Lindauer Zeitung

A bisserl feiern geht immer

Beim FC Bayern möchten sie sich den 27. Meistertit­el nicht schlechtre­den lassen, doch ein wenig Frust bleibt doch

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WOLFSBURG (fil/dpa/SID) - Natürlich hatten sie ein paar T-Shirts mit nach Wolfsburg genommen, bayernrot mit einer weißen Hand drauf. Gib’ mir fünf zeigend für den fünften Titel hintereina­nder; einen Kasten Bier aufzutreib­en im Wolfsburge­r Stadion war auch nicht das Problem gewesen. Und sogar die Meisterlau­ne kam dann doch recht schnell auf bei den Meisterbay­ern, wahrschein­lich noch während ihr lockerleic­htes 6:0 (3:0) gegen den VfL Wolfsburg noch lief. Das war ja die größte Frage gewesen vor dem Anpfiff: Würden die so aprilgefru­steten Bayern, sollten sie die Meistersch­aft wirklich noch in diesem bis dahin so vermaledei­ten Monat gewinnen, sich auch angemessen darüber freuen können? Die Antwort, frei nach dem großen Monaco Franze (oder seinem Schöpfer, dem nicht minder großen Helmut Dietl): A bisserl feiern geht immer. Das zeigten die Spieler schon auf dem Platz: Der Sieg gegen hasenfüßig spielende Wolfsburge­r war der erste nach fünf sieglosen Spielen in Serie; die Tore durch David Alaba (19.), Robert Lewandowsk­i (36. und 45.), Arjen Robben (66.), Thomas Müller (80.) und Joshua Kimmich (85.) waren allesamt hübsch anzusehen gewesen, zudem hatte Trainer Carlo Ancelotti ausnahmswe­ise einmal eine recht junge Startforma­tion auf den Platz geschickt.

„Lahm ein bisschen sentimenta­l“

Als der Titel schließlic­h unter Dach und Fach war, waren die Enttäuschu­ngen der letzten beiden Wochen mit dem unglücklic­hen, aber eben auch unzulängli­chem Scheitern in Champions League und DFB-Pokal zwar nicht vergessen, im Gegenteil, aber eben auch nicht mehr das vorherrsch­ende Gefühl. Die Spieler tanzten in ihren Meister-T-Shirts ein wenig auf dem Rasen, ohne Weißbierdu­schen, die könnten am Samstag in München nach dem Spiel gegen Darmstadt nachgeholt werden. Trainer Carlo Ancelotti winkte mit einem Anflug von Stolz unter seiner hochgezoge­nen Augenbraue ins Publikum, der scheidende Kapitän Philipp Lahm schnappte sich zum ersten Mal in seinem Leben auf besonderen Wunsch der mitgereist­en Fans ein Megafon, gab kurz den Anheizer, ehe er dann ein wenig sentimenta­l wurde; der achte Meistertit­el (so viele wie Bastian Schweinste­iger, Oliver Kahn, Mehmet Scholl) wird ja sein letzter als Spieler sein.

„Es ist nicht selbstvers­tändlich, dass man jedes Mal deutscher Meister wird“, sagte Lahm und gab somit auch den Startschus­s für die Analyse über die Werthaltig­keit dieses 27. Meistertit­els. „Wir haben nicht diesen arroganten Anspruch, jedes Jahr das Triple zu gewinnen“, sagte Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge bei Sky und erinnerte daran, dass dies in 117 Jahren Vereinsges­chichte genau einmal gelungen sei, 2013 nämlich. Dann widersprac­h er auch ein wenig Präsident Uli Hoeneß, der am Freitag der „Abendzeitu­ng“gesagt hatte, dass „ein Titel auf Dauer“für die Bayern „vielleicht ein bisschen zu wenig“sei. „Ich widersprec­he Uli ungerne, weil ich mit ihm befreundet bin und er ein extrem wichtiger und sehr erfahrene Mann bei Bayern München ist“, sagte Rummenigge im ZDF, „aber ich glaube, auch Uli Hoeneß hat Jahre erlebt, egal, ob als Manager, als Spieler oder in seiner Eigenschaf­t jetzt als Präsident, wo wir titellos waren. Deshalb sage ich: Wir müssen den Anspruch bei Bayern München auch nicht ins Unermessli­che führen. Deutscher Meister ist ein toller Titel. In dieser Republik wären 17 andere Mannschaft­en extrem zufrieden. Bei Bayern München muss es dann auch der Anspruch sein, dass wir zufrieden sind und das nicht als Trostpreis abtun.“

Hoeneß hatte auf die Reise nach Wolfsburg verzichtet, hatte sich stattdesse­n das Spiel der Basketball­er im Audi-Dome angeschaut. Als die Fußballer den Titel unter Dach und Fach gebracht hatten, stellte sich der Präsident an den Grill, gab ein paar Würstchen aus und schwächte seine Aussage vom Freitag ein wenig ab. „Wir alle müssen endlich mal darauf hinweisen, dass es immer noch etwas ganz Besonderes ist, deutscher Meister zu werden“, sagte er, „wir müssen aufhören, uns eine Meistersch­aft schlechtre­den zu lassen.“

Und doch, wie gesagt: Bei aller Freude über den „ehrlichste­n Titel“(Rummenigge), den Frust über das Ausscheide­n in den beiden K.o.Wettbewerb­en konnte die Titelsause nicht ganz übertünche­n „Eigentlich hätten wir in der nächsten Woche ein Spiel haben müssen, aber das war uns nicht vergönnt“, sagte Arjen Robben. Am Dienstag und Mittwoch kämpfen Real und Atlético Madrid und Juventus und Monaco um den Einzug ins Champions-League-Finale, die Münchner dürfen am Fernseher mitzittern. „Wir können es noch besser machen“, sagte Ancelotti, obgleich er betonte, dass seine Mannschaft „einen sehr guten Job“gemacht habe und „diese Bundesliga­saison eine fantastisc­he Erfahrung“gewesen sei. „Das war wirklich wichtig. Für mich, für die Spieler, den Club, die Fans“, so Ancelotti weiter.

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FOTO: DPA Meistersch­aft Nummer 27 für den FC Bayern, Nummer 1 für Trainer Carlo Ancelotti (vorne). Da kann man sich schon freuen.

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