„In Grenzsituationen helfen sich die Menschen“
FRIEDRICHSHAFEN - Christian Wucherer, Trainer des FußballLandesligisten VfB Friedrichshafen, ist bekennender Dortmund-Sympathisant. Die Ereignisse am Dienstagabend (Bombenanschlag auf BVB-Bus) haben ihn völlig vor den Kopf gestoßen. „Das darf nicht wahr sein“, war seine erste Reaktion. Mit Christian Wucherer sprach Giuseppe Torremante.
Herr Wucherer, Sie waren nicht im Stadion, haben die Ereignisse am Fernsehen verfolgt. Was ging Ihnen durch den Kopf?
Die Hintergründe sind ja noch unklar, aber für mich ist es generell unfassbar, dass manche Leute den Sport mit Politik vermischen. Ich glaube, dass diese Tat vieles bewirken wird, zum Beispiel höhere Sicherheitsvorkehrungen. Alles Dinge, die wir nicht wollen. Man erinnert sich an die Attentate in Paris (Mitte November 2015). Wir müssen als Gesellschaft solchen Menschen entgegentreten und uns nicht einschüchtern lassen. Ich fand die Aussage eines BVB-Fans im Fernsehen direkt nach den Geschehnissen bemerkenswert, der auf die Frage ob er wieder ins Stadion gehen würde mit einem klaren „a“beantwortet hat und auch betonte, dass er sich von solchen Dingen nicht abschrecken lassen würde. Fußball bewegt die Menschen, lebt von Emotionen, aber das war es auch schon. Es ist nur Sport.
Die UEFA hat die Partie am Dienstagabend abgesagt und sie auf Mittwochabend 18.45 Uhr angesetzt. Die Vereine packen die heutige Spielergeneration in Watte, nehmen ihnen viel ab. Diese haben gar nicht die Zeit die Ereignisse aufzuarbeiten. Macht diese Entscheidung Sinn?
Nein. Die Entscheidung nach 22 Stunden die Partie wieder anzusetzen, macht aus meiner Sicht keinen Sinn. Die Spieler müssten mehr Zeit haben, um über das Geschehene nachzudenken, es mit Freunden, der Familie oder mit Sportpsychologen zu verarbeiten. Die Partie am Mittwochabend wird kein normales Fußballspiel, weder für Dortmund noch für Monaco. Fußball spielt sich zu 70 Prozent im Kopf ab. Von den Spielern, die am Dienstagabend noch Opfer eines Attentats waren, bei dem zum Glück nicht Schlimmeres passiert ist, sollen am Mittwochabend Fussball auf höchstem Niveau spielen und alles ausblenden, das halte ich für utopisch. Fußball ist ein Millionengeschäft, aber hier fehlt mir das Verständnis, ein späterer Termin wäre besser gewesen unter diesen extremen Geschehnissen, um den Spielern wenigstens im Ansatz die Chance zu geben es zu verarbeiten.
Es gab trotz des Anschlags auch eine unglaubliche Solidarität zwischen allen Beteiligten, der Polizei, den Fans und den Verantwortlichen der beiden Fußballvereine. Wie haben Sie das erlebt?
Ich fand die Bilder toll, als Dortmund-Fans und Monaco-Fans an einen Tisch saßen und gemeinsam aßen, den Monaco Fans spontan Sofas und Betten zur Verfügung gestellt wurden. Im Stadion und drum herum haben sich alle sehr gut verhalten, es gab keine Panik, alle blieben besonnen. In Grenzsituationen helfen sich die Menschen, das ist sehr schön. Schön wäre es aber auch, wenn das Normalität wäre.