„Die Spieler haben wirklich ein Trauma erlebt“
KÖLN (SID) Sportpsychologin Jeannine Ohlert (Foto: oh) von der Sporthochschule in Köln findet es unverantwortlich, dass das Spiel bereits einen Tag später angesetzt wurde.
Ist es richtig, dass das Spiel nach dem Anschlag schon einen Tag später stattfindet?
Aus meiner Sicht ist es unverantwortlich. Die Spieler haben einen Angriff auf ihr eigenes Leben erlebt, sollen jetzt wieder in den Alltag zurückkehren und ihre hundertprozentige Leistung abrufen. Das ist aus meiner Sicht überhaupt nicht machbar vom Kopf her, weil sie wirklich ein Trauma erlebt haben.
Kann man da noch von einem normalen Spiel sprechen?
Aus meiner Sicht ist es auf jeden Fall Wettbewerbsverzerrung. Das Spiel findet nicht auf Augenhöhe statt. Die Mannschaften sind beide betroffen, aber Dortmund ist stärker betroffen. Es ist kein normales, reguläres Spiel. Es ist für beide Mannschaften eine absolute Ausnahmesituation, aber Dortmund ist ganz klar stärker belastet.
Wie fühlt sich ein Spieler einen Tag nach solch einem gravierenden Vorfall?
Man steht ein bisschen neben sich und hat das Gefühl, unter einer Glocke zu sein, dass alles an einem vorbeiläuft. Gleichzeitig gibt es das Problem, dass die Grundanspannung sehr hoch ist. Der Muskeltonus ist von vorneherein höher, es steigt also gleichzeitig die Verletzungsgefahr. Die Psyche wirkt sich auf die körperlichen Dinge aus. Man fühlt sich nicht mehr so fit und die Beine sind schwer.
Was kann BVB-Trainer Thomas Tuchel, der selbst mit im Bus saß, vor dem Spiel bewirken?
Das Ding ist, er ist dafür auch gar nicht ausgebildet, und in der Regel sind auch Sportpsychologen dafür nicht ausgebildet, sondern da müssen eigentlich Traumatherapeuten her. Weil es letztendlich ein Trauma ist, das mit dem Sport nichts mehr zu tun hat. Es ist ein lebensbedrohliches Ereignis und da passiert sehr viel im Kopf. Es ist nichts, was man in 24 Stunden abhaken kann und nichts, was der Trainer geradebiegen kann.
Inwieweit sind die Spieler vom AS Monaco und die Fans betroffen?
Je näher einem selbst so ein Ereignis ist, desto mehr fühlt man sich betroffen. Das kann räumliche Nähe sein, aber auch das Gefühl, ich könnte so eine Situation auch selbst erleben. Die Spieler werden im Bus vom Hotel zum Stadion gebracht, die müssen natürlich auch damit rechnen, dass wieder so etwas passieren kann. Das kann auch eine komische Situation sein.