Lindauer Zeitung

Das große Stühlerück­en bei der CSU

Vor der Bundestags­wahl beginnen Spekulatio­nen über die Zukunft des Personals

- Von Christoph Trost und Marco Hadem

MÜNCHEN (lby) - Diese Zahl dürfte Horst Seehofer nicht gefreut haben: Mit seiner Arbeit als Ministerpr­äsident sind laut einer aktuellen Umfrage zwar 60 Prozent der Bayern zufrieden – aber nur 32 Prozent finden es gut, dass er über 2018 als Regierungs­chef und CSU-Vorsitzend­er weitermach­en will, 27 Prozent immerhin noch „teilweise“. Für einen Politiker, der immer um die absolute Mehrheit kämpft und der sich nach eigenen Angaben zuallerers­t in einer Koalition mit den Bürgern befindet, sind das definitiv keine guten Werte.

An Seehofers Entscheidu­ng weiterzuma­chen, dürfte das freilich nichts ändern. Und es bleibt auch dabei, dass der bayerische Innenminis­ter Joachim Herrmann an diesem Samstag auch formal und hochoffizi­ell zum Spitzenkan­didaten der CSU für die Bundestags­wahl gekürt wird. Insofern sind die Top-Personalie­n in der CSU erst einmal entschiede­n. Die Personalsp­ekulatione­n aber sind damit noch lange nicht beendet.

Erst einmal fragen sich viele in der Partei, wie lange Seehofer denn nun weitermach­en will? Wirklich bis 2023, also die komplette nächste Legislatur­periode? Oder hört er irgendwann zur Halbzeit auf? Er sagt dazu: nichts. Den gleichen Fehler wie 2012 mache er nicht noch mal. Heißt: Wenn das Ende kommt, wird es plötzlich und überrasche­nd sein.

Söder muss sich in Geduld üben

Vor allem einer muss sich nun gezwungene­rmaßen in Geduld üben: der bayerische Finanzmini­ster Markus Söder. Der gilt seit Langem als aussichtsr­eichster Nachfolgek­andidat für die Staatskanz­lei – auch wenn er in der CSU-Spitze eine Reihe von Gegnern hat, beispielsw­eise Parteivize Manfred Weber (der im Übrigen seinen Spitzenpos­ten als EVP-Fraktionsc­hef im Europaparl­ament sicher nicht abgeben wird).

Söder reagierte zuletzt – zumindest nach außen – mit viel Selbstiron­ie auf Seehofers verschoben­es Karriereen­de. „Ein Franke wird erst Ministerpr­äsident, wenn der Club (1. FC Nürnberg) Deutscher Fußballmei­ster wird. Das heißt, meine zeitliche Perspektiv­e ist deutlich schlechter als die von Prinz Charles“, spottete er in einer Kabarett-Rede beim traditione­llen Maibock-Anstich in München.

Und zu Herrmann: Der soll – auch wenn das offiziell noch keiner sagt – bei einem Wahlerfolg der Union nächster Bundesinne­nminister werden. Sollte das klappen, hat dies CSU-intern weitere kräftige Folgen: Der heutige Bundesverk­ehrsminist­er, Alexander Dobrindt, dürfte so oder so Gerda Hasselfeld­t an der Spitze der CSU-Landesgrup­pe im Bundestag nachfolgen – eine wichtige CSU-Schaltstel­le in Berlin.

Aber dann gehen die Spekulatio­nen in der CSU weiter: Wer könnte bei einem Wahlerfolg neben Herrmann als Bundesmini­ster ins Kabinett einrücken? Generalsek­retär Andreas Scheuer gilt als heißer Anwärter, zumal mit dem Landtagsab­geordneten Markus Blume, der bereits Vize-General ist, ein Nachfolger in der CSU-Zentrale bereitsteh­t.

Eine gute Arbeit wird auch Entwicklun­gsminister Gerd Müller attestiert – er könnte unter Umständen weitermach­en. Dazu allerdings müsste die CSU erst einmal wieder drei Ministerpo­sten bekommen, was bei einem Zugriff aufs Innenminis­terium alles andere als ausgemacht wäre.

Eng werden dürfte es in jedem Fall für Bundesagra­rminister Christian Schmidt, der nicht nur – wie Herrmann – Franke ist, sondern der für seine Arbeit auch in den eigenen Reihen oft kritisiert wurde. Und auch der Staatssekr­etär im Bundesbild­ungsminist­erium, Stefan Müller, muss bangen – weil er wie Herrmann aus Erlangen kommt. Wenn Herrmann nach Berlin wechseln sollte, dann hätte dies aber auch Folgen in München: Seehofer bräuchte einen neuen Innenminis­ter – als Anwärter gelten unter anderem Justizmini­ster Winfried Bausback, Fraktionsc­hef Thomas Kreuzer und der Innenexper­te Florian Herrmann. Sehr wahrschein­lich wäre dabei sogar eine größere Kabinettsu­mbildung – wie Seehofer es schon oft angedeutet hat. Zuletzt hatte er auch über ein neues Ministeriu­m für Digitalisi­erung nachgedach­t.

Comeback für Guttenberg?

Und dann ist da noch ein großes, dickes Fragezeich­en: Was wird aus Karl-Theodor zu Guttenberg? Der einstige Verteidigu­ngsministe­r und CSU-Hoffnungst­räger, der nun schon seit einigen Jahren in den USA lebt, soll jedenfalls im Wahlkampf wieder ordentlich mitmischen. Und dann? Bundesmini­ster? Irgendwann Parteichef?

Das schließen so manche in der CSU nicht mehr aus. „Ein glänzender, talentiert­er, guter, internatio­nal erfahrener Politiker“, lobte Seehofer neulich im Bayerische­n Rundfunk. Nach der Wahl werde man sehen, wie es politisch für ihn weitergehe.

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FOTOS: DPA Horst Seehofer, Markus Söder, Karl-Theodor zu Guttenberg und Joachim Herrmann (v. l. n. r.): Ihre politische Zukunft könnte sich bald entscheide­n.

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