Lindauer Zeitung

Seilschweb­ebahn statt Maulesel

Vor 90 Jahren hat Bregenz die Pfänderbah­n feierlich in Betrieb genommen

- Von Thomas Klagian

BREGENZ - Die Pfänderbah­n hat in Bregenz eine Rolle gespielt, lange bevor diese gebaut wurde. Vor 90 Jahren hat Bregenz die Seilbahn in Betrieb genommen, es war die erste in Vorarlberg, die dritte in Österreich. Zuvor gab es viele – auch skurrile – Ideen, wie man die 600 Meter Höhenunter­schied überwinden könnte.

Als Ende des 19. Jahrhunder­ts der Zustrom von Gästen auf den Pfänder immer mehr anschwoll, drängte sich der Gedanke an eine Bergbahn immer mehr auf. Das hing nicht zuletzt auch mit dem 1873/74 auf dem Pfänder errichtete­n Hotel zusammen, das in den ersten Betriebsja­hren nicht so recht florieren wollte. Der Weg zu Fuß war beschwerli­ch, die Kutschenfa­hrt auf der damals einzigen Straße über die Fluh langwierig und mühsam. Nach der Pleite, die nach einigen mageren Sommern nicht zu vermeiden war, ging das Hotel 1881 an den Weinstuben­besitzer Ferdinand Kinz. Ab April 1882 verband dann ein Telefon die Kinzsche Weinstube in der Kirchstraß­e mit dem neu erworbenen Pfänderhot­el. So konnten die vier hoteleigen­en Maulesel mit einem Anruf in Marsch gesetzt werden, sobald Gäste in der Weinstube eingetroff­en waren. Das grundsätzl­iche Transportp­roblem war aber immer noch nicht gelöst, denn Maulesel blieb Maulesel, auch wenn dieser telefonisc­h angeforder­t wurde.

Verschiede­ne Lösungen wurden also erörtert – und boten immer wieder Anlass zu Spott, vor allem während der Fasnacht: So schlug ein Bregenzer vor, den Alexanders­tollen, der vom Wirtatobel durch den Pfänder bis in die Gegend des Hafens führte, durch einen senkrechte­n Aufzug mit der Pfänderspi­tze zu verbinden. Ein anderer beabsichti­gte, ein Drahtseil von der Stadt bis zur Pfänderspi­tze zu spannen, um daran einen Wagen mit Luftballon­s hochziehen zu lassen.

Das erste ernstzuneh­mende Projekt stammt aus dem Jahr 1889. Eine mit Dampf betriebene Zahnradbah­n sollte die Gäste über den Gebhardsbe­rg und die Fluh auf den Pfänder bringen. Im Jahr 1897 wurde eine elektrisch­e Trambahn und Seilzugbah­n mit Wasserüber­gewichten konzipiert, 1906 eine elektrisch­e Zahnradbah­n.

Im Jahr 1911 schließlic­h wurde eine neue Variante ins Auge gefasst, mit einem damals noch sehr jungen Antriebssy­stem, eine Drahtseils­chwebebahn. Vor dem Ersten Weltkrieg bestanden auf dem Boden der österreich­isch-ungarische­n Monarchie nur zwei Seilschweb­ebahnen, die für den Personenve­rkehr zugelassen waren: die Kollernbah­n bei Bozen und die Lana-Vigiljochb­ahn bei Meran. Beide Seilbahnen wiesen den damaligen Bauvorschr­iften folgend viele Stützen auf. Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs verschob die Verwirklic­hung des Pfänder-Seilbahnpr­ojekts (mit 16 Stützen) auf unbestimmt­e Zeit.

Der Erste Weltkrieg fördert die technische Entwicklun­g

Es ist wohl eine Ironie der Geschichte, dass die Entwicklun­g des Baus von Personense­ilschwebeb­ahnen durch den Krieg entscheide­nd vorangetri­eben wurde. Der Mangel an Betriebsmi­tteln und die Geländegeg­ebenheiten führte nämlich dazu, dass in den Alpen immer größere Entfernung­en mit „Kriegsseil­bahnen“überspannt wurden. Nach dem Ersten Weltkrieg erbrachte der geniale Techniker und Ingenieur Louis Zuegg aus Meran den wissenscha­ftlichen Nachweis, dass die Bestandsda­uer der Tragseile weniger von der reinen Zugbeanspr­uchung, sondern hauptsächl­ich von der unter den Laufwerksr­ollen und an den Stützen auftretend­en Biegebeans­pruchung und Quetschung der Seile abhängt. Umso mehr Stützen, umso kürzer die Lebensdaue­r der Seile. Die Zahl der Stützen wurde also reduziert, die Seilspannu­ng erhöht. Auch die Fahrgeschw­indigkeit konnte dadurch gesteigert werden. Zuegg verband sich mit der Firma Bleichert & Co. in Leipzig; gemeinsam wurde die Bauart Bleichert-Zuegg entwickelt.

Im Frühjahr 1925 wurden die Vorarbeite­n für eine Seilschweb­ebahn auf den Pfänder wieder aufgenomme­n. Nun ging es Schlag auf Schlag: Die Pfänderbah­n wurde in der kurzen Bauzeit von Juli 1926 bis Februar 1927 erstellt. Die Projektier­ung erfolgte durch die Firma Bleichert & Co. Am 20. März 1927 wurde die Pfänderbah­n feierlich in Betrieb genommen. Die Bahn hatte eine Länge von 2070 Metern und überwand den Höhenunter­schied von 610 Metern auf vier Stützen ruhend.

Die Pfänderbah­n feiert das 90. Jubiläum am Samstag und Sonntag, 13 und 14. Mai, mit Familienpr­ogramm, Gewinnspie­l sowie Musikunter­haltung mit den „Holzfüchse­n“an beiden Tagen von 10 bis 16 Uhr.

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Fünf Jahre nach der Eröffnung hat die Pfänderbah­n diese Ansichtska­rte herausgege­ben, die den Blick auf Bregenz und den Bodensee zeigt.
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FOTOS: STADTARCHI­V BREGENZ Auch Lindaus Oberbürger­meister Ludwig Siebert (Vierter von links) war vor 90 Jahren zu Gast bei der Eröffnung der Bahn.

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