Kainz erwartet schwere Zeiten für die Feuerwehr
Kommandant zieht nach 30 Jahren kurz vor dem Abschied Bilanz
(dik) - Nach 45 Jahren bei der Feuerwehr, davon 30 Jahre als Kommandant hat Robert Kainz seinen letzten Auftritt bei der Hauptversammlung genutzt, um Bilanz zu ziehen und in die Zukunft zu blicken. Wie immer wechselten sich ernste mit humorigen Worten ab. Ehrengäste zollten ihm Respekt, der Kreisbrandrat hatte eine Ehrung.
Weit mehr als 10 000 Einsätze habe er in den Jahren absolviert oder verantwortet, rechnete Kainz vor. Einige werde er nie vergessen. Das gilt für den ersten Einsatz 1972 bei einem Brand Auf der Mauer, aber auch für den Einsatz nach dem Flugzeugabsturz bei Überlingen, beim Zugunglück in Enzisweiler oder beim Pfingsthochwasser 1999. Allein in seiner Zeit als Kommandant hat Kainz sieben Bundespräsidenten, vier Oberbürgermeister, vier Landräte und vier Kreisbrandräte erlebt. Er erinnerte sich an viele Diskussionen im Stadtrat – vor allem an die „große Argumentationsschlacht um die neue Hauptwache“– und ließ offen, wie sehr er diese Seite der Tätigkeit auch vermissen wird.
Stolz berichtete er, dass unter seiner Kommandatur kein Kamerad schwer oder gar tödlich verletzt worden sei. Dabei sei die Feuerwehr vor allem im Rekordjahr 1999 mit über tausend Einsätzen über die Grenze der Belastbarkeit hinaus gefordert gewesen. In diesem Zusammenhang verriet Kainz noch ein Geheimnis: „Die wenigsten wissen, dass Lindau kurz vor einer Evakuierung stand.“Es habe nicht viel gefehlt, dann hätten die Verantwortlichen den Strom ausschalten müssen. Der Krisenstab hatte deshalb eine komplette Räumung der Insel vorbereitet. Zu allem Überfluss kam ein Sturz und am zweiten Weihnachtstag des Jahres noch der Orkan „Lothar“.
In Österreich war Kainz als Kommandant kurze Zeit in Haft
Berührt habe ihn das Schicksal der Feuerwehrmänner nach den Anschlägen auf das World-Trade-Center in New York 2001. Davor verblasse der Drehleiterstreit innerhalb der Feuerwehr, der 2010 so eskaliert war, dass etwa 30 Feuerwehrmänner austraten. Der Bau der neuen Hauptwache im Heuried, die 2014 eingeweiht wurde, sei ein Höhepunkt in der Kommandantenzeit gewesen.
Schmunzelnd erinnerte Kainz an die Fehde mit den Narren, welche die Feuerwehr mit Transparenten vor deren Narrensprung geärgert hatte. Manchmal wundere er sich, dass der damalige Kommandant Heinz Hummler ihn als jungen und aufmüpfigen Feuerwehrmann nicht rausgeworfen habe, sagte Kainz. Lachend erzählte er auch die Geschichte, als er auf der Rückfahrt von einem Einsatz aus der Schweiz in Österreich inhaftiert wurde, weil er keine Papiere dabei hatte. Dafür habe sich später der österreichische Innenminister
Robert Kainz beklagt eine sinkende Bereitschaft zum Ehrenamt
per Telefon persönlich bei ihm entschuldigt.
Kainz berichtete von vielen Entscheidungen und Veränderungen im Laufe der Jahre. Die Mannschaft sei gut aufgestellt, die drei Wachen seien schlagkräftig. Hauptwache mit Inselwache sowie Wache West hätten auch räumlich beste Verhältnisse. Eine neue Wache Nord werde auf Jahre hinaus Thema sein.
Kainz erwartet viel mehr Hauptamtliche bei der Wehr
Seinen Nachfolgern legte Kainz ans Herz, sich Verbündete zu suchen. „Ihr müsst Allianzen bilden.“Das gelte umso mehr, als die Zukunft für die Feuerwehr sicher schwierig werde. Angesichts von 224 Vereinen in Lindau und gesunkenen Geburtenzahlen werde die Mannschaftsstärke schwächer. „Die Schlagkraft wird sich reduzieren. Das wird ein echtes Problem werden“, sagte der NochKommandant voraus. „Die Bereitschaft, Dinge umsonst zu machen, wird immer geringer.“Die Stadt werde deshalb die Zahl der hauptamtlichen Feuerwehrkräfte steigern müssen. Vielleicht muss Lindau irgendwann sogar einen hauptamtlichen Kommandanten einstellen.
Kainz hofft auch, dass Kirchturmdenken endet und sich Feuerwehren gemeindeübergreifend zusammenschließen. Außerdem regte er an, dass die Stadt ihren Mitarbeitern bei den Garten- und Tiefbaubetrieben ein Ehrenamt bei Feuerwehr, THW oder BRK ans Herz legen sollte.
Auf der anderen Seite werde Schutzkleidung und Ausrüstung immer besser: Kainz sprach von Einsatzkleidung, die Vitalfunktionen überwacht. Helme werden Wärmebildkameras
„Die Bereitschaft, Dinge umsonst zu machen, wird immer geringer.“
serienmäßig eingebaut haben.
Seinen Nachfolgern Max Witzigmann und Florian Kainz empfahl Kainz Ausdauer und Hartnäckigkeit, sie sollten handeln und sich nicht zum Handeln zwingen lassen. „Ihr werdet Dinge machen müssen, die menschlich unangenehm sind, aber notwendig“, sagte Kainz voraus und beschrieb das Dilemma: Die Lindauer Feuerwehr bestehe aus 165 Individualisten, die auf ein Kommando funktionieren sollen: „Die Kameradschaft bleibt das Wichtigste bei der Feuerwehr.“
Der Saal verabschiedete Kainz mit großem Applaus, auch wenn die eigentliche Abschiedsfeier nach dem Dienstende am 31. Mai noch folgen wird. Außerdem steht im Juni noch die Feier für die Verleihung des Goldenen Bürgerrings an Kainz an. Dennoch lobte Oberbürgermeister Gerhard Ecker schon am Montag Kainz als besonnen und als „sensible Führungskraft“. Polizeichefin Sabine Göttler hatte ein Lobgedicht geschrieben, das sie vortrug.
Kreisbrandrat Friedhold Schneider ehrte Kainz’ Standfestigkeit, denn den Streit um die neue Hauptwache „hätte kein anderer Kommandant ausgehalten“. Für dessen Verdienste um das Feuerwehrwesen insgesamt und um die Lindauer Feuerwehr im Besonderen verlieh Schneider dem Noch-Kommandanten das Ehrenkreuz des Deutschen Feuerwehrverbandes in Silber.