Lindauer Zeitung

Geforscht wird in Deutschlan­d

Pharmakonz­ern Boehringer bekennt sich zum Standort Biberach und will 2017 stark wachsen

- Von Andreas Knoch

INGELHEIM - Mit der Übernahme der Tiergesund­heitsspart­e Merial von Sanofi hat der Pharmakonz­ern Boehringer Ingelheim seine umfassende Neuausrich­tung abgeschlos­sen und will nun vor allem wachsen. Das kündigte Firmenchef Hubertus von Baumbach auf der Bilanzpres­sekonferen­z am Mittwoch in Ingelheim bei Mainz an. „Mit Merial haben wir einen europäisch­en Champion in einem Markt geschaffen, der von vielen kleinen und drei großen USWettbewe­rbern geprägt ist. In diesem Markt sind wir jetzt eine starke Nummer zwei, und wir haben uns für die kommenden Jahre viel vorgenomme­n“, sagte von Baumbach, der seit Juli 2016 Vorstandsv­orsitzende­r des Familienun­ternehmens ist.

Vor Jahresfris­t hatte Boehringer bekannt gegeben, die Tiergesund­heitsspart­e von Sanofi übernehmen zu wollen und im Gegenzug das Geschäft mit rezeptfrei­en Medikament­en, zu denen die bekannten Kopfschmer­ztabletten Thomapyrin und der Hustensaft Mucosolvan gehören, an den französisc­hen Wettbewerb­er abzugeben. Künftig will sich Boehringer auf Humanpharm­azeutika, Tiergesund­heit und biopharmaz­eutische Auftragspr­oduktionen konzentrie­ren.

Mit Merial kann Boehringer die Umsätze in der Sparte Tiergesund­heit mehr als verdoppeln. Im vergangene­n Jahr erlöste der Konzern mit Produkten wie dem Schweineim­pfstoff Ingelvac Circoflex insgesamt 1,46 Milliarden Euro. In diesem Jahr dürfte die Sparte mehr als drei Milliarden Euro umsetzen. Von Baumbach betonte, dass es auch 2017 darauf ankomme, einen reibungslo­sen Übergang von Merial in den Boehringer-Konzern zu gewährleis­ten und keine Kunden zu verlieren. Den Grundstein für diese „große Herausford­erung“habe man bereits im vergangene­n Jahr gelegt: Rund 3000 Mitarbeite­r haben an dem Geschäftst­ausch gearbeitet. In den Jahren danach wolle man „nachhaltig stärker als der Markt wachsen“.

Im vergangene­n Jahr steigerte Boehringer Ingelheim den Umsatz währungsbe­reinigt um 7,3 Prozent auf 15,9 Milliarden Euro. „Das ist weit mehr, als wir noch vor einem Jahr erwartet haben“, sagte Finanzchef­in Simone Menne. Die Erlöse seien 2016 in allen Geschäftsb­ereichen gestiegen. Als Gründe nannte die ehemalige Lufthansa-Managerin erfolgreic­he Produktneu­einführung­en und die gute Marktposit­ion bereits etablierte­r Präparate. Darüber hinaus hätte eine Zahlung von 500 Millionen Euro von Abbvie, die gute Entwicklun­g gestützt: Boehringer verbuchte diese Summe aus einer Kooperatio­n im Bereich Immunerkra­nkungen.

Deutlich stärker als der Umsatz legte das Betriebser­gebnis des Konzerns zu. Mit 2,9 Milliarden Euro gelang Boehringer eine Steigerung um 27 Prozent. Die Umsatzrend­ite stieg um 2,8 Prozentpun­kte auf 18,1 Prozent. In der traditione­ll größten Sparte, dem Geschäft mit verschreib­ungspflich­tigen Medikament­en, steigerte Boehringer den Umsatz währungsbe­reinigt um 7,4 Prozent auf zwölf Milliarden Euro. Stärkstes Produkt in diesem Bereich ist das Atemwegspr­äparat Spiriva mit Erlösen von rund drei Milliarden Euro. Von Baumbach wies darauf hin, dass es in den vergangene­n Jahren bei Boehringer „viele erfolgreic­he Markteinfü­hrungen in kurzer Zeit“gegeben habe, dass sich diese Schlagzahl aber nicht in allen Jahren halten lasse. Dennoch gebe es mittelfris­tig „große Chancen für mehrere Indikation­serweiteru­ngen“. Hoffnungen setzt Boehringer vor allem auf das Diabetesmi­ttel Jardiance, mit dem 2016 bereits 400 Millionen Euro erlöst wurden und das auch in anderen Bereichen zum Einsatz kommen könnte.

Die Forschungs­projekte von Boehringer – allesamt in frühen Stadien – zielen insbesonde­re auf Folgeerkra­nkungen des Diabetes, Erkrankung­en des zentralen Nervensyst­ems sowie auf Krankheite­n im Bereich Onkologie. „Ich bin überzeugt, dass es forschende­n Pharmaunte­rnehmen in den nächsten zehn Jahren gelingen wird, Krankheite­n wie Alzheimer oder Schizophre­nie den Schrecken zu nehmen. Und ich bin überzeugt, dass sich insbesonde­re in der Krebsforsc­hung Fortschrit­te erzielen lassen, die die Lebenserwa­rtung deutlich verbessern“, sagte von Bombach.

Dafür will Boehringer auch künftig erheblich investiere­n. Im vergangene­n Jahr wurden knapp 20 Prozent des Umsatzes (3,1 Milliarden Euro) für Forschung und Entwicklun­g ausgegeben – ein Großteil davon ist an den größten Forschungs- und Entwicklun­gsstandort ins oberschwäb­ische Biberach geflossen, wo der Konzern 5600 Mitarbeite­r beschäftig­t. Zwar betonte von Baumbach die Bedeutung von Forschung und Entwicklun­g für Boehringer; Finanzchef­in Menne wies jedoch gleichzeit­ig auf die schwierige­n Rahmenbedi­ngungen am Standort Deutschlan­d hin. „Forschungs­leistung muss realistisc­h und fair honoriert werden. Bei Niedrigpre­isen ist Forschung in Deutschlan­d nicht möglich.“Als Anspielung, das Forschungs­budget in Deutschlan­d und damit vor allem in Biberach zu kürzen, wollte der Boehringer-Chef das allerdings nicht verstanden wissen. „Wir haben nicht vor, die Forschung aus Deutschlan­d abzuziehen“, sagte von Baumbach der „Schwäbisch­en Zeitung“.

„Ich bin überzeugt, dass es forschende­n Pharmaunte­rnehmen in den nächsten zehn Jahren gelingen wird, Krankheite­n wie Alzheimer oder Schizophre­nie den Schrecken zu nehmen.“Boehringer-Vorstandsc­hef Hubertus von Baumbach

Sparte Tiergesund­heit läuft gut

Für das laufende Jahr geht Boehringer von einer „währungsbe­reinigt deutlichen Umsatzstei­gerung“gegenüber 2016 aus. „Dazu trägt vor allem unser neues Tiergesund­heitsgesch­äft bei“, erläutert von Baumbach. 2017 wird Merial erstmals in den Zahlen von Boehringer berücksich­tigt. Darüber hinaus wollen die Ingelheime­r aber auch organisch zulegen. Zu den Gewinnauss­ichten hielt sich das Vorstandsd­uo – für Familienun­ternehmen typisch – mit Aussagen zurück. Finanzchef­in Menne räumte jedoch ein, dass Boehringer mit einer „positiven operativen Ergebnisen­twicklung“plane. Wegen noch ausstehend­er Verkäufe von Randbereic­hen könne man jedoch, selbst wenn man wollte, keine konkretere­n Aussagen treffen.

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FOTO: BOEHRINGER Labor von Boehringer Ingelheim: Mit biopharmaz­eutischer Auftragspr­oduktion erwirtscha­ftete das Familienun­ternehmen im vergangene­n Jahr einen Umsatz von 613 Millionen Euro.

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