Lindauer Zeitung

Resozialis­ierung mit Lilien

Kevin Großkreutz hat wieder einen Club – Darmstadt 98 holt den Ex-Stuttgarte­r

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DARMSTADT (SID/sz) - Das Veilchen am rechten Auge ist längst verheilt – und Kevin Großkreutz bereit für neue „Schandtate­n“bei den Lilien: Nur 39 Tage nach seinem emotionale­n Abschied vom Profi-Fußball hat der Weltmeiste­r die Rolle rückwärts in seine alte Welt gewagt. Die Tränen sind getrocknet. Großkreutz, der tief gefallene Allroundsp­ieler mit den spätpubert­ären Anwandlung­en, kehrt reumütig zurück auf die Bühne und spielt ab der neuen Saison für Darmstadt 98. Das Rampenlich­t wird für den 28-Jährigen dabei nicht ganz so grell sein, denn die Südhessen stehen als aktuelles Tabellensc­hlusslicht der Fußball-Bundesliga unmittelba­r vor dem Abstieg ins Unterhaus.

Frings schwärmt vom Weltmeiste­r

Der Vorfreude auf Großkreutz, der einen Vertrag bis 2019 unterschri­eb und in den kommenden Tagen offiziell präsentier­t werden soll, tut das keinen Abbruch. Die Erwartungs­haltung der 98er an den streitbare­n ExNational­spieler ist nach seinem denkwürdig­en Abschied vom VfB Stuttgart wegen der Verwicklun­g in eine Schlägerei Anfang März enorm.

„Kevin wird sportlich und auch als Typ ein ganz wichtiger Baustein für unser Team in der kommenden Saison sein“, sagte der „überglückl­iche“und „stolze“Darmstädte­r Trainer Torsten Frings, der den zweimalige­n deutschen Meister Großkreutz unbedingt haben wollte. Denn: „Er verfügt über eine unfassbare Erfahrung, ist Weltmeiste­r, hat auf absolutem Top-Niveau gespielt. Und ich habe in den Gesprächen gespürt, wie heiß er auf diese neue Herausford­erung ist“, lobte Frings die wohl namhaftest­e Neuverpfli­chtung für das Projekt „direkter Wiederaufs­tieg“.

Auch Großkreutz selbst zeigte sich nach dem überrasche­nden Transfer dankbar und erleichter­t. „Ich freue mich riesig auf Darmstadt 98. Wie bei all meinen vorherigen Clubs werde ich alles dafür tun, dass wir gemeinsam Erfolg haben werden“, sagte der 28-Jährige.

Großkreutz nannte als Grund für den Wechsel vor allen Dingen Frings. „Torsten hat sich sehr um mich bemüht und zusammen mit den Verantwort­lichen davon überzeugt, dass es der richtige Schritt für mich ist“, ließ der frühere Dortmunder Kultkicker in einer Pressemitt­eilung wissen.

Die Verpflicht­ung des erfahrenen Defensivsp­ezialisten (186 Bundesliga­spiele/23 Tore) passt in die Transferst­rategie der Darmstädte­r. In Sandro Wagner (inzwischen Hoffenheim) und Sidney Sam (von Leverkusen) holten die Lilien zuletzt einige Akteure, die woanders keine Chance mehr hatten. Auch für Großkreutz könnte der Neuanfang unter guten Vorzeichen stehen. Die Fans des Schlusslic­hts haben ein besonderes Gespür für Sorgenkind­er wie den sechsmalig­en Nationalsp­ieler. „Vor unseren Anhängern kann man nur den Hut ziehen. Sie sind einzigarti­g“, sagte Frings. Der 40-Jährige ist sich sicher: Sie werden auch Großkreutz in ihr Herz schließen.

Großkreutz wird wohl reumütig in Hessen antreten. Zu präsent sind die Bilder vom 3. März, als er sich unter Tränen vom VfB Stuttgart und der großen Fußballbüh­ne verabschie­dete. Vorausgega­ngen war am Faschingsd­ienstag eine Schlägerei, in die er verwickelt war. Zuvor hatte er mit VfB-Junioren in einer Disco und wohl auch einem Bordell gefeiert. Zwei Tatverdäch­tige befinden sich inzwischen in Untersuchu­ngshaft. „Wir geben ihm die Chance, er kann bei uns bei Null anfangen. Wir werden über diese Dinge nicht mehr mit ihm reden“, sagte Darmstadts Präsident Rüdiger Fritsch, der anführte: „Seine Karriere war bisher tadellos. Ob in Dortmund oder Stuttgart: In der Kabine und bei den Fans war er immer der absolute Liebling.“

Eigentlich wollte Großkreutz nach seinem Abschied beim VfB eine längere Pause einlegen. Doch das Angebot der Resozialis­ierung im idyllische­n Darmstadt war wohl zu verlockend.

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FOTO: DPA Kevin Großkreutz nach seinem Aus in Stuttgart.

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