Die Deutschen sind so reich wie nie
Niedrigzins macht Sparern zu schaffen – Geldvermögen steigt trotzdem auf Rekordwert
FRANKFURT (dpa) - Die Menschen in Deutschland besitzen trotz Zinstief so viel Geldvermögen wie nie zuvor. Nach Angaben der Deutschen Bundesbank stieg das Vermögen der privaten Haushalte in Form von Bargeld, Wertpapieren, Bankeinlagen sowie Ansprüchen an Versicherungen Ende vergangenen Jahres auf den Rekordwert von 5586 Milliarden Euro. Immobilien oder Kunstwerke sind in der Statistik nicht enthalten.
Das deutliche Plus von 98 Milliarden Euro beziehungsweise 1,8 Prozent erklärte die Notenbank am Donnerstag vor allem mit gestiegenen Börsenkursen. Allein gut 53 Milliarden Euro resultierten danach aus Bewertungsgewinnen, insbesondere bei Aktien und Anteilen an Investmentfonds. „Auch im Jahresverlauf trugen die Bewertungsänderungen bei Aktien und Investmentfondsanteilen insgesamt positiv zum Anstieg des Geldvermögens bei“, erklärte die Notenbank.
Wo steckt das viele Geld?
Sparbuch und Co. werfen wegen der Zinsflaute kaum noch etwas ab, zugleich nagen die Niedrigzinsen an der Rendite von privaten Rentenund Lebensversicherungen. Dennoch liegt das Geld vor allem auf Girokonten, es steckt in Sparbüchern oder Lebensversicherungen. Der größte Posten waren der Bundesbank zufolge Ende vergangenen Jahres Bargeld, Geld auf Girokonten oder Spareinlagen mit insgesamt 2200 Milliarden Euro. Weitere 2113 Milliarden Euro steckten in Versicherungen und Pensionseinrichtungen. 2016 hatten einer GFK-Umfrage zufolge 40 Prozent der Bundesbürger ihr Geld auf einem Sparbuch angelegt – wohlwissend, dass es sich um eine unattraktive Form der Geldanlage handelt.
Wie ist der Reichtum verteilt?
Darüber gibt die Analyse der Bundesbank keine Auskunft. Der aktuelle Armut- und Reichtumsbericht der Bundesregierung kommt aber zu dem Ergebnis, dass die reichsten zehn Prozent der Haushalte mehr als die Hälfte des gesamten Netto-Vermögens besitzen. „Die untere Hälfte nur ein Prozent“, erläuterte Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) jüngst. Von dem seit Jahren anhaltenden wirtschaftlichen Aufschwung in Deutschland profitieren danach vor allem die Reichen. „Die unteren 40 Prozent der Beschäftigten haben 2015 real weniger verdient als Mitte der 1990er-Jahre“, so die Ministerin.
Was ist mit Aktien?
Die meisten Menschen in Deutschland meiden Aktien nach wie vor. Die Zahl der Aktienbesitzer in Deutschland sank im vergangenen Jahr sogar wieder unter die Marke von neun Millionen. „Die Deutschen sind eben leider immer noch kein Volk der Anleger, sondern ein Volk der Sparer - daran hat selbst die anhaltende Niedrigzinsphase bis heute nichts ändern können“, meint der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Marc Tüngler.
Welche Folgen hat das?
Sparer verzichten nicht nur auf Gewinne durch steigende Börsenkurse, sondern auch auf Dividenden. Nach Berechnungen von Aktionärsvertretern schütten allein die 30 Börsenschwergewichte im Leitindex Dax in diesem Jahr die Rekordsumme von 31,6 Milliarden Euro an ihre Anteilseigner aus. Die Gewinnbeteiligung bei 640 untersuchten Aktiengesellschaften steigt im Vergleich zum Vorjahr um rund 9 Prozent auf die Bestmarke von insgesamt 46,3 Milliarden Euro.
Sind Aktien stets eine gute Wahl?
Nicht unbedingt. Zwar gelten die Anteilsscheine langfristig als lukrative Geldanlage. Wer beispielsweise Ende 1995 Aktien kaufte und bis Ende 2010 hielt, habe in diesem Zeitraum im Schnitt 7,8 Prozent Rendite pro Jahr erzielt, rechnet das Deutsche Aktieninstitut (DAI) vor. Doch nicht jede Aktie zahlt sich aus — wie die DSW-Liste der 50 „größten Kapitalvernichter“zeigt. Wer dort investierte, musste herbe Kursverluste hinnehmen, „die durch die Dividendenzahlungen meist nicht ansatzweise kompensiert werden konnten“, wie Tüngler erläutert.
Was ist mit Immobilien?
Niedrigzinsen und der Mangel an Anlage-Alternativen heizen die Nachfrage nach Wohnungen und Häusern an. Das treibt vor allem in Ballungszentren die Preise in die Höhe. Überdurchschnittlich hoch war der Anstieg im vergangenen Jahr laut Bundesbank einmal mehr in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart. Hält der Boom an, könnten die Immobilienpreise weiter steigen und damit die Rendite. Die Notenbank beobachtet die Entwicklung mit Sorge: Die Anstiege seien mit wirtschaftlichen Faktoren allein nicht mehr zu erklären.