Gespräche fast auf Augenhöhe
Meisterkurs mit Bernd Goetzke - Intensive Förderung
LINDAU (gla) - Im Festsaal des Hotels in Bad Schachen ist noch heute Nachmittag von 14 bis 17 Uhr ein Klaviermeisterkurs mit Professor Bernd Goetzke zu erleben, bevor dieser seinen ebenfalls zum Teil öffentlichen Unterricht in der Kunst- und Konzerthalle in St. Christoph am Arlberg fortsetzt. Studentinnen und Studenten des Kurses musizieren auch in der morgigen Matinee um 11 Uhr in Bad Schachen.
Fingerübungen, Tonleitern, Oktavpassagen tönen durch den stilvollen Raum, zwischendurch ein Blick aufs Handy: Shaun Choo aus Singapur und Student am Salzburger Mozarteum, spielt sich ein. Er ist schon ein alter Bekannter am Bodensee, bereits zum vierten Mal nimmt er beim Klavierfestival junger Meister teil, er gab Konzerte in Langenargen und Lindau und wird auch bei den Abschlusskonzerten in Friedrichshafen (20. April., 19.30 Uhr, Graf-ZeppelinHaus) und Samstag (22. April, 20 Uhr, Konzil Konstanz) mit einem Klavierkonzert von Saint-Saens zu hören sein. Ein Meisterkurs wie jetzt bei Bernd Goetzke, der einst selbst von Karl Heinz Kämmerling ausgebildet wurde, kann nochmals Anregungen und Impulse geben.
Goetzke diskutiert mit seinem Schüler „ein paar Ideen“
Shaun Choo beginnt mit Bach, auswendig trägt er Praeludium und Fuge in g-Moll vor, meißelt die punktierten Rhythmen des Praeludiums und das markante Thema der Fuge heraus, es wirkt, als wäre das Geflecht der Stimmen in der Fuge reizvoller für den analytischen Geist des jungen Pianisten. Bernd Goetzke hört von verschiedenen Stellen des Raums zu und gibt ein ebenso kurzes wie wohlwollendes Urteil ab: „Das ist musikalisch und sehr professionell gespielt“, in sich überzeugend, denn schließlich gibt es vielerlei Ansätze, Bach zu interpretieren. Dennoch hat Goetzke „ein paar Ideen“, die er mit Shaun Choo diskutiert. Auf diesem hohen pianistischen Niveau ist es fast ein Gespräch auf Augenhöhe, ein Erfahrungsaustausch, in dem der Professor freilich aus dem Vollen schöpfen kann. Details über die Art der Punktierung, der Ornamente, der Spannungsverhältnisse in den Intervallen geben dem Ganzen mehr Tiefe. Mit ein paar Beispielen zeigt er die Zusammenhänge im musikalischen Material auf, schwenkt kurz hinüber zu anderen Werken Bachs. Das ist beeindruckend, fachkundig, doch meist eher ein Privatissimum.
Der elfjährige Kenenisa Kilchmann, der aus Äthiopien stammt und am Bodensee aufgewachsen ist – er geht in Meersburg zur Schule und ist bereits Jungstudent an der Musikhochschule Trossingen – hat gleich einen ganzen Stapel Noten mitgebracht: Mozart, Debussy, Chopin. Hier kann Professor Goetzke noch mehr technische Hilfestellung geben – „schöne leise Töne mache ich am liebsten mit starken Fingern“, dann trägt die Melodie auch in leisen Passagen. Fachausdrücke werden kindgerecht erklärt, der junge Musiker setzt alles mit großer Konzentration und Eifer um. Man spürt Goetzkes Erfahrung mit Kindern, hat er doch in Hannover das Institut zur Frühförderung musikalisch Hochbegabter aufgebaut.
Wie intensiv diese Förderung fruchten kann, ist bei der Taiwanesin Ellen Lee zu beobachten, die schon im Eröffnungskonzert mit Schostakowitsch begeistert hatte: Für ihren Unterricht hat sie Balladen von Brahms mitgebracht, sie arbeitet mit ihrem Lehrer an der Klangbalance, an der Einbettung einer Liedmelodie in die Begleitstimmen, an großen Steigerungen, die den Klang gleichsam fliegen lassen.
Dass Goetzke wie nebenbei Terzenübungen einfließen lässt, die schon beim bloßen Zuhören die Finger verknoten lassen, zeigt einmal mehr, wie hart der Weg hin zu einem vermeintlich selbstverständlichen Spiel ist – üben, üben, üben!