So nah ist zu nah
Sara-Lena Maierhofers Installation geht der Distanz von Mensch zu Mensch nach
FRIEDRICHSHAFEN - Auch wenn vor Kurzem unglücklicherweise die Ottmar-Hörl-Installation vor dem Zeppelin-Museum und die Installation der Fotografin Sara-Lena Maierhofer im benachbarten Kunstverein genau zeitgleich eröffnet wurden, haben doch zahlreiche Kunstinteressierte den Weg in den Kunstverein gefunden.
Die 1982 in Freudenstadt geborene Künstlerin, die bis 2011 an der Fachhochschule Bielefeld Fotografie und Medien studiert und ihr Studium mit Diplom abgeschlossen hat, stellt nicht einfach Fotografien in hervorragender Qualität aus, sondern verbindet Fotografien, Videos und Objekte zu einer Installation, die das Thema aus unterschiedlicher Perspektive beleuchtet. So war „Dear Clark“eine Studie zur Figur eines Hochstaplers, dessen undurchsichtigen, verschiedenen Identitäten und Lebenswelten sie sich anhand von Fotografien, Dokumenten und Erzählungen annäherte. „Private parts“hat sie ihre Ausstellung für Friedrichshafen überschrieben. Eigentlich lautet die Übersetzung „Genitalien“, auch „Scham“, doch davon ist nichts zu finden.
Was ist Abstand?
Allenfalls der Begriff „Scham“könnte zum Thema führen, denn was die Künstlerin hier interessiert, ist der zwischenmenschliche Raum, die Distanz zwischen Menschen, die einander begegnen, „die Distanz zwischen Ich und Du“. Ausgangspunkt waren soziologische Untersuchungen des Anthropologen Edward T. Hall – Fotos daraus zeigen etwa Schwäne, die in bestimmtem Abstand nebeneinander schwimmen, oder eine Herde Walrösser, die in Massen gestapelt erscheinen.
Ins Auge fällt zunächst eine wellenförmig aufgezogene fotografische Draufsicht auf ein Woodstock-RockFestival der Siebzigerjahre: Menschenmassen, Mensch an Mensch, dass einem schon beim Zuschauen angst werden kann. Die Videosequenzen, die dahinter ablaufen, betrachten Karate-Kämpfer, die in genau definiertem Abstand bleiben. Ein Spiegel dahinter tritt einem dagegen näher, als man denkt: Denn wer hineinschaut, ahnt nicht, dass im Stockwerk darüber ein kleiner Monitor verrät, wer da wie guckt.
Neben den Fotos und Videos geben einem ganz kleine, unscheinbare schwarze Markierungen am Boden zu denken: Denn sie markieren bestimmte normierte Distanzen und benennen sie auch: Da ist die Distanz in einem Aufzug bei maximaler Auslastung – man kann sich das Angstgefühl lebhaft vorstellen – da ist die „soziale Distanz“zwischen Menschen, die einander nicht zu nahe treten wollen, daneben die „Intimdistanz“vertrauter Menschen. Interessant ist auch die empfohlene Distanz zwischen Polizeibeamten und Verdächtigen während einer Vernehmung oder – und diese Markierungen findet man vor der Tür – die Distanz, in der individuelle Kennzeichen unkenntlich werden, was die Frage aufwirft, wie viel Details Zeugen wirklich gesehen haben können. Es lohnt sich, sich auf die Ausstellung einzulassen.