Der Trend weist himmelwärts
Neue Skybar für Berlin – Im deutschen Städtebau gibt es eine neue Hinwendung zum Hochhaus
BERLIN (dpa) - Sie liegt in 110 Metern Höhe und wird bald eine neue Perspektive auf die Stadt freigeben: die Skybar im Hochhaus Upper West, das am Mittwoch eröffnet wurde. Es geht um mehr als den Panoramablick über Kurfürstendamm, Gedächtniskirche und das Comeback des Berliner Westens. Perspektive meint auch, dass die Hauptstadt nun dort angekommen ist, wo viele sie bereits kurz nach dem Mauerfall wähnten: im Wachstum und im Hochhauszeitalter, in dem es um Investitionen geht, um Prestigebauten – und auch um den Preis dafür. Nicht nur in Berlin. Architekten sehen in vielen wachsenden deutschen Städten einen neuen Trend zum Hochhaus.
Berlin ist nicht „Mainhattan“, Frankfurt bleibt weiter die einzige deutsche Stadt mit einer imposanten Skyline. Doch der Turm des neuen Upper-West-Komplexes unweit vom Bahnhof Zoo lässt sich kaum übersehen. Claus Steffan, Architekt und Stadtplaner an der Technischen Universität, schaut jeden Tag darauf. „Interessant“nennt er die organisch geschwungene Fassade und asymmetrischen Fensterreihen. In der Höhe wird das Eckige zum Rund. Im Inneren gibt es eine gemischte Nutzung: unten Geschäfte, darüber ein Budget-Hotel und Büros, oben die Bar.
Claus Steffan blickt nach dem sogenannten Zoofenster, das 2013 fertig wurde, nun auf das zweite neue Hochhaus im Westen Berlins. Wolkenkratzer sind es keine, aber sie sind unter den Top 5 aller Turmbauten der Hauptstadt. „Es deutet einiges darauf hin, dass in Zukunft auch in anderen deutschen Städten höher gebaut wird“, sagt der Professor. Menschen zieht es verstärkt in die Metropolen, Fläche und Wohnraum werden in den Zentren immer knapper. „Verdichtung kann heute auch wieder Hochhaus heißen. Das sehe ich schon als Trend“, sagt Steffan.
Benedikt Hotze, Sprecher des Bundes Deutscher Architekten, sieht das mit gemischten Gefühlen. „Berlin holt bei Bauinvestitionen nach, was für die 90er-Jahre erwartet wurde.“Als die Mauer fiel, zogen viele Berliner lieber ins Umland. Selbst die Innenstadt versprach so wenig Rendite, dass Investoren Flächen in zentraler Lage einfach liegen ließen.
Einige Brachen wurden zu Spielplätzen der Alternativkultur. Als der erste Hauch des Kapitals vor rund zehn Jahren in den Osten der Stadt wehte, verteidigte sie ihre Ansprüche in Robin-Hood-Manier. Mit Erfolgen. Doch auch dieses Kapitel scheint schon wieder Vergangenheit. In den Mauerresten der East Side Gallery klaffen nun Lücken als Zugang zu Luxusapartments. „Gerade wird wieder gebaut, was deutsche Städte nicht brauchen“, urteilt Hotze. Jahrelang seien es Büros oder Hotels gewesen, nun Luxus-Wohntürme. „Investoren sind wie Fischschwärme, die plötzlich ihre Richtung ändern“, sagt er. „Das ist alles rein renditegetrieben und hat keine Gemeinnützigkeit im Blick.“
Die Hamburger HafenCity sei ein Beispiel dafür. In Berlin zeige es sich gerade am Alexanderplatz. Star-Architekt Frank Gehry ging als Sieger eines Wettbewerbs für einen futuristischen 150 Meter hohen Wohnturm hervor, der zwischen DDR-Bauten in die Höhe wachsen soll. „Da kaufen sich dann reiche Russen Apartments und sind dann später zweimal im Jahr da drin“, sagt Hotze. „Das finde ich weder urban noch sozial.“
Zurück in die Zukunft
Das Hochhaus zum Wohnen aber wird durch solche Projekte aufgewertet. In den 70er-Jahren hatte sich Deutschland weitgehend davon verabschiedet. Denn Konzepte für Hochhaussiedlungen am Stadtrand waren nicht aufgegangen, oft entstanden soziale Brennpunkte.
Für Steffan gehören Wohnhochhäuser ins Zentrum, doch teure und schicke Wohntürme mit günstigen Mieten sind kaum denkbar. Sie rechnen sich für Investoren nicht und fallen damit als Puffer für den angespannten Wohnungsmarkt im Stadtzentrum aus. Hotze wünscht sich noch eindeutigere Signale von der Politik als Mietpreisbremsen und Ferienwohnungsverbote. „Konzepte mit bezahlbarem Wohnraum und Alternativkultur fallen hinten runter, weil die öffentliche Hand bei Bundesgrundstücken gezwungen ist, sie meistbietend zu verkaufen.“Diese Effekte seien aber nicht naturgegeben, meint Hotze. „Mit genügend politischem Willen ließen sich diese Gesetze ändern – hin zu einer Vergabe mit Gemeinwohlorientierung.“