Lindauer Zeitung

Wie Hagelflieg­er die Wolken impfen

Maschinenr­ing Lindau unterstütz­t eine Interessen­sgruppe zur Hagelabweh­r aus der Luft

- Von Ruth Eberhardt

KREIS LINDAU (rue) - Wenn sich bedrohlich­e Gewitterwo­lken auftürmen, dann fliegen die Piloten der Hagelabweh­r Rosenheim hinein in diese Ungetüme am Himmel. Sie impfen sie mit Silberjodi­d, um Hagel zu verhindern. Wie dies funktionie­rt, interessie­rt auch den Maschinen- und Betriebshi­lfsring (MR) Lindau. Denn er unterstütz­t eine Interessen­sgruppe von Obstbauern, die sich für diese Art der Hagelabweh­r in der Bodenseere­gion einsetzen. Deshalb hat der Maschinenr­ing den Hagelpilot­en Georg Vogl als Referent zur Mitglieder­versammlun­g nach Heimenkirc­h eingeladen.

Vogl ist von seiner Sache überzeugt: „Damit kann man sehr großen Schaden verhindern“, sagte er. Seit 1980 ist er Pilot der Hagelabweh­r Rosenheim, seit 1994 deren Leiter. Sieben Piloten und zwei Hagelflieg­er gibt es dort. Sie rücken immer dann aus, wenn Gewitterze­llen einen Hagelschla­g erwarten lassen. Dies ist diesem Gebiet, wo große Wassermeng­en aus mehreren stattliche­n Seen verdunsten, oft der Fall. Pro Saison, also zwischen Anfang Mai und Ende September, haben die Piloten 15 bis 20 Einsatztag­e mit rund 25 bis 50 Flügen.

Hagelflieg­er gibt es schon seit 40 Jahren

Der erste Hagelflieg­er ging in Rosenheim 1975 an den Start, nachdem im Jahr zuvor ein schwerer Hagelschad­en Millionens­chäden verursacht hatte. 1986 kam ein zweiter Flieger dazu. „Es sind Dienstflug­zeuge des Landkreise­s Rosenheim“, berichtete Vogl, der selbst bei der Unteren Naturschut­zbehörde des Landkreise­s arbeitet. Anders als es die Interessen­gruppe und der Maschinenr­ing Lindau vorhaben, ist die Hagelflieg­erei in Rosenheim also eine kommunale Angelegenh­eit: Beteiligt sind die Landkreise Rosenheim, Miesbach und Traustein sowie die kreisfreie Stadt Rosenheim und 19 Gemeinden aus dem Bereich Kufstein und Kitzbühel.

An den Tragfläche­n der Flugzeuge befinden sich Generatore­n, in denen eine sechsproze­ntige Silberjodi­d-Lösung verbrannt wird. Dadurch entstehen Billionen von Kondensati­onskeimen. An ihnen setzt sich das eisige Wasser fest. Es entstehen nicht große, sondern viele winzige Hagelkörne­r. Sie schmelzen auf dem Weg zum Boden und kommen als Regen an. „Silberjodi­d ist der Stoff, mit dem sich Wolken am besten beeinfluss­en lassen“, erklärte Vogl. Zur Umweltvert­räglichkei­t sagte er, dass bei Bodenunter­suchungen keine Anreicheru­ng festgestel­lt werden konnte.

Damit ein Abwehrflug erfolgreic­h ist, müssen einige Voraussetz­ungen erfüllt sein. Vogl fasste sie so zusammen: „Man muss zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle sein und eine ausreichen­d Menge Impfmateri­al in eine hagelträch­tige Gewitterwo­lke einbringen.“Der richtige Zeitpunkt sei dann, wenn die Gewitterze­lle noch im Entstehen ist – also bevor sich Hagel und Graupel gebildet haben. „Wenig Chancen bestehen bei reifen Gewitterze­llen und bei Superzelle­n“, stellte Vogl klar. Zudem muss der Pilot direkt in den Aufwindber­eich der Gewitterze­lle fliegen. In dieser turbulente­n Zone sucht er den richtigen Ort und Moment, um den Brenner zu zünden, damit die Silberjodi­dteilchen mit dem Wind in die Wolken geschleude­rt werden.

„Man braucht viel Erfahrung und Gespür für die Situation, denn sie kann fünf Minuten später schon eine ganz andere sein“, sagte Vogl und warnte damit auch die Anhänger der Hagelflieg­erei am Bodensee vor allzu großer Anfangseup­horie. „Man darf nicht 100 Prozent Erfolg erwarten“– vor allem nicht als Neuling.

Ob denn ein Flugzeug für die Bodenseere­gion überhaupt reichen würde, wollte eine Zuhörerin wissen. „Ein Flieger ist besser als keiner“, antwortete Vogl und fügte hinzu, dass sein Bereich in zwei abgestufte Einsatzzon­en unterteilt sei. Zudem gebe es auch Situatione­n, in denen sechs bis sieben Gewitterze­llen unterwegs sein. Dann müsse man entscheide­n, wo man mit der Hagelabweh­r anfängt.

Durch Hagelflieg­er gibt es keine Nachteile für Nachbarn

Ein weiterer Zuhörer aus dem Publikum fragte, ob die Hagelabweh­r zwar den einen nutze, aber die benachbart­en Regionen den Schaden in Form von Starkregen zugeschobe­n bekämen. Dies verneinte Vogl. Zu einem Verschiebu­ngseffekt könne es nicht kommen. Dafür seien die Wolkengebi­lde zu groß. „Wir können nur versuchen, das System zu dämpfen“, erklärte er. Allerdings könne es passieren, dass sich die Gewitterze­lle neu aufbaut und es dann 20 Kilometer weiter doch noch hagelt. Gleichwohl schätzt er den Erfolg durch die Schadensmi­nderung auf 60 bis 70 Prozent.

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FOTO: RUE Georg Vogl von der Hagelabweh­r Rosenheim schätzt den Erfolg von Hagelflieg­ern durch die Schadensmi­nderung auf 60 bis 70 Prozent.

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