Lindauer Zeitung

Mit Anrufen hat alles angefangen

Sechsfache Großeltern Sepp und Hella Dietrich aus Lindau feiern Eiserne Hochzeit

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Frau im Westerwald“, verrät der ehemalige Bauunterne­hmer mit seinem charakteri­stischen, spitzbübis­chen Schmunzeln. Aber da zeigte sich, dass Oberbayern auch schwäbisch­pragmatisc­h denken können, denn der gebürtige Landsberge­r dachte sich, dass die Geschichte mit dem Westerwald keine Zukunft habe, das wäre zu weit weg.

Sepp Dietrich ist mit acht Jahren nach Immenstadt umgezogen und kam nach dem Krieg, diversen Ausbildung­en – unter anderem zum Maurer und Bauingenie­ur – als Filialleit­er des Bauunterne­hmers Theobald Mayer an den Bodensee. Eben die vielen Telefonate mit ihm waren der Grund für die Annäherung von Sepp und Hella.

Ganze Viertel errichtet

Aber ganz wohl fühlte er sich mit der potentiell­en Lindauer Schwiegerf­amilie anfangs auch nicht wirklich, denn im Gegensatz zu Hella hatte er kein Abitur, sondern nur Mittlere Reife, „außerdem hatte ich als junger Bursch gar nichts, vor allem kein Geld“, erzählte er. Aber er wurde bald als erfolgreic­her Geschäftsm­ann, nicht als wohlhabend­er Bürger, geschätzt. Sein Geschäftss­inn erledigte bald auch den Rest, er übernahm die Filiale 1960 und mit dem Bau des Valentin-Heider-Gymnasiums begann die Erfolgskur­ve steil nach oben zu zeigen, sodass er nach einigen Jahren nicht mehr behaupten konnte, nichts zu haben. Während er in Lindau ganze Viertel aus dem Boden stampfte, wie er gern erzählt,beispielsw­eise den Alpengarte­n, einige Blöcke am Buttlerhüg­el, das Pfarrzentr­um St. Josef oder die Hauptschul­e Aeschach, zog Hella die beiden Kinder Karola und Claus groß. Sepp kümmerte sich derweil um die bis zu 150 Mitarbeite­r seiner Firma.

Später konnte Hella ihr Fernweh mit vielen Reisen, darunter zweimal nach Feuerland ausleben. Er stand lieber auf dem Fußballpla­tz, wenn die Spielverei­nigung mehr, und später vor allem, weniger erfolgreic­h kickte.

Von den beiden Kindern lebt noch Karola, Claus erlag dem Kampf gegen die Leukämie vor acht Jahren, nicht nur für dessen Frau und die beiden Kinder ein schwerer Schlag. So sind die 1930 geborene Hella und ihr acht Jahre älterer Sepp sechsfache Großeltern, die Hoffnung, auch noch Uropa zu werden, hat Sepp noch nicht ganz aufgegeben.

Aufgegeben hat er hingegen den Widerstand gegen offizielle Gratulante­n wie Bürgermeis­ter Karl Schober oder die stellvertr­etende Landrätin Barbara Krämer-Kubas. Denn vor fünf Jahren, zum 60. Hochzeitst­ag, holte Sepp den Blumenstra­uß lieber bei der Stadtverwa­ltung ab, anstatt sich zu Hause feiern zu lassen. Dass so ein offizielle­r Besuch aber auch ganz unterhalts­am sein kann, konnte Sepp gestern erleben, denn neben vielen Geschichte­n über das Bauen in Lindau einst und jetzt gab es auch reichlich anderen munteren Gesprächss­toff.

Sepp Dietrich wird zwar bald 95. Jahre alt, kann nicht mehr Auto fahren, aber über das, was in Lindau so läuft und vor allem gebaut wird, ist er nach wie vor bestens informiert. Die Neugier über das Bauen in Lindau steckt ihm halt in den Genen und hält ihn so munter.

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