Stichwahl ohne Volksparteien
Konservative und Sozialisten sprechen sich nach Wahldebakel für Macron aus, um Le Pen zu verhindern
PARIS - Polit-Jungstar Emmanuel Macron und die Rechtsradikale Marine Le Pen ziehen ins Finale der Präsidentschaftswahl in Frankreich ein. Mit rund 24 Prozent der Stimmen war Macron Sieger der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen am Sonntag. Der 39-Jährige, der sich als „weder rechts noch links“versteht, bestreitet die Stichwahl in zwei Wochen gegen Marine Le Pen vom Front National. Sie kam auf rund 22 Prozent.
Auf dem dritten Platz folgte mit knapp 20 Prozent der konservative Ex-Regierungschef François Fillon knapp vor dem Linkspopulisten JeanLuc Mélenchon. Der Sozialist Benoît Hamon, der mit knapp über sechs Prozent weit abgeschlagen auf dem fünften Platz landete, rief ebenso wie Fillon zum Votum für Macron auf.
„Wir schlagen ein neues Kapitel des politischen Lebens in Frankreich auf“, sagte Macron, der für die von ihm erst vor einem Jahr gegründete Bewegung En Marche antrat, der Nachrichtenagentur AFP. Er hat die besten Chancen für die zweite Wahlrunde am 7. Mai. Umfragen zufolge dürfte er mit rund 65 zu 35 Prozent gegen Le Pen gewinnen. Das Duell ist auch eine Abstimmung über Europa: Macron ist klarer EU-Befürworter während Le Pen Frankreich aus der EU führen will.
„Grausame Niederlage“
Der Einzug der beiden Kandidaten in die Stichwahl bedeutet eine Zeitenwende in Frankreich: Erstmals seit mehr als 50 Jahren sind die Kandidaten der beiden Parteien, die bisher den Präsidenten stellten, aus dem Rennen.
Für den Konservativen Fillon war das Ergebnis bitter. „Diese Niederlage ist meine“, gestand er vor seinen Anhängern ein. Mit deutlichen Worten wandte sich der frühere Regierungschef gegen ein Votum für Marine Le Pen. „Es gibt keine andere andere Wahl, als gegen die extreme Rechte zu stimmen. Ich werde Emmanuel Macron wählen“, sagte der 63-Jährige in seiner schlicht gehaltenen Ansprache.
Fillons Anhänger sprachen von einer „grausamen Niederlage“. „Wir bezahlen für die Affären“, sagte ExMinister Laurent Wauquiez. Fillon, dem nach seinem Sieg bei den Vorwahlen der Konservativen im November die Präsidentschaft schon sicher schien, stürzte nach der Affäre um eine mögliche Scheinbeschäftigung seiner Frau Penelope im Parlament in den Umfragen ab. Der 63-Jährige rief seine Partei auf, geeint zu bleiben. „Treibt nicht auseinander“, appellierte der Kandidat mit Blick auf die Parlamentswahlen im Juni.
Der Sozialist Hamon sprach von einer „historischen Bestrafung“. Er lag mit seinem Resultat nah an dem schlechtesten Ergebnis für seine Partei überhaupt, das Gaston Defferre 1969 mit nur fünf Prozent erreicht hatte. „Die Linke ist nicht tot“, sagte Hamon, der bereits um 20.15 Uhr als erster der Kandidaten vor seinen Anhängern sprach. „Ich rufe dazu auf, den Front National zu bekämpfen mit einem Votum für Emmanuel Macron. Ich mache den Unterschied zwischen einem politischen Gegner und einem Feind der Republik.“
Damit deutet sich eine „republikanische Front“gegen Marine Le Pen an, wie es sie bereits bereits 2002 gegen deren Vater Jean-Marie Le Pen gab, der überraschend in die Stichwahl gegen den Konservativen Jacques Chirac gekommen war und mit rund 18 Prozent deutlich geschlagen wurde.
„Ich appelliere an alle Patrioten, sich mir anzuschließen“, sagte Marine Le Pen, die in den Umfragen lange geführt hatte. „Ihr habt die Wahl eines echten Machtwechsels“, ergänzte die Chefin des Front National. Sie bezichtigte Macron, der „Erbe“des scheidenden sozialistischen Präsidenten François Hollande zu sein. Der Amtsinhaber, der wegen katastrophaler Umfragewerte auf eine Kandidatur verzichtet hatte, gratulierte seinem früheren Wirtschaftsminister zum Sieg.
47 Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen gewesen, zwischen elf Kandidaten zu entscheiden. Rund 50 000 Polizisten den Urnengang, der nur drei Tage nach dem tödlichen Anschlag auf einen Polizeibeamten auf den Pariser ChampsElysées stattfand. Vor allem Le Pen und Fillon hatten versucht, das Attentat im Wahlkampfendspurt noch auszunutzen.
Alle Kandidaten der ersten Wahlrunde hatten bereits bis zum Sonntagmittag ihre Stimme abgegeben. Macron wählte im mondänen Badeort Le Touquet am Ärmelkanal. Le Pen votierte in der ehemaligen Bergarbeiterstadt Hénin-Beaumont, die von einem Bürgermeister ihres Front National regiert wird. Amtsinhaber Hollande ging in seiner politischen Wahlheimat Tulle zur Wahl. Der Staatschef hatte sich nicht auf einen Kandidaten festgelegt. Sein Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian machte jedoch Wahlkampf für den früheren Wirtschaftsminister Macron.
Die Beteiligung fiel mit rund 77 Prozent überraschend hoch aus. Im Vorfeld hatten noch rund 30 Prozent der Franzosen erklärt, nicht zur Wahl gehen zu wollen. Vor allem die Affären, in die Fillon und Le Pen verwickelt sein sollen, ließen viele Wahlberechtigte an der Politik zweifeln. „Ich bin angeekelt, aber ich gehe trotzdem wählen. Die Präsidentschaftswahlen sind zu wichtig, um zu Hause zu bleiben“, sagte eine Wählerin dem Radiosender France Info.