Lindauer Zeitung

Papagei, männlich, sucht …

Tierheime vermitteln Partner für einsame Katzen, Ratten oder Meerschwei­nchen

- Von Christoph Koopmann

BERLIN (dpa) - Rocco fühlte sich allein. Die Einsamkeit machte den Graupapage­ien sogar aggressiv: „Immer wieder ist er auf meinen Mann losgegange­n“, sagt Kerstin Frommke. Die 54-jährige Nageldesig­nerin aus dem brandenbur­gischen Leegebruch adoptierte Rocco 2006 von einer Kundin – als Küken und „Einzelkind“. Jahrelang suchte sie nach einer Partnerin für den Papageien, ehe sich im Berliner Tierheim eine passende Dame fand.

Tierärzte warnen davor, Papageien allein zu halten. Sie brauchen mindestens einen Partner, denn sie sind Schwarmtie­re. Der mittlerwei­le elfjährige Rocco ist da keine Ausnahme. Schon früh machten sich Halterin Frommke und ihr Mann auf die Suche nach einer Gespielin für ihn.

Doch mehrere Vermittlun­gsversuche von einem Vogelzücht­er aus dem nahen Oranienbur­g schlugen fehl. Immer wieder versuchte Rocco, die potenziell­en Partnerinn­en zu verjagen. „Das war manchmal ganz schön dramatisch“, erzählt Frommke. Rocco habe sogar versucht, den Käfig der Weibchen zu öffnen, um sie zu attackiere­n. Der Grund: „Papageien sind da wie Menschen, die nehmen nicht jeden“, sagt Frommke.

Ab zur Brautschau

Dann sah sie vor anderthalb Jahren einen Fernsehber­icht über Graupapage­ien im Tierheim Berlin und rief kurzerhand dort an – mit Erfolg: Sie solle doch einfach mal vorbeikomm­en. „Doch als mir die Pfleger dann sagten, dass ich Rocco dalassen sollte, dachte ich: Nein, das geht nicht“, sagt Frommke – zumal sie ihn erst mal nicht besuchen durfte, er sollte sich von ihr entwöhnen. Doch Rocco zur Brautschau im Tierheim zu lassen, sei die einzige Möglichkei­t, erklärte man ihr. Besonders schlecht kann es ihm dort nicht ergangen sein: Er scharte einen regelrecht­en Harem von 20 Graupapage­ien-Damen um sich.

„Wir pflegen die Tiere, lassen sie Artgenosse­n beschnuppe­rn und schauen dann, wie es passt“, sagt Kerstin Butenhoff, Sprecherin des Tierheims. Rocco ist nicht der Einzige, der zur Partnersuc­he ins Berliner Tierheim kommt: Im vergangene­n Jahr nahm man dort einen Graupapage­ien auf, 2015 waren es mit Rocco fünf. Derzeit ist ein Papagei aus Mecklenbur­g-Vorpommern zu Gast in der „Partnerbör­se“, wie es Butenhoff nennt. Sie wünscht sich, dass sich mehr Vogelhalte­r im Tierheim melden.

Dort werden nicht nur Papageien „verpartner­t“, wie das in der Fachsprach­e heißt. Die Singlebörs­e hat auch für Katzen, Meerschwei­nchen und Ratten geöffnet. „Bei fast allen Tierarten kommt es auf die Chemie an“, erklärt Tierheim-Sprecherin Butenhoff. „Meist lassen wir uns vom Halter den Charakter des Tieres beschreibe­n. Die Pfleger kennen ihre Schützling­e sehr gut und können einschätze­n, wer wohl am besten dazu passt.“

Bei Katzen ist die Gewöhnungs­phase daheim dann recht unkomplizi­ert, sie können sich anfangs bei Bedarf recht gut aus dem Weg gehen. Im Käfig ist das schon schwierige­r. Ist ein potenziell­er Meerschwei­nchenoder Ratten-Partner gefunden, solle man das neue Tier erst einmal in einen separaten Käfig in Sichtweite zu den „Platzhirsc­hen“setzen, sagt Butenhoff. So hätten beide die Gelegenhei­t, sich aneinander zu gewöhnen.

Papageien sind die Einzigen, die länger im Tierheim bleiben, um sich kennenzule­rnen. Sie sind eben besonders wählerisch und brauchen dementspre­chend viel Zeit zur Partnersuc­he. Manche von ihnen bleiben sogar über ein Jahr dort, ehe sie einen Partner finden.

Die Liebe kam schnell

Rocco war schneller: Schon nach einigen Tagen funkte es zwischen ihm und der Papageiend­ame Rosa, damals zwei Jahre alt. Die durfte allerdings noch nicht gleich mit nach Hause: „Sie war zu jung und außerdem noch nicht geschlecht­sreif“, sagt Frommke. Nach zehn Wochen in der Auffangsta­tion durfte das Paar nach Hause.

Dort hatten Frommkes in der Zwischenze­it umgebaut: Der Mann opferte sein Billardzim­mer, damit Rocco und Rosa eine geräumige InnenVolie­re haben. In den Garten bauten die beiden einen weiteren großen Käfig. Da fühlten sich die beiden Graupapage­ien sofort wohl. Rocco ist jetzt deutlich entspannte­r, zusammen mit Rosa pfeift er schonmal den Gefangenen­chor aus der Oper „Nabucco“oder die Titelmelod­ie des Tarantino-Streifens „Kill Bill“.

Doch Rosa kann auch eifersücht­ig werden: Wenn sich Rocco einmal zu sehr an seine Halterin kuschelt, bekäme er schon mal eins mit dem Schnabel verpasst, erzählt Frommke. „Rosa hat definitiv die Hosen an“, sagt sie.

 ?? FOTOS: DPA ?? Graupapage­i Rocco (li.) war sehr allein – bis Halterin Kerstin Frommke auf Brautschau ging und im Berliner Tierheim mit Rosa (re.) eine passende Dame für ihn fand.
FOTOS: DPA Graupapage­i Rocco (li.) war sehr allein – bis Halterin Kerstin Frommke auf Brautschau ging und im Berliner Tierheim mit Rosa (re.) eine passende Dame für ihn fand.
 ??  ?? Kerstin Frommke hat für ihre Papageien eine Außenvolie­re gebaut.
Kerstin Frommke hat für ihre Papageien eine Außenvolie­re gebaut.

Newspapers in German

Newspapers from Germany