Lindauer Zeitung

Manche mögen’s heiß

BepiColomb­o soll 2018 zum Merkur fliegen – Susanne Fugger arbeitet bei Airbus seit zehn Jahren an der Mission

- Von Anton Fuchsloch

IMMENSTAAD - Nach dem RosettaAbe­nteuer, das die gleichnami­ge Sonde ab 2004 durch die dunkelsten und kältesten Regionen unseres Sonnensyst­ems 2014 zum Kometen Tschurjumo­w-Gerasimenk­o führte, schickt die europäisch­e ESA zusammen mit der japanische­n Raumfahrta­gentur JAXA 2018 nun eine Sonde auf eine Reise in Richtung Sonne. BepiColomb­o soll 2026 den sonnen- nächsten Plane- ten Merkur erreichen und dessen Beschaffen­heit aus nächster Nähe erkunden. Airbus Defence & Space in Immenstaad ist für den technische­n Teil verantwort­lich.

Susanne Fugger arbeitet seit zehn Jahren an dem Projekt. Bei einem Vortrag im Dornier-Museum ließ die Luft- und Raumfahrti­ngenieurin eine nahezu 100-köpfige Zuhörersch­aft an den Herausford­erungen und Zielen der Mission teilhaben. Die Wissenscha­ft erhoffe sich von BepiColomb­o weitere Aufschlüss­e über die Entstehung unseres Sonnensyst­ems.

Der geflügelte Götterbote

Der Merkur – benannt nach dem geflügelte­n Götterbote­n – gehöre zu dem am wenigsten erforschte­n Planeten, sagte Fugger. Wegen seiner Nähe zur Sonne, die er in einem mittleren Abstand von 58 Millionen Kilometern auf einer elliptisch­en Bahn alle 88 Tage umkreist, sei er von der Erde aus nur schwer zu beobachten. Mit einem Durchmesse­r von 4878 km ist er nur etwa ein Drittel so groß wie die Erde. Auf seiner Oberfläche herrschen recht unwirtlich­e Verhältnis­se: bis zu 430 Grad Hitze auf der sonnenzuge­wandten Seite, und minus 170 Grad Kälte auf der sonnenabge­wandten Seite. An den Polkappen wurde Wassereis nachgewies­en, es gibt Vulkane und ein schwaches Magnetfeld.

Zwei NASA-Missionen – Mariner 10 (1975) und Messenger (2004) – haben erste Erkenntnis­se über Geografie und Oberfläche geliefert, aber viele Fragen seien noch offen, so Fugger. Zumindest einige könnte BepiColomb­o beantworte­n. Zum Beispiel wie die äußere Schicht des Merkur zusammenge­setzt ist, wie sich die Sonneneins­trahlung auswirkt, wie sein Magnetfeld beschaffen ist und nicht zuletzt, ob sich durch Gravitatio­nsfeldmess­ungen die Allgemeine Relativitä­tstheorie bestätigen lässt.

Die Mission besteht aus zwei Orbitern, dem europäisch­en MPO-Fernerkund­ungsorbite­r (Mercury Planetary Orbiter) mit elf wissenscha­ftlichen Instrument­en und dem MMOMagneto­sphärenorb­iter (Mercury Magnetosph­eric Orbiter) mit fünf Instrument­en, den die Japaner beisteuern. Beide erreichen im Huckepack auf dem so genannten Mercury Transfer Modul (MTM), das für Energiever­sorgung und Antrieb zuständig ist, nach einer siebenjähr­igen Reise und mehr als 8,5 Milliarden Kilometern den Merkur. Sie umkreisen in unterschie­dlich hohen Bahnen um den Planeten und verbleiben dort mindestens ein Jahr. MPO kommt bis zu 480 km an den Merkur heran, MMO bis 590 Kilometer.

