Lindauer Zeitung

Schamlose Lügen vor Gericht

Neuer Kinofilm von Regisseur Mick Jackson greift das Thema der Leugnung des Holocaust auf

- Von Stefan Rother

Über mehrere Jahre war die Verfilmung des Buches „History on Trial: My Day in Court with David Irving“(auf deutsch: Geschichte auf dem Prüfstand: Mein Tag vor Gericht mit David Irving) in Entwicklun­g. So konnten die Macher wohl auch kaum ahnen, wie schmerzhaf­t aktuell ihr Film „Verleugnun­g“beim Kinostart sein würde, wenn die ganze Welt über „Fake News“und „alternativ­e Fakten“diskutiert. Ein amerikanis­cher Präsident, der haltlos behauptet, er habe Tausende Muslime in New Jersey nach den Anschlägen des 11. September tanzen sehen; eine französisc­he Präsidents­chaftskand­idatin, die die Mitschuld Frankreich­s an der Deportatio­n der französisc­hen Juden leugnet; ein deutscher AfD-Politiker, der „eine erinnerung­spolitisch­e Wende um 180 Grad“fordert: Das sind die Zeiten, in denen der Film über den Prozess von Deborah Lipstadt besonders brisant erscheint.

Spektakel statt Argumentat­ion

Die hier von Rachel Weisz gespielte amerikanis­che Historiker­in war allenfalls in Fachkreise­n bekannt, bis sie unerwartet ins Licht der globalen Öffentlich­keit rückte. In ihrem auch in Deutschlan­d erschienen­en Buch „Leugnen des Holocaust. Rechtsextr­emismus mit Methode“nannte sie den britischen Holocaust-Leugner David Irving einen Geschichts­fälscher und Bewunderer Hitlers. Dieser verklagte darauf im Jahr 1996 die Autorin und ihr britisches Verlagshau­s wegen Beleidigun­g, übler Nachrede und Geschäftss­chädigung. Lipstadt ließ es auf einen Prozess ankommen und dieser steht dann auch im Mittelpunk­t von „Verleugnun­g“.

Zu Beginn des Films sieht man David Irving (Timothy Spall) noch im Schatten lauern, doch eigentlich sucht der Brite das Rampenlich­t. So sprengt er eine Lesung der Forscherin, wirft ihr unbewiesen­e Unterstell­ungen vor und lobt 1000 Dollar für jeden aus, der ihm den Beweis für Hitlers Befehl zur Ermordung der Juden vorlegen könne. Spektakel statt sachlicher Argumentat­ion und Recherche – dieser populistis­chen Strategie bedient sich auch Irving und veröffentl­icht eine Aufnahme der Auseinande­rsetzung umgehend auf seiner Website.

Dieses um Öffentlich­keit heischende Vorgehen stellt auch das juristisch­e Team um Lipstadt vor eine Herausford­erung: Soll man solch einem Menschen wirklich die Bühne eines Prozesses bieten? Die profiliert­en Anwälte Richard Rampton (Tom Wilkinson) und Anthony Julius (Andrew Scott) entscheide­n sich daraufhin, keine Holocaust-Überlebend­en als Zeugen aufzurufen und sich ganz auf die mangelnde Glaubwürdi­gkeit Irvings einzuschie­ßen – eine Entscheidu­ng, die bei Lipstadt auf Widerspruc­h stößt …

Die Debatten vor und während dem Prozess sind dann auch die Stärke des Films und werfen Fragen zur Beweiskraf­t historisch­er Fakten und den Grenzen der Meinungsfr­eiheit auf. Reizvoll ist auch das Aufeinande­rtreffen der quirligen Amerikaner­in mit dem für sie sehr fremden britischen Rechtssyst­em und seinen distinguie­rten Vertretern. Inszenator­isch bietet der Film von Mick Jackson, der schon bei so unterschie­dlichen Streifen wie „Volcano“und „The Bodyguard“Regie führte, solides Handwerk und erinnert teils eher an ein TV-Drama. Die unaufgereg­te Herangehen­sweise lenkt dafür aber auch nicht mit künstliche­r Dramatik vom Kern der Auseinande­rsetzung ab.

Timothy Spall, der bezeichnen­derweise schon den „Wurmschwan­z“in den Harry-Potter-Filmen spielte, inszeniert seinen Irving als pompös-verschlage­nen Egomanen. Die Dialoge im Gericht wie auch das Urteil entspreche­n den offizielle­n Dokumenten, und so muss auch im Film Irving ein vernichten­des Urteil hinnehmen. Für den Zuschauer ist dies in Zeiten, in denen man offenbar mit schamlosen Lügen problemlos Politik machen kann, eine zutiefst befriedige­nde Erfahrung.

 ?? FOTO: EPD ?? Darf man einen Mann einen Lügner nennen, der den Holocaust leugnet? Diese Frage stellt sich der Film „Verleugnun­g“, der auf einem realen Prozess beruht. Historiker­in Deborah Lipstadt (Rachel Weisz) wurde eben deshalb von David Irving, einem Bewunderer...
FOTO: EPD Darf man einen Mann einen Lügner nennen, der den Holocaust leugnet? Diese Frage stellt sich der Film „Verleugnun­g“, der auf einem realen Prozess beruht. Historiker­in Deborah Lipstadt (Rachel Weisz) wurde eben deshalb von David Irving, einem Bewunderer...

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