„Seehofer reagiert auf Druck“
FW-Chef Aiwanger setzt auf wertkonservative Wähler – und eine Regierung mit der CSU
MÜNCHEN - Die Freien Wähler sind in der zweiten Legislaturperiode im bayerischen Landtag vertreten – zuletzt sahen Umfragen die Partei jedoch oft nur knapp über der Fünfprozenthürde. Partei- und Fraktionschef Hubert Aiwanger gibt sich aber optimistisch und will nach der nächsten Wahl gerne mitregieren. Und zwar an der Seite der CSU – und nicht, wie einst als Ziel vorgegeben, mit SPD und Grünen. Was er an Ministerpräsident Horst Seehofer schätzt und was nicht, erzählt er im Gespräch mit Ralf Müller.
Herr Aiwanger, Sie sind auch Spitzenkandidat der Freien Wähler für die Bundestagswahl. Falls Sie gewählt werden, würden Sie nach Berlin gehen?
Es gibt ja drei Möglichkeiten: Entweder das eigene Direktmandat gewinnen. Wir Freien Wähler kämen aber auch in den Bundestag, wenn wir bundesweit drei Direktmandate gewinnen oder die Fünf-Prozent-Hürde schaffen. Sollte ich es über einen dieser drei Wege schaffen, würde ich natürlich gerne nach Berlin gehen, um näher am bundespolitischen Geschehen zu sein und mich auf bundespolitischer Ebene artikulieren zu können.
Und Ihre Landtagsfraktion würden Sie im Stich lassen?
Ganz im Gegenteil, ich könnte dann von Berlin aus unsere Arbeit in Bayern noch besser unterstützen.
Der landespolitische Kurs der Freien Wähler in Bayern hat sich geändert: Weg aus dem rot-grünen Oppositionslager, näher an die CSU. Ist die CSU besser geworden oder sind Sie konservativer geworden?
Die Themen haben sich verschoben. Jetzt stehen Themen wie innere Sicherheit und Flüchtlingspolitik im Vordergrund. Wir haben nicht immer den harten Zungenschlag der CSU drauf, dennoch ist die Schnittmenge mit der CSU größer als mit Rot-Grün. In den letzten Jahren ging es mehr um die Bildungspolitik und soziale Themen. Da liegen wir in der Wahrnehmung vielleicht mehr bei Rot-Grün, bei innerer Sicherheit und Wirtschaftspolitik sind wir näher an der CSU. Es stimmt aber auch: Wir sind zu Rot-Grün weiter entfernt als es mal war.
Machen denn Ihre Mitglieder, unter denen ja auch viele Sozialliberale sind, diesen Kurs mit? Wie stark knirscht es bei den Freien Wählern in Bayern?
Der allergrößte Teil der Freien Wähler ist in der wertkonservativen bürgerlichen Mitte zu Hause. Diese Mitte hat die CSU ja häufig mit Füßen getreten wie beim Stopp der Energiewende und bei Mittelstandsthemen. Es liegt kein Kurswechsel vor, der intern erklärungsbedürftig wäre. Wir setzen die Themen – siehe G 9 – und andere müssen auf unseren Kurs einschwenken.
In der Frage eines dritten Nationalparks sind Sie ja noch konservativer als die CSU: Sie wollen ihn überhaupt nicht. Glauben Sie, es zahlt sich aus, wenn Sie sich als Anti-Naturschutzpartei profilieren?
Wir profilieren uns nicht als AntiNaturschutzpartei. Wir sind die Fraktion mit dem höchsten Anteil an Landwirten, die also seit Generationen mit der Natur arbeiten. Schutz und Nutzen ist für uns kein Widerspruch. Es gibt aber NaturschutzIdeologen, die jede Nutzung per se als naturfeindlich ansehen. Wir sa- gen: Die Wälder, so schön wie sie heute sind, sind Produkt einer jahrhundertelangen sorgsamen Nutzung – auch dort, wo ein Nationalpark ausgerufen werden soll. Im Falle des Spessart muss man ja geradezu die Natur vor Naturschutz-Ideologen schützen, die meinen, wenn man eine Käseglocke darüberstülpt, würde ein Märchenwald entstehen. Das Gegenteil ist der Fall, die Eichen würden ohne menschliche Hilfe weitgehend verschwinden.
Dennoch ist von der Debatte übrig geblieben, dass die Freien Wähler als einzige Landtagspartei überhaupt keinen weiteren Nationalpark wollen.
So würde ich das nicht sehen. Ich sehe nur, dass bisher kein überzeugender Vorschlag vorliegt. Wenn sich ein Gebiet finden sollte, wo die Bevölkerung mit Hurra den Nationalpark begrüßt, und das auch fachlich Sinn macht, sind wir nicht dagegen. Die Staatsregierung muss entweder mit vernünftigen Vorschlägen kommen oder ihren Ministerratsbeschluss wieder einsammeln.
Horst Seehofer will zunächst als bayerischer Ministerpräsident weitermachen. Sie haben sich im Gegensatz zu SPD und Grünen sehr zurückhaltend dazu geäußert. Halten Sie Seehofer im Grunde für einen guten Ministerpräsidenten?
Seehofer ist dann gut, wenn er gute Berater hat, weil er auf Druck reagiert – siehe Abschaffung der Studiengebühren und Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums auf Initiative der Freien Wähler. Wenn er von einer Seite – wie in diesen Fällen von uns – großen Druck bekommt, leitet er einen Kurswechsel ein. Das Negative an Seehofer ist, dass er nicht selbst die Pläne für die Zukunft hat, sondern er macht Politik von heute auf morgen. Er braucht gute Anstöße von außen, die ihn dazu bewegen, dass er dort hinmarschiert, wo er hinmarschieren soll. Diese Anstöße wollen weiterhin die Freien Wähler geben, beispielsweise für eine schrittweise Einführung der kostenfreien Kinderbetreuung. Wenn man mit Seehofer richtig umgeht, kann man mit ihm durchaus vernünftige Politik machen.
Diese Anstöße lassen sich in einer Koalition mit der CSU sicher besser vermitteln als aus der Opposition, nicht wahr?
Natürlich wäre es mir lieber, mitzuregieren als von außen jahrelang zeitaufwändig unsere Ideen umsetzungsreif zu machen.
Kommt die von Ihnen ebenfalls bekämpfte dritte Startbahn am Münchener Flughafen?
In absehbarer Zeit nicht, weil es ohne die Stadt München nicht geht. Kein Oberbürgermeister wird sich da eines Wortbruchs bezichtigen lassen, was seine Wiederwahl gefährden würde. Ohne München geht es nicht. In einem Zeitraum von zehn Jahren wird nichts kommen.