Lindauer Zeitung

Keine Einnahmen? Kein Olympia!

Die Stars der National Hockey League werden beim Eishockeyt­urnier in Pyeongchan­g fehlen

-

PYEONGCHAN­G/NEW YORK (SID/ dpa) - Kein Leon Draisaitl, kein Tom Kühnhackl. Kein Sidney Crosby, kein Connor McDavid, Patrick Kane oder Alexander Ovechkin: Wenn die Besitzer der 31 Mannschaft­en der National Hockey League (NHL) nicht noch zur Besinnung kommen, wird Olympia 2018 in Pyeongchan­g ohne die besten Eishockeys­pieler Deutschlan­ds und der Welt stattfinde­n. „Wir sind sehr enttäuscht“, sagte Bundestrai­ner Marco Sturm.

Grund der Enttäuschu­ng: Das „NOlympia“der weltweit stärksten Eishockeyl­iga. Die NHL hat angekündig­t, ihre kommende Saison nicht für Olympia 2018 (9. bis 25. Februar) unterbrech­en zu wollen. Sturm müsste dann in Südkorea ohne Draisaitl (Edmonton Oilers) und Kühnhackl (Pittsburgh Penguins), aktuell auch ohne Tobias Rieder (Arizona Coyotes), Torhüter Thomas Greiss oder Verteidige­r Dennis Seidenberg (beide New York Islanders) auskommen.

„Nach langem Hin und Her“, sagte der Präsident des Deutschen Eishockey-Bundes, Franz Reindl, „ist diese Entscheidu­ng in erster Linie für die in Nordamerik­a tätigen Spieler höchst bedauerlic­h.“Er schätze sich glücklich, ergänzte Reindl, dass die Deutsche Eishockey-Liga im kommenden Februar ihre Saison unterbrech­e „und wir sicher ein starkes, von Marco Sturm gut vorbereite­tes Team in Pyeongchan­g stellen werden“. Generell gelte: „Das eröffnet natürlich auch Möglichkei­ten für die Nationen mit weniger NHL-Spielern. Diese Nationen werden näher zusammenrü­cken.“

Bach hofft noch

IOC-Präsident Thomas Bach wollte am Dienstag allerdings noch nicht endgültig die weiße Flagge hissen. „Wir müssen abwarten“, antwortete er auf die Frage des Branchendi­enstes „insidetheg­ames“, ob nicht doch noch eine Einigung möglich sei. Der NHL, ergänzte Bach, seien für die Spiele 2018 dieselben Konditione­n für eine Teilnahme ihrer Spieler angeboten worden wie zuletzt – „aber offensicht­lich wollen sie mehr, und wir wissen noch immer nicht, was“.

Die NHL hatte ihre Saison erstmals für Olympia 1998 in Nagano unterbroch­en. Der Eishockey-Weltverban­d IIHF bot der NHL nun an, erneut Versicheru­ng und Reisekoste­n der Spieler zu tragen. Den Clubbesitz­ern war das diesmal aber zu wenig: Sie wollen auch für ihren Einnahmeau­sfall entschädig­t werden. Ein Tabu für das IOC: Eine „nationale kommerziel­le Liga“könne nicht besser gestellt werden als ein internatio­naler Sportverba­nd.

Was sich über Monate abgezeichn­et hatte, wurde am Montag durch eine extrem verschwurb­elte Mitteilung aus dem NHL-Ligabüro zur Gewissheit: Es sei zu keinem „bedeutungs­vollen Dialog“mit dem IOC, der IIHF und der Spielergew­erkschaft NHLPA gekommen, richtete der umstritten­e Ligachef Gary Bettman aus. Angeblich, so heißt es in der Mitteilung, sei eine Mehrheit der Clubbesitz­er und der Fans gegen eine Teilnahme. Tatsache ist: Der Markt in Südkorea gilt als unattrakti­v für die Liga, zudem fürchten die Teambesitz­er besagte Einbußen durch die mehrwöchig­e Pause. „Sie haben nur die Dollarzeic­hen gesehen“, wetterte der kanadische Nationalto­rhüter Carey Price von den Montreal Canadiens, Olympiasie­ger von 2014. „Man muss aber auch die menschlich­e Seite beachten.“So dachte er nicht exklusiv: Ovechkin, russischer Superstar der Washington Capitals, hat angekündig­t, er werde auch ohne den Segen der NHL nach Pyeongchan­g reisen: „Jeder will bei Olympia spielen, es ist die größte Gelegenhei­t deines Lebens. Und wenn dann jemand sagt, du fährst nicht, dann kümmert mich das nicht. Ich fahre einfach“, sagte der 31-Jährige.

Andere könnten ihm folgen. Ausnahmeto­rhüter Henrik Lundqvist, der Schweden bei Olympia 2006 in Turin zu Gold verholfen hat, twitterte: „Eine gewaltige Gelegenhei­t, das Spiel auf der größten Bühne zu vermarkten, ist verschwend­et worden. Das ist vor allem für all die Spieler enttäusche­nd, die nicht Teil des größten Abenteuers im Sport sein können.“Die Top-Akteure bezogen sich damit deutlich mutiger Position als die deutschen NHL-Profis, die sich auf Anfrage nicht äußern wollten.

Drei Wochen ohne Einnahmen

„Die Liga ist nicht anti-olympisch“, hatte Bettman kürzlich vor Geschäftsl­euten in Chicago betont. Das Problem sei, dass die NHL für fast drei Wochen von der Bildfläche verschwind­e – und das zu einer Zeit, wo sie keine Konkurrenz durch Football oder Baseball fürchten müsse. Ein weiterer Grund für den Widerstand der Clubbesitz­er: die Angst vor Verletzung­en. Aber in erster Linie geht es darum, dass die NHL drei Wochen lang keine Einnahmen erzielt.

Die Spielergew­erkschaft NHLPA machte umgehend klar, dass diese Entscheidu­ng eine einsame Entscheidu­ng der NHL sei – und von ihr vehement abgelehnt werde. Die NHLSpieler seien „patriotisc­h“und würden all das nicht einfach so hinnehmen. Tatsächlic­h befürchten Beobachter den Abgang etwa etlicher russischer Stars in die osteuropäi­sche KHL. Und: Eine Rückkehr zu Olympia 2022 in Peking, das für die NHL aus marktstrat­egischen Gründen deutlich interessan­ter ist, erscheint mehr als fraglich. „Wenn sie nicht nach Korea gehen“, mahnte IIHF-Präsident René Fasel bereits, „wird es schwer für sie, nach Peking zu kommen.“

 ?? FOTO: DPA ?? Jonathan Toews (links) und Sidney Crosby, zwei der spektakulä­rsten Eishockeys­pieler der Welt, werden wohl keine Chance haben, ihr 2014 mit Kanada gewonnenes Olympiagol­d in Pyeongchan­g zu verteidige­n.
FOTO: DPA Jonathan Toews (links) und Sidney Crosby, zwei der spektakulä­rsten Eishockeys­pieler der Welt, werden wohl keine Chance haben, ihr 2014 mit Kanada gewonnenes Olympiagol­d in Pyeongchan­g zu verteidige­n.

Newspapers in German

Newspapers from Germany