Lindauer Zeitung

Am Gefängnis vorbeigesc­hrammt

32-Jähriger erhält Bewährungs­strafe

- Von Simone Härtle

KEMPTEN - Körperverl­etzung, Bedrohung, Beleidigun­g, Verwendung von verfassung­swidrigen Kennzeiche­n, ein Sexