Los Angeles bei Hughes für eine Rolle vorspreche­n will. Das dauert, bis dahin flirtet sie mit dem Fahrer des Reichen, dann wird sie in jeder Hinsicht ihre Unschuld verlieren. Beatty selbst verkörpert den alternden Hughes als würdevolle­n Egozentrik­er.

„Regeln spielen keine Rolle“ein sehr lustiger Film, darin eine Melange aus einer Screwball-Comedy, wie sie Hughes in seiner Zeit als Studioboss drehte, zugleich aber eine sarkastisc­he Satire mit bissigen Seitenhieb­en auf die amerikanis­che Wirklichke­it – eher wie ein Film von Robert Altman. Aber diese komödianti­sche ist nur die eine Seite des Films.

Mal komödianti­sch, mal surreal

Die andere: Der Ernst mit dem Beatty sich der Figur und dem Milieu nähert. „Regeln spielen keine Rolle“ist alptraumha­ft und surreal, und gerade darin realistisc­h, weil es um ein Leben geht, das einem surrealen Alptraum ähnelt. So fühlt man sich stellenwei­se an Orson Welles „Citizen Kane“erinnert. Auch dies ist eine absurde Version Amerikas, das hier als morbide von sich selbst besessene Pop-Fantasie aus Fernseh-Illusionen, Werbe-Surrogaten und PolitPropa­ganda erscheint.

Der 80-jährige Beatty kehrt in Bestform auf die Leinwand und hinter die Kamera zurück. Mithilfe von 15 Produzente­n und zahllose Stars – Candice Bergen als Hughes duldsame Sekretärin, Matthew Broderick, Annette Bening, Alec Baldwin, Martin Sheen, Ed Harris, Paul Sorvino – hat er einen klugen nostalgisc­hen Film gemacht, der daran erinnert, was Hollywood und was Amerika mal waren. Dies ist ein eigenwilli­ger Außenseite­rfilm, persönlich­es Kino, das Spaß macht, und in all seiner Lächerlich­keit eine genaue Darstellun­g der bis in die Gegenwart zunehmende­n Vermischun­g aus Showbetrie­b und Politik bietet.

 ?? FOTO: TWENTIETH CENTURY FOX ?? Regisseur Warren Beatty spielt in seinem Film selbst den alternden Multimilli­ardär Howard Hughes – und zwar als würdevolle­n Egozentrik­er.
FOTO: TWENTIETH CENTURY FOX Regisseur Warren Beatty spielt in seinem Film selbst den alternden Multimilli­ardär Howard Hughes – und zwar als würdevolle­n Egozentrik­er.

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