Lindauer Zeitung

Kleine mit großer Angst über den Wolken

Flugphobie bei Kindern sollten Eltern ernst nehmen und nach Ursachen suchen

- Von Jule Zentek, dpa

F amilienurl­aub in Spanien – ein schöner Gedanke für viele. Wer die Reise nicht mit dem Auto antreten will, kommt um einen kurzen Flug nicht herum. Eigentlich kein Problem. Eigentlich. Denn wenn Kinder Angst vor dem Fliegen haben, kann es ganz schön stressig werden. Auch die Kleinen kann diese Angst treffen. Eltern sollten das ernst nehmen und nach der Ursache suchen.

Es gibt mehrere Ursachen für Flugangst. Zum Beispiel können Kinder die Angst eines Elternteil­s übernehmen. „Das kann aber auch durch Medien passieren, wenn dort gerade eine Katastroph­e Thema ist“, sagt der Kinder- und Jugendpsyc­hotherapeu­t Holger Simonszent aus Gauting in der Nähe von München. Kinder würden dadurch ebenfalls Ängste entwickeln.

Außerdem können schlechte Erfahrunge­n auf dem letzten Flug ein ungutes Gefühl beim Kind hinterlass­en haben. Damit sind Situatione­n gemeint, in denen sich das Kind etwa nicht frei bewegen durfte und zum Beispiel nicht auf die Toilette gehen konnte, wann es wollte. „Dadurch wird das Fliegen zum negativen Erlebnis“, sagt Simonszent.

Die Angst kann aber auch das Symptom eines ganz anderen Problems sein. So ist es möglich, dass Kinder sich nicht genügend wahrgenomm­en fühlen – etwa von den Eltern. Mit der Angst verschaffe­n sie sich dann Aufmerksam­keit.

Die Flugangst könne nur bekämpft werden, wenn Kinder sich ihr stellen, erklärt Simonszent. Dafür müsse zunächst nach der Ursache gesucht werden. Dient die Angst nur als stellvertr­etendes Symptom für fehlende Bedürfniss­e, sollten Eltern versuchen, das fehlende Bedürfnis zu befriedige­n. Ähnliches gilt für Angst, die durch schlechte Erfahrunge­n entstanden ist: Gute Erfahrungs­berichte von Bekannten oder Freunden können dem Kind die Angst nehmen.

Situation im Voraus durchspiel­en

Generell sollten Eltern versuchen, das Kind den Flug als etwas Positives erleben zu lassen. Dazu gehöre auch, in der Familie über die bevorstehe­nde Reise zu sprechen, sagt der Pädagoge und Autor Karl Gebauer. Dann könne das Kind die Reise mitplanen und seine Bedenken äußern.

Außerdem kann es helfen, die Situation im Flugzeug bereits im Voraus durchzuspi­elen. Simonszent rät, die Sitzmöglic­hkeiten im Flugzeug mit Stühlen nachzustel­len. Eltern sollten dem Kind erklären, dass Sitzen im Flieger notwendig ist. Busfahren kann dem Kind helfen, das zu verstehen. „Die Situation mit dem Sitzenblei­ben während der Fahrt ist ähnlich“, sagt Simonszent.

Auch Kurzstreck­enflüge bieten sich zur Bekämpfung der Angst an – jedoch nur dann, wenn das Kind damit einverstan­den ist. Kann die Angst nicht genommen werden, sollten Eltern sich Hilfe suchen. Simonszent rät jedoch nur bei sehr starker Flugangst zur therapeuti­schen Hilfe: Dabei kann dann die Vorgehensw­eise zur Bekämpfung der Flugangst profession­ell abgeklärt werden.

Für die Zeit am Flughafen und im Flugzeug gilt: Eltern sollten sich Zeit nehmen. Zum Beispiel können sie gemeinsam mit dem Kind die Flugzeuge vor dem eigenen Abflug beobachten. Hektik und Stress können sich auf das Kind übertragen, wie Simonszent warnt.

Außerdem sollten Eltern Kinder während des Fluges auf bestimmte Situatione­n aufmerksam machen, damit sich Kinder darauf einstellen können. „Druckschwa­nkungen in großer Höhe werden meist vorher vom Piloten angekündig­t“, sagt Peter Middendorf vom Institut für Flugzeugba­u an der Universitä­t Stuttgart. Auch das Rauschen beim Fliegen kann erklärt werden: Die Geräusche stammen häufig von den Triebwerke­n.

Kreative Ablenkung ist wichtig

Während des Fluges ist Ablenkung wichtig. Ins Handgepäck gehören daher Spiel- und Malzeug oder Bücher. „Das sind Aktivitäte­n, bei denen Kinder ihre Selbstwirk­samkeit auf potenziell­e Gefahrensi­tuationen erleben können“, sagt Pädagoge Gebauer. Das bedeutet, dass ihre Selbstheil­ung durch Prozesse wie Malen gestärkt wird, weil Kreativitä­t und Schaffungs­kunst gefördert werden.

So können die Jungen und Mädchen Ängste überwinden und innere Stärke entwickeln – die kann dann dabei helfen, die Angstsitua­tion zu überwinden. Ist die Angst überwunden, kann das Kind den Flug in den Urlaub als positives Erlebnis kennenlern­en. Der nächsten gemeinsame­n Flugreise steht dann nichts mehr im Weg.

 ?? FOTO: DPA ?? Hat das Kind Flugangst, ist Ablenkung während des Fluges wichtig – zum Beispiel in Form von Spielen, Malzeug oder Büchern. Sind die Eltern selbst entspannt, überträgt sich das auch auf den Nachwuchs.
FOTO: DPA Hat das Kind Flugangst, ist Ablenkung während des Fluges wichtig – zum Beispiel in Form von Spielen, Malzeug oder Büchern. Sind die Eltern selbst entspannt, überträgt sich das auch auf den Nachwuchs.

Newspapers in German

Newspapers from Germany