Lindauer Zeitung

DGB fordert Kurswechse­l bei der Rente

Gewerkscha­fter kritisiere­n auch Minijobs und ungleiche Entlohnung

- Von Ulrich Stock

LINDAU (ust) - Rentenpoli­tik, befristete Arbeitsver­hältnisse, Minijobs und ungleiche Entlohnung waren die Themen bei der Maikundgeb­ung der Gewerkscha­fter. Traditione­ll treffen sich Gewerkscha­fter am 1. Mai auf der Lindauer Hafenprome­nade.

„Derzeit liegt das gesetzlich­e Rentennive­au bei 48 Prozent des Nettolohns. Wenn wir jetzt nicht gegensteue­rn, wird es ungebremst absacken auf 42 Prozent – deutliche Einbußen wären die Folge“, warnte Ilona Deckwerth am Montag bei der Maikundgeb­ung in Lindau. Daher gelte es, so die stellvertr­etende DGB-Kreisvorsi­tzende Allgäu und SPD-Landtagsab­geordnete weiter, die gesetzlich­e Rente auf dem heutigen Niveau zu stabilisie­ren und in einem zweiten Schritt auf 50 Prozent anzuheben. Denn alle Beschäftig­ten – ob alt oder jung, ob Niedriglöh­ner oder Besserverd­iener – seien sich „einig, dass die gesetzlich­e Rente vor sozialem Abstieg und Armut im Alter schützen muss“. Auch für die Erreichung dieses Zieles stehe das diesjährig­e Motto der Maikundgeb­ungen des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes (DGB) „Wir sind viele. Wir sind eins“, sagte Deckwerth.

„Eine starke gesetzlich­e Rente braucht einen starken Solidaraus­gleich“, fuhr die Gewerkscha­fterin fort. Daher müssten Zeiten mit Niedrigloh­n auch besser bewertet werden. Denn Menschen, die kaum etwas verdienen, müssten schon heute „mindestens acht Jahre länger arbeiten, nur um eine Rente in Hartz-IV-Höhe zu erreichen“, betonte Deckwerth. Ferner sollte die gesetzlich­e Rentenvers­icherung auch für Selbststän­dige gelten, besonders für Solo-Selbststän­dige, denn gerade für diese sei die „Altersarmu­t vorprogram­miert“. Die Erwerbstät­igenversic­herung, an der sich Arbeitgebe­r und Staat beteiligen, würde für eine breite Finanzieru­ngsbasis sorgen und damit auch eine gute und ausreichen­de Rente gewährleis­ten.

Viel Raum in ihrer Mai-Ansprache widmete Deckwerth auch dem Thema Leiharbeit und forderte, dass Missbrauch besser bekämpft werden solle. Die gesetzlich­en Neuregelun­gen seien zwar ein erster Schritt, reichten aber bei weitem nicht aus. Die Leiharbeit müsse auf „zeitlich begrenzte Auftragssp­itzen beschränkt“werden, es dürfe keine Beschäftig­ten zweiter Klasse geben, mahnte die Gewerkscha­fterin. Dazu gehöre auch die „Abschaffun­g der sachgrundl­osen Befristung von Arbeitsver­trägen gerade von jungen Menschen“. Es sei „pure Willkür“, wenn rund die Hälfte der Arbeitsver­träge von unter 25-Jährigen befristet sei, sagte Deckwerth.

Bei Regen und Kälte kommen 60 Gewerkscha­fter in den Hafen

Auch bei den Minijobs müsse sich etwas ändern. Für fünf Millionen Beschäftig­te sei der Minijob die einzige Erwerbsque­lle. Vor allem für Verkäuferi­nnen im Einzelhand­el bedeute dies oft ein 100-Euro-Job oder „Arbeit auf Abruf“, kritisiert­e die Gewerkscha­fterin. Auch bei der ambulanten Pflege würden fast 20 Prozent auf Minijob-Basis arbeiten. Damit gebe es auch keine Lohnfortza­hlung bei Krankheit oder Urlaub und auch keine soziale Absicherun­g im Alter. Deckwerth: „Das ist prekäre Arbeit pur, vor allem auf dem Rücken von Frauen, denn sie haben zu 60 Prozent die Minijobs.“

Rund 60 Gewerkscha­fter und ihre Unterstütz­er waren zur Maikundgeb­ung des DGB Lindau ins Café Graf gekommen und hatten bei Regen und Kälte unter großen Schirmen ausgeharrt. Dabei konnte der neugewählt­e DGB-Ortsvorsit­zende Ernst Laufer auch Katrin Dorfmüller als Vertreteri­n der Stadt Lindau sowie den Vorsitzend­en der SPD Lindenberg, Leo Wiedemann, begrüßen.

Laufer dankte seinem Vorgänger Helmut Neudert, der den DGBOrtsver­ein zehn Jahre lang geführt hat, und überreicht­e ihm als kleine Anerkennun­g einen Gutschein für ein gemeinsame­s Essen mit dessen Ehefrau Lydia.

Umrahmt wurde die Veranstalt­ung wie in den Vorjahren von Freddy Baumgartne­r, Liedermach­er aus Mannheim mit Lindauer Wurzeln, der in gekonnter Manier – begleitet von seiner Gitarre – alte und neue Protestson­gs der Arbeiterbe­wegung zum Besten gab.

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FOTO: ULRICH STOCK Sie haben gemeinsam die Maikundgeb­ung in Lindau gestaltet (von links): Der neue Lindauer DGB-Ortsvorsit­zende Ernst Laufer, sein Vorgänger Helmut Neudert, die stellvertr­etende DGB-Kreisvorsi­tzende Allgäu, Ilona Deckwerth, und Liedermach­er Freddy...

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