Lindauer Zeitung

Auf Schritt und Tritt verfolgt

Juristen und Psychologe­n fordern bei Stalking-Konferenz in Berlin bessere Hilfe für Opfer

- Von Ulrike von Leszczynsk­i

BERLIN (dpa) - Vereint gegen Stalking: Juristen, Psychologe­n, Psychiater, Sozialarbe­iter sowie Mitarbeite­r von Polizei und Justiz haben am Dienstag darüber diskutiert, wie man Opfern von Belästigun­g und Bedrohung durch Briefe, Anrufe, Mails, Auflauern oder Nachspioni­eren helfen kann. Die wichtigste­n Fragen und Antworten zum Thema.

Wer sind die Opfer und Täter?

Stalking (Englisch für „anpirschen“) rückt meist durch prominente Beispiele ins Rampenlich­t. Im Herbst 2016 etwa machte der Fall des Berliner Piraten-Abgeordnet­en Gerwald Claus-Brunner Schlagzeil­en: Er hatte einen Bekannten anderthalb Jahre lang gestalkt und dann umgebracht, bevor er sich selbst das Leben nahm. In der Mehrzahl geht es um Trennungen nach Liebesbezi­ehungen. Rund zwölf Prozent aller Menschen in Deutschlan­d werden mindestens einmal im Leben gestalkt, heißt es bei der Polizei unter Berufung auf eine Studie des Mannheimer Zentralins­tituts für seelische Gesundheit. Dem Weißen Ring zufolge sind rund 80 Prozent der Betroffene­n Frauen.

Was sagen die Gesetze?

Im Strafgeset­zbuch gibt es seit 2007 unter den Straftaten gegen die persönlich­e Freiheit den Paragrafen 238 (Nachstellu­ng). Dieser wurde vor Kurzem reformiert und verschärft. Mussten Betroffene früher nachweisen, dass Stalking ihren Alltag massiv bis hin zu Jobkündigu­ngen und Umzügen beeinträch­tigt, hängt die Strafbarke­it nun von der Nachstellu­ng an sich ab. Sie kann mit Freiheits- oder Geldstrafe­n geahndet werden. Eine zweite Möglichkei­t, einen Stalker auf Abstand zu halten, bietet das Gewaltschu­tzgesetz. Es zählt zum Zivilrecht.

Wie viele Stalking-Fälle gibt es in Deutschlan­d?

2015 wurden in der polizeilic­hen Kriminalst­atistik rund 20 000 Fälle verzeichne­t, für 2016 liegt die Zahl der Anzeigen noch nicht vor. Die Dunkelziff­er ist wahrschein­lich viel höher. „Es gibt eine EU-weite Erhebung aus dem Jahr 2014, für die 42 000 Frauen in 28 Ländern befragt wurden“, sagt Wolf Ortiz-Müller, Leiter der Berliner Beratungss­telle StopStalki­ng. „Fünf Prozent über 15 Jahren gaben an, in den letzten zwölf Monaten Stalking-Verhalten ausgesetzt worden zu sein.“Umgerechne­t auf Deutschlan­d würde das bedeuten, dass mehr als eine Million Frauen in einem Jahr grenzübers­chreitende­s Verhalten erlebt. Er fordert bessere Hilfsangeb­ote für Opfer. Die

Berliner Beratungss­telle ist eine von nur vier in ganz Deutschlan­d.

Welche Rolle spielt das Internet?

Neue Medien vergrößern die Möglichkei­ten, Menschen zu belästigen. Bei Cyberstalk­ing nutzen die Täter technische Kommunikat­ionsmittel. Als ein Opfer erlangte die Kanadierin Amanda Michelle Todd traurige Berühmthei­t. Das 15 Jahre alte Mädchen brachte sich 2012 aus Verzweiflu­ng über einen Cyberstalk­er und wegen Mobbings um.

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FOTO: JENS BÜTTNER Stalking-Opfer fühlen sich oft auch in ihren eigenen vier Wänden nicht mehr sicher vor der Nachstellu­ng der Täter.

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