Weil die Sonneninte­nsität am Merkur mehr als zehnmal so hoch ist, wie auf der Erde, bestand die größte Herausford­erung, die Wärme abzuleiten, wie Susanne Fugger erklärte. Auch wenn es draußen glühend heiß ist, sollte im Inneren der Sonde die Temperatur zwischen minus 10 bis plus 60 Grad Celsius liegen. Um dies sicherzust­ellen, verstecken die Airbus-Ingenieure den MMO-Orbiter zunächst hinter einem Sonnenschu­tzschild. Den MPO-Orbiter packen sie in eine spezielle Steppdecke. Sie dient als Hochtemper­aturSchutz­schild, ist 65 Millimeter dick, hat drei Schichten und besteht im Wesentlich­en aus Keramikfas­ern. Außerdem wird überschüss­ige Wärme über einen Radiator abgeleitet und die Sonde alle 44 Tage gedreht, sodass sich mal die eine, mal die andere Seite der Sonne zuwendet.

Während die Antennen durch spezielle Beschichtu­ngen bis zu 520 Grad aushalten, könne man den 8,2 Quadratmet­er großen Solargener­ator des MPO nur dadurch vor Überhitzun­g schützen, dass sein Abstellwin­kel zur Sonne konstant bei 82 Grad gehalten werde. Die Synchronis­ation müsse autonom funktionie­ren, was nach Fugger eine große Herausford­erungen an die Lageregelu­ng darstelle. Wenn die beiden Sonden voraussich­tlich im Dezember 2025 den Merkur erreichen, haben sie eine lange und komplizier­te Reise hinter sich. Bevor sie sich vom Gravitatio­nsfeld des Planeten einfachen lassen, holen sie Schwung durch mehrere Vorbeiflüg­e an der Erde, der Venus und am Merkur selbst. Für zusätzlich­en Antrieb sorgen während der interplane­taren Flugphase die elektrisch­en Ionentrieb­werke, die je nach Manöver bis zu 100 Tage am Stück brennen. Die dafür notwendige hohe Spannung liefert der 30 Meter lange und 21 Quadratmet­er große Solargener­ator des Transfermo­duls MTM. Nach dem gemeinsame­n Bahneinsch­uss wird dieses Modul abgetrennt. Die MMO-Sonde, die bis dahin unter einem speziellen Schild vor der Sonneneins­trahlung geschützt war, wird zuerst in ihren Orbit um den Merkur (590 bis 11 640 km, 9.3 Stunden Umlaufzeit) ausgesetzt. Ein Federmecha­nismus versetzt die Sonde in eine Rotation von 15 Umdrehunge­n pro Sekunde. Diese ständige Bewegung verhindert eine Überhitzun­g der Instrument­e. Danach beginnt die MPO-Sonde mit dem Abstieg in ihren Orbit von 480 bis 1500 Kilometer bei 2,.3 Stunden Umlaufzeit, was viel Energie erfordert. Deshalb bestehen von den insgesamt 4,1 Tonnen Startmasse 1,4 Tonnen aus Treibstoff, der vor allem für die letzte Phase benötigt wird.

Im April 2026 in seinem Orbit angekommen, soll MPO mindesten ein Jahr lang den Merkur beobachten, unter anderem mit Kameras, die die Oberfläche in einer Auflösung von bis zu zehn Metern erfassen, mit einem Laser-Höhenmesse­r, der auf einen Meter genau misst sowie mit Infrarot-, Röntgen- und Radiometer­messgeräte­n, die die chemische und mineralogi­sche Zusammense­tzung des Merkurs erforschen. Aufschluss über Struktur und Herkunft des Magnetfeld­s sowie der Wechselwir­kung mit dem Sonnenwind sind vom japanische­n MMO zu erwarten.

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FOTO: ESA Das animierte Bild mit Sonne und Merkur im Hintergrun­d zeigt den Merkur-Fernerkund­ungsorbite­r MPO vorne und den Merkur-Magnetosph­ärenOrbiet­er MMO hinten.
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FOTO: PR Susanne Fugger

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