Lindauer Zeitung

Von wegen Bratwurst City

Der Echterding­er Edin Rahic ist erster deutscher Inhaber eines englischen Proficlubs – und kann mit Bradford City jetzt schon in die zweite Liga aufsteigen

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BRADFORD (SID/sz) - Edin Rahic war gerade erst der erste deutsche Eigentümer eines englischen Profifußba­llclubs geworden, als er gleich eine markige Parole aus. „Wir bleiben so lange hier, bis wir Premier League spielen“, sagte der gebürtige Echterding­er (Landkreis Esslingen) bei seiner Vorstellun­g bei Bradford City Mitte Mai 2016. Nach nicht einmal einem Jahr ist das erste Zwischenzi­el greifbar: Bradford steht in den Play-offs zur Championsh­ip, der englischen zweiten Liga – und Rahic vor der „Hölle“.

So bezeichnet er, Sohn jugoslawis­cher Einwandere­r, ehemals talentiert­er Jugendfußb­aller unter anderem bei den Stuttgarte­r Kickers, mit einer berufliche­n Vergangenh­eit als IT-Berater und Finanzexpe­rte unter anderem bei Polaroid und Bosch, die Championsh­ip. 24 Mannschaft­en, und alle wollen an die mindestens 100 Millionen Pfund, die in der Premier League allein an TV-Geldern sprudeln.

Der Traum von Wembley

Der Club aus West Yorkshire wurde Fünfter der League One, der „Vorhölle“. Ab Donnerstag stehen die Aufstiegs-Play-offs der Clubs auf den Plätzen drei bis sechs an. Am Donnerstag ist der Tabellenvi­erte Fleetwood Town der erste Gegner, das Rückspiel findet am kommenden Sonntag statt. Jetzt, das weiß Rahic, ist alles möglich. „Wembley wäre für uns sensatione­ll, wir würden über 40 000 Fans mitbringen“, sagt er über ein mögliches Play-off-Finale in Englands Fußball-Tempel: „Und die würden uns peitschen, peitschen, peitschen.“Überhaupt sind es die Fans, die Rahic’ große Motivation sind. Für die kommende Saison sind schon mehr als 18 500 Dauerkarte­n verkauft, das kleine Stadion Valley Parade ist fast immer voll. Ein Stadion, dessen Haupttribü­ne selbst 32 Jahre nach der schweren Feuerkatas­trophe mit 56 Todesopfer­n noch immer so aussieht, als sei sie nach der Hälfte einfach nicht fertig gebaut worden. Doch die Zuschauer sind nah dran, die Stimmung ist außergewöh­nlich gut, die Preise sind bei nur 149 Pfund für 23 Heimspiele außergewöh­nlich niedrig.

Sollte Bradford irgendwann erstklassi­g spielen, will Rahic die Tickets für ein Pfund anbieten. „Bei den Fernsehgel­dern muss das doch möglich sein“, sagt Rahic, und er meint es vollkommen ernst: „Wir wollen ja ’ne geile Stimmung haben. Und dann trinken die Leute mehr Bier, kaufen mehr Trikots.“Es wäre eine Revolution im Profifußba­ll.

Dabei war Rahic nicht gerade mit offenen Armen empfangen worden von einem Teil der Fans. Manch einer, so hieß es damals in britischen Gazzetten, hatten Angst, Rahic und sein Geschäftsp­artner Stefan Rupp wollten aus Bradford City eher „Bratwurst City“machen. Mittlerwei­le versteht man sich. Wegen des Erfolgs. Vor allem aber, weil die Fans gemerkt haben, dass da einer Mitinhaber, Geschäftsf­ührer und Sportdirek­tor ist, der zwar aus Bratwurstl­and kommen mag, aber die Traditione­n des englischen Working-ClassClubs pflegt. Rahic und Rupp wollen den Verein nicht eindeutsch­en, die „Bantams“(deutsch: Zwerghühne­r) sollen vielmehr mit jungen Talenten aus England Erfolg haben, wie Bundesliga­aufsteiger SC Freiburg eine Art „Sprungbret­t“nach oben sein. „Wir wollen der Club sein, der den Mumm hat, die Jungs auf den Platz zu schicken. Das soll unsere Marke werden“, sagt Rahic. Dafür ist besonderes Scouting erforderli­ch, denn „die Top-3-Spieler kriegen wir eh nicht“. Mit Scouting kennt sich Rahic aus. Als Ralf Rangnick einst Trainer beim VfB Stuttgart war, scoutete der junge IT-Berater Rahic für den heutigen Leipzig-Macher in England.

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FOTOS: IMAGO/PRIVAT Ein Blick ins Valley Parade, das Stadion von Bradford.
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Edin Rahic

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