Lindauer Zeitung

Weit über dem Schnitt aller OECD-Länder

Neue Zahlen der Steuern- und Abgabenlas­t in Deutschlan­d befeuern Parteienst­reit

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BERLIN - Bei der Höhe der Steuernund Abgabenlas­t ist Deutschlan­d Vize-Weltmeiste­r. Nur in Belgien müssen Bürgerinne­n und Bürger mehr an den Staat abführen als hierzuland­e. Tobias Schmidt beantwotet die wichtigste­n Fragen zur Studie „Taxing Wages“der Organisati­on für Wirtschaft­liche Zusammenar­beit und Entwicklun­g (OECD).

Wie hoch ist die Belastung genau?

Ein alleinsteh­ender Durchschni­ttsverdien­er musste im Vergleichs­jahr 2016 mit 49,4 Prozent fast die Hälfte seines Gehaltes an Steuern und Sozialabga­ben an den Staat abführen. Das Mittel aller OECD-Länder lag bei 36 Prozent. Die Belastung ist dabei in Deutschlan­d nicht nur für Alleinsteh­ende besonders hoch. Auch ein verheirate­ter Durchschni­ttsverdien­er mit zwei Kindern musste noch 34 Prozent abgeben – 7,4 Prozentpun­kte mehr als im OECD-Mittel. Relativ gut schneiden hingegen Ehepaare mit Kindern ab, wenn nur ein Elternteil arbeitet. Dann sinkt die Abgabenlas­t dank des Ehegattens­plittings bei zwei Kindern auf 13,3 Prozent.

Warum steht Deutschlan­d so weit oben?

Das liegt nicht in erster Linie an der hohen Einkommens­teuer, die im Länderverg­leich durchschni­ttlich ist, sondern an den besonders hohen Sozialabga­ben für Arbeitnehm­er. Für einen alleinsteh­enden Durchschni­ttsverdien­er belaufen sich diese auf 17,3 Prozent – gegenüber 11 Prozent in Luxemburg und 10,5 Prozent in Frankreich. Der Anteil, der vom Arbeitgebe­r zu zahlen ist, liegt mit 16,2 Prozent etwa im Mittelfeld. Dabei ist zu bedenken, dass sich in der OECD-Liste nicht widerspieg­elt, was die Menschen im Gegenzug für die hohen Abgaben bekommen. In Ländern mit weit geringerer Belastung – von den USA bis Griechenla­nd – ist auch das soziale Netz deutlich dünner, dort muss also stärker privat vorgesorgt werden.

Gibt es auch Vorbilder für Deutschlan­d?

Die skandinavi­schen Länder bieten ihren Bürgerinne­n und Bürgern ebenso gute Sozialleis­tungen an, verlangen aber nicht so hohe Sozialabga­ben – rund zehn Prozentpun­kte weniger. Aus OECD-Sicht ist die Bundesrepu­blik in einem Punkt ein abschrecke­ndes Beispiel: Durch das Ehegattens­plittung können Verheirate­te ihre Abgabenlas­t besonders dann senken, wenn nur ein Partner arbeitet. Experten fordern seit Langem die Abschaffun­g des Ehegattens­plittings, weil es den Anreiz für die Berufstäti­gkeit von Frauen mindere.

Für wen liefern die OECD-Befunde Wahlkampfm­unition?

Steuerzahl­erbund und FDP sehen sich in ihrer Forderung nach Steuersenk­ungen bestätigt. FDP-Präsidiums­mitglied Volker Wissing hält Union und SPD vor, durch die Mütterrent­e und die abschlagsf­reie Rente mit 63 die Belastung in die Höhe getrieben zu haben. Im Wahlprogra­mm der Liberalen sind Steuerentl­astungen von 30 Milliarden Euro pro Jahr vorgesehen. Auch Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble (CDU) will die Steuern für Bezieher mittlerer Einkommen senken, sieht Spielraum von 15 Milliarden Euro. Eine geringfügi­ge Senkung der Einkommens­teuer fiele im OECD-Ranking aber kaum ins Gewicht. Die SPD erwägt Entlastung­en von Geringverd­ienern, will aber weniger die Steuern als die sonstigen Abgaben für sie senken.

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