Geforscht wird in Deutschland
Pharmakonzern Boehringer bekennt sich zum Standort Biberach und will 2017 stark wachsen
INGELHEIM - Mit der Übernahme der Tiergesundheitssparte Merial von Sanofi hat der Pharmakonzern Boehringer Ingelheim seine umfassende Neuausrichtung abgeschlossen und will nun vor allem wachsen. Das kündigte Firmenchef Hubertus von Baumbach auf der Bilanzpressekonferenz am Mittwoch in Ingelheim bei Mainz an. „Mit Merial haben wir einen europäischen Champion in einem Markt geschaffen, der von vielen kleinen und drei großen USWettbewerbern geprägt ist. In diesem Markt sind wir jetzt eine starke Nummer zwei, und wir haben uns für die kommenden Jahre viel vorgenommen“, sagte von Baumbach, der seit Juli 2016 Vorstandsvorsitzender des Familienunternehmens ist.
Vor Jahresfrist hatte Boehringer bekannt gegeben, die Tiergesundheitssparte von Sanofi übernehmen zu wollen und im Gegenzug das Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten, zu denen die bekannten Kopfschmerztabletten Thomapyrin und der Hustensaft Mucosolvan gehören, an den französischen Wettbewerber abzugeben. Künftig will sich Boehringer auf Humanpharmazeutika, Tiergesundheit und biopharmazeutische Auftragsproduktionen konzentrieren.
Mit Merial kann Boehringer die Umsätze in der Sparte Tiergesundheit mehr als verdoppeln. Im vergangenen Jahr erlöste der Konzern mit Produkten wie dem Schweineimpfstoff Ingelvac Circoflex insgesamt 1,46 Milliarden Euro. In diesem Jahr dürfte die Sparte mehr als drei Milliarden Euro umsetzen. Von Baumbach betonte, dass es auch 2017 darauf ankomme, einen reibungslosen Übergang von Merial in den Boehringer-Konzern zu gewährleisten und keine Kunden zu verlieren. Den Grundstein für diese „große Herausforderung“habe man bereits im vergangenen Jahr gelegt: Rund 3000 Mitarbeiter haben an dem Geschäftstausch gearbeitet. In den Jahren danach wolle man „nachhaltig stärker als der Markt wachsen“.
Im vergangenen Jahr steigerte Boehringer Ingelheim den Umsatz währungsbereinigt um 7,3 Prozent auf 15,9 Milliarden Euro. „Das ist weit mehr, als wir noch vor einem Jahr erwartet haben“, sagte Finanzchefin Simone Menne. Die Erlöse seien 2016 in allen Geschäftsbereichen gestiegen. Als Gründe nannte die ehemalige Lufthansa-Managerin erfolgreiche Produktneueinführungen und die gute Marktposition bereits etablierter Präparate. Darüber hinaus hätte eine Zahlung von 500 Millionen Euro von Abbvie, die gute Entwicklung gestützt: Boehringer verbuchte diese Summe aus einer Kooperation im Bereich Immunerkrankungen.
Deutlich stärker als der Umsatz legte das Betriebsergebnis des Konzerns zu. Mit 2,9 Milliarden Euro gelang Boehringer eine Steigerung um 27 Prozent. Die Umsatzrendite stieg um 2,8 Prozentpunkte auf 18,1 Prozent. In der traditionell größten Sparte, dem Geschäft mit verschreibungspflichtigen Medikamenten, steigerte Boehringer den Umsatz währungsbereinigt um 7,4 Prozent auf zwölf Milliarden Euro. Stärkstes Produkt in diesem Bereich ist das Atemwegspräparat Spiriva mit Erlösen von rund drei Milliarden Euro. Von Baumbach wies darauf hin, dass es in den vergangenen Jahren bei Boehringer „viele erfolgreiche Markteinführungen in kurzer Zeit“gegeben habe, dass sich diese Schlagzahl aber nicht in allen Jahren halten lasse. Dennoch gebe es mittelfristig „große Chancen für mehrere Indikationserweiterungen“. Hoffnungen setzt Boehringer vor allem auf das Diabetesmittel Jardiance, mit dem 2016 bereits 400 Millionen Euro erlöst wurden und das auch in anderen Bereichen zum Einsatz kommen könnte.
Die Forschungsprojekte von Boehringer – allesamt in frühen Stadien – zielen insbesondere auf Folgeerkrankungen des Diabetes, Erkrankungen des zentralen Nervensystems sowie auf Krankheiten im Bereich Onkologie. „Ich bin überzeugt, dass es forschenden Pharmaunternehmen in den nächsten zehn Jahren gelingen wird, Krankheiten wie Alzheimer oder Schizophrenie den Schrecken zu nehmen. Und ich bin überzeugt, dass sich insbesondere in der Krebsforschung Fortschritte erzielen lassen, die die Lebenserwartung deutlich verbessern“, sagte von Bombach.
Dafür will Boehringer auch künftig erheblich investieren. Im vergangenen Jahr wurden knapp 20 Prozent des Umsatzes (3,1 Milliarden Euro) für Forschung und Entwicklung ausgegeben – ein Großteil davon ist an den größten Forschungs- und Entwicklungsstandort ins oberschwäbische Biberach geflossen, wo der Konzern 5600 Mitarbeiter beschäftigt. Zwar betonte von Baumbach die Bedeutung von Forschung und Entwicklung für Boehringer; Finanzchefin Menne wies jedoch gleichzeitig auf die schwierigen Rahmenbedingungen am Standort Deutschland hin. „Forschungsleistung muss realistisch und fair honoriert werden. Bei Niedrigpreisen ist Forschung in Deutschland nicht möglich.“Als Anspielung, das Forschungsbudget in Deutschland und damit vor allem in Biberach zu kürzen, wollte der Boehringer-Chef das allerdings nicht verstanden wissen. „Wir haben nicht vor, die Forschung aus Deutschland abzuziehen“, sagte von Baumbach der „Schwäbischen Zeitung“.
„Ich bin überzeugt, dass es forschenden Pharmaunternehmen in den nächsten zehn Jahren gelingen wird, Krankheiten wie Alzheimer oder Schizophrenie den Schrecken zu nehmen.“Boehringer-Vorstandschef Hubertus von Baumbach
Sparte Tiergesundheit läuft gut
Für das laufende Jahr geht Boehringer von einer „währungsbereinigt deutlichen Umsatzsteigerung“gegenüber 2016 aus. „Dazu trägt vor allem unser neues Tiergesundheitsgeschäft bei“, erläutert von Baumbach. 2017 wird Merial erstmals in den Zahlen von Boehringer berücksichtigt. Darüber hinaus wollen die Ingelheimer aber auch organisch zulegen. Zu den Gewinnaussichten hielt sich das Vorstandsduo – für Familienunternehmen typisch – mit Aussagen zurück. Finanzchefin Menne räumte jedoch ein, dass Boehringer mit einer „positiven operativen Ergebnisentwicklung“plane. Wegen noch ausstehender Verkäufe von Randbereichen könne man jedoch, selbst wenn man wollte, keine konkreteren Aussagen treffen.