„Noch schockiert“: Opfer schildert Sicht der Dinge
Messerattacke an der Meistershofener Straße – Zweiter Verhandlungstag am Landgericht
RAVENSBURG - Zwei Brüder und ein dritter Mann aus Friedrichshafen müssen sich derzeit vor dem Landgericht Ravensburg verantworten. Der Tatvorwurf lautet: versuchter Totschlag. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, am Abend des 19. September 2016 einen 24-Jährigen angegriffen und mit einem Messer verletzt zu haben. Am Donnerstag sagte das Opfer aus.
Ein verletzter Ehrenkodex, Beziehungen mit den falschen Frauen, ein Jugendfreund, der zum Todfeind wird – das sind die Zutaten eines Falles, der seit der vergangenen Woche vor dem Landgericht in Ravensburg verhandelt wird. Konkret geht es um einen Messerangriff, der sich laut Staatsanwaltschaft um 22 Uhr auf einem Parkplatz in der Meistershofener Straße in Friedrichshafen zugetragen haben soll. Fest steht im Moment nur, dass an jenem Abend am Ende einer Auseinandersetzung ein 24-Jähriger mit einer schweren Stichverletzung am Rücken und Schnittwunden an den Armen auf dem Boden lag. Wie die Messerattacke genau ablief und was sie auslöste, versucht das Gericht um den Vorsitzenden Jürgen Hutterer derzeit zu ergründen.
Erst gepöbelt, dann geschlagen
Am Donnerstag, dem zweiten Verhandlungstag, wurde das Opfer in den Zeugenstand gerufen. Laut dem 24-jährigen Häfler geschah am 19. September Folgendes: Um 20.30 Uhr bekommt er einen Anruf von einem Kumpel, der fragt, ob man gemeinsam eine Zigarette rauchen wolle. Die beiden verabreden sich auf dem Parkplatz vor dem Haus. Der 24-Jährige lädt einen weiteren Freund und seinen Cousin zum Treffpunkt ein, um in größerer Runde zu plaudern. Gegen 22 Uhr fährt ein Auto auf den Parkplatz. Die drei Angeklagten, allesamt alte Bekannte, steigen aus und gehen schnell auf die anderen zu. „Die haben den beiden anderen die Hand geschüttelt und mir nicht. Das kam mir schon komisch vor“, berichtete der Hauptzeuge. Als der ältere der beiden Brüder ihn anpöbelt und bedrängt, schubst er ihn weg. Dann beginnen sie, auf ihn einzuschlagen. Die Umstehenden schieben die Kontrahenten zunächst etwa zehn Meter auseinander. Plötzlich zückt der jüngere Bruder ein Messer aus der Jackentasche und ruft „Ich stech’ dich jetzt ab.“Die beiden Brüder gehen nun erneut auf den 24-Jährigen los, der sich im Stile eines Boxers vor den Hieben zu schützen versucht. Als einer seiner Freunde dazwischen geht, kann sich das Opfer auf die andere Straßenseite retten. Der Messerstecher schreit noch „Der soll verrecken“, lässt aber schließlich ab. Gemeinsam mit seinen Begleitern setzt er sich ins Auto und fährt in Richtung Ailingen davon. „Ich bin immer noch geschockt. Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht daran denke“, beteuerte der Hauptzeuge.
Möglicherweise liegt das Motiv der Messerattacke in einem Streit begründet, an dem der 24-Jährige zwei Tage zuvor in einer Häfler Disco beteiligt gewesen war. Dort sei er mit einem Bekannten in eine handfeste Diskussion darüber geraten, ob man unter echten Männerfreunden mit den Ex-Freundinnen der anderen etwas anfangen dürfe. Und er soll dabei abfällige Worte über den älteren der beiden Brüder geäußert haben, den er seit frühester Kindheit kennt – und der inzwischen mit seiner Verflossenen liiert ist. Der jüngere Bruder, dem dieser Vorfall offensichtlich zu Ohren kam, schrieb dem 24-Jährigen tags darauf eine SMS, in der er ihm vorwarf, schlecht über seinen Bruder zu reden. In einer Chat-Gruppe, die er mit einigen Kumpels pflegt, zog der 24-Jährige anschließend ordentlich über die Brüder vom Leder. „Die baller' ich alle weg“oder „Ich habe keine Angst vor denen. Die schlachte ich ab“, lauteten einige seiner martialischen Botschaften. Wie er dazu kommt, in dieser Chat-Gruppe seinen Gewaltfantasien freien Lauf zu lassen? „Das war natürlich übertrieben. Wir haben uns da hochgeschaukelt“, erklärte er dem Richter.
Die Verhandlung wird am Montag, 8. Mai, um 9 Uhr fortgesetzt. Auf der Tagesordnung steht die weitere Befragung des Opfers, außerdem sollen weitere Zeugen zu Wort kommen.