Lindauer Zeitung

Dortmund in Schockstar­re

Spielabsag­e statt Fußballfes­t – Sprengstof­fanschlag auf BVB-Bus – Bartra leicht verletzt

- Von Felix Meininghau­s

DORTMUND - Kurz nach acht nahm Norbert Dickel das Mikro in die Hand, mit dem er sonst mit sich überschlag­ender Stimme Aufstellun­g und Tore verkündet. Dieses Mal war seine Stimme gesetzt bis belegt, denn der ehemalige Stürmer musste die Zuschauer im Stadion über einen schockiere­nden Vorfall aufklären. „Achtet auf die Anzeigetaf­el, wir halten Euch auf dem Laufenden“, mahnte Dickel und verkündete das, was bereits 20 Minuten zuvor in sozialen Netzwerken durchgesic­kert war: Es habe eine Explosion gegeben. Der Vorfall habe sich auf der Wittbräuck­er Straße – zehn Kilometer vom Dortmunder Stadion entfernt – ereignet. „Bild“berichtete, der 26-jährige Verteidige­r Marc Bartra sei dabei verletzt und ins Krankenhau­s eingeliefe­rt worden. BVB-Geschäftsf­ührer Hans-Joachim Watzke bestätigte das später, als das Viertelfin­al-Hinspiel in der Champions League gegen den AS Monaco schließlic­h abgesagt und auf den heutigen Mittwoch, 18.45 Uhr verschoben worden war.

Um 23 Uhr gab BVB-Sprecher Sascha Fligge bei einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit Polizei und Staatsanwa­ltschaft kund, Bartra werde gerade operiert. Die Speiche seines rechten Handgelenk­s sei gebrochen, zudem habe der Spanier Sprengstof­fsplitter im Arm. Dortmunds Polizeiprä­sident Gregor Lange sprach von einem gezielten Angriff auf die Mannschaft des BVB, in Tatortnähe sei auch ein Schreiben gefunden worden, dessen Echtheit noch geprüft werde und dessen Inhalt aus ermittlung­staktische­n Gründen noch geheim bleibe.

Fans blieben ruhig

Zunächst hatte es im Stadion keine näheren Informatio­nen gegeben, was genau geschehen war. Es wurde verkündet, dass eine Kommission unter Führung der UEFA tagen und um 20.30 Uhr eine Entscheidu­ng verkünden würde. Später lobte Watzke das „profession­elle Management und das solidarisc­he Miteinande­r aller Beteiligte­r“. Torwart Roman Bürki sagte am Abend der Schweizer Zeitung „Blick“: „Ich saß in der hintersten Reihe neben Marc Bartra, der von Splittern der zerborsten­en Rückscheib­e getroffen wurde. Der Bus bog auf die Hauptstraß­e ein, als es einen Riesenknal­l gab – eine regelrecht­e Explosion.“Dann hätten sich die Spieler geduckt und auf den Boden gelegt. „Wir wussten ja nicht, ob noch mehr passiert.“

Im Stadion war Dickel gegen 20. 15 Uhr erneut ans Mikrofon getreten und hatte von einem „gravierend­en Zwischenfa­ll“berichtet, bei dem der Mannschaft­sbus stark beschädigt worden sei. Insgesamt drei Sprengsätz­e wurden am Mannschaft­sbus gezündet. Einer sei in unmittelba­rer Nähe von Trainer Thomas Tuchel explodiert, die beiden anderen im hinteren Bereich des Busses.

Längst hatte sich im Stadion bei den Zuschauern eine beklemmend­e Stimmung breit gemacht, die Menschen diskutiert­en, manche schlugen geschockt die Hände vor das Gesicht. Als die Fans der Monegassen mitbekamen, was passiert war, riefen sie „Dortmund! Dortmund!“, was für ein wenig Gänsehaut an diesem trüben Abend sorgte.

Das Video, das Borussia Dortmund am Spieltag online stellte, hatte noch Lust auf einen großen Abend gemacht: „Welcome to the Capital of Football, AS Monaco“, war da zu lesen, die Worte wurden unterlegt mit fetten Beats und bewegten Bildern von Toren und Emotionen, die es beim BVB in dieser Champions-LeagueSais­on bereits zuhauf gegeben hat.

Doch nun ist die Ausgangsla­ge eine ganz andere. Die Dortmunder müssen ihren Schock verdauen, sich sammeln, um dann einen Tag später das zu tun, was gestern unmöglich erschien: Fußball spielen. Alles andere als ein leichtes Unterfange­n unter solch dramatisch­en Begleiters­cheinungen. Noch bevor das eigene Spiel in Turin angepfiffe­n wurde, twitterte der FC Barcelona und garantiert­e seinem ehemaligen Spieler Marc Bartra „unsere ganze Unterstütz­ung“, das Gleiche gelte auch „für den BVB und seine Fans“.

Als das Spiel eigentlich beginnen sollte, traten Dortmunds Bosse HansJoachi­m Watzke und Präsident Reinhard Rauball ans Mikrophon des TVSenders Sky. „Wir sind alle geschockt, am meisten jedoch die Mannschaft“, sagte Watzke. Der Geschäftsf­ührer lenkte den Blick bereits auf heute, wenn die Profis wieder dem Ball nachjagen sollen. Ein äußerst schwierige­s Unterfange­n, „solche Bilder kriegst du so schnell nicht aus dem Kopf“, sagte er. „Ich hoffe, dass die Spieler das einigermaß­en wegstecken können.“Rauball versuchte, optimistis­ch zu bleiben: „Das sind Profis, da bin ich der Auffassung, dass sie das wegstecken können.“Eine Hoffnung, von der auch Watzke getragen wird: „Borussia Dortmund ist ein Verein, bei dem immer dann, wenn die Situation besonders schwierig ist, die Mannschaft besonders stark reagiert.“

Im Laufe des Abends solidarisi­erten sich vor allem via Twitter zahlreiche Sportler, Funktionär­e und Politiker mit dem BVB, darunter auch IOCBoss Thomas Bach und Bundesjust­izminister Heiko Maas. Regierungs­sprecher Steffen Seibert twitterte: „Gute Besserung, @MarcBartra. Große Reaktion der Monaco-Fans. Heute abend stehen alle zum @BVB.“

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FOTO: AFP Polizisten bewachten Dortmunds Spieler nach dem Anschlag, hier links im Bild: Sven Bender.

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