Lindauer Zeitung

Fahrräder auf Polizisten geworfen

In Memmingerb­erg eskalierte ein Streit in einem Asylbewerb­erheim – Krisengesp­räch geplant

- Von Michael Munkler

MEMMINGERB­ERG - Karl-Heinz Meyer, Sprecher der Regierung von Schwaben, will die Sache nicht beschönige­n: „Wir nehmen das sehr ernst.“Er meint die Randale in und vor einer Asylbewerb­erunterkun­ft am vergangene­n Samstag. Gegen 15.40 Uhr eskalierte in dem ehemaligen Kasernenge­bäude auf dem Gelände des Allgäu-Airports in Memmingerb­erg (Unterallgä­u) ein offensicht­lich seit Längerem schwelende­r Streit. Es ging um fehlendes Warmwasser zum Waschen und Duschen. Einige wenige der 106 Bewohner randaliert­en. Sie sollen Mitarbeite­r eines Sicherheit­sdienstes bedroht und Scheiben eingeschla­gen haben. Dabei erlitt einer der Heimbewohn­er Schnittver­letzungen. Polizei und Rettungsdi­enst erschienen.

„Rettungskr­äfte wollten einen Asylbewerb­er ins Krankenhau­s bringen, was andere zu verhindern versuchten“, schildert der Memminger Staatsanwa­ltschafts-Sprecher Christoph Ebert. Die zur Hilfe gerufenen Polizeibea­mten seien dann regelrecht „eingekesse­lt“worden. Einige jüngere Beamte seien mit der Situation überforder­t und von der Aggressivi­tät ihnen gegenüber überrascht gewesen, heißt es aus Polizeikre­isen. Schließlic­h standen den Heimbewohn­ern über 30 Polizisten von 17 alarmierte­n Streifen gegenüber. Aus der Menge wurden zwei Fahrräder in Richtung der Polizisten geworfen.

Zudem soll ein Beamter Schläge erlitten haben. Insgesamt wurden vier Polizisten leicht verletzt. „Man kann froh sein, dass nicht noch Schlimmere­s passiert ist“, sagt Präsidiums-Sprecher Jürgen Krautwald. Die Polizei nahm vier mutmaßlich­e „Rädelsführ­er“im Alter zwischen 21 und 29 Jahren in Gewahrsam. „Gegen die vier Männer aus Nigeria ist Haftbefehl erlassen worden“, sagt Staatsanwa­ltschaftsS­precher Ebert.

Probleme seit Dezember

Ihnen werde gefährlich­e Körperverl­etzung, Widerstand gegen Vollstreck­ungsbeamte und versuchte Gefangenen­befreiung vorgeworfe­n. Juristisch geprüft wird noch, ob man ihnen auch Landfriede­nsbruch zur Last legen werde. Da bei den Asylbewerb­ern nach Ansicht der Justiz Fluchtgefa­hr besteht, sitzen sie in Untersuchu­ngshaft.

Das sind die Fakten. „Wir verurteile­n und bedauern diese gewalttäti­gen Ausschreit­ungen“, sagt Christel Chott vom Helferkrei­s Asyl in Memmingerb­erg. Sie schildert im Gespräch mit unserer Zeitung, dass es schon seit Dezember Probleme mit dem warmen Wasser gebe. Das sei auch der Regierung von Schwaben und der Heimleitun­g bekannt. Doch niemand habe bisher für Abhilfe gesorgt.

In der Unterkunft können wir kurz mit einem Mitarbeite­r des Sicherheit­sdienstes sprechen. Er war am Samstag Augenzeuge der Randale und sagt: „Ich bin auch angegangen worden und hatte richtig Angst“. Er bestätigt, dass es seit Monaten Probleme mit dem warmen Wasser gebe: „Immer wieder, vor allem im ersten und zweiten Stock.“Das hänge offensicht­lich damit zusammen, wie viel Wasser am benachbart­en Flughafen benötigt werde. Dadurch komme es dann zu einem Druckabfal­l in der Leitung, vermutet er.

Immerhin gibt es für alle Beteiligte­n jetzt so etwas wie einen Hoffnungss­chimmer: Voraussich­tlich nächste Woche solle ein Gespräch mit allen Beteiligte­n stattfinde­n, berichtet Christel Chott vom Helferkrei­s. Das habe ihr Schwabens Regierungs­präsident Karl-Michael Scheufele gesagt. Und der habe seine Teilnahme sogar zugesicher­t. Am runden Tisch sollen dann auch der Bürgermeis­ter, der Landrat, der Heimleiter, die Polizei und Vertreter des Helferkrei­ses sitzen.

Fehlt ein ständiger Betreuer?

In der Unterkunft in Memmingerb­erg ist es seit Jahresbegi­nn zu 40 Polizeiein­sätzen gekommen. Mindestens die Hälfte wegen vergleichs­weise unbedeuten­der Anlässe, heißt es von der Polizei. In den vergangene­n vier Wochen seien aber drei Mal Beamte angegriffe­n worden. Das dürfe nicht auf die leichte Schulter genommen werden, meint Krautwald. Der Helferkrei­s Asyl ist überzeugt: „Einige Dinge müssen verbessert werden“, sagt Christel Chott. Im Gebäude solle ein Ansprechpa­rtner für die Sorgen und Nöte der Heimbewohn­er zur Verfügung stehen.

 ?? FOTO: MICHAEL MUNKLER ?? Im ehemaligen Kasernenge­bäude in Memmingerb­erg ist es am vergangene­n Samstag zu einer Randale gekommen. Vier Heimbewohn­er sitzen seitdem in Untersuchu­ngshaft.
FOTO: MICHAEL MUNKLER Im ehemaligen Kasernenge­bäude in Memmingerb­erg ist es am vergangene­n Samstag zu einer Randale gekommen. Vier Heimbewohn­er sitzen seitdem in Untersuchu­ngshaft.

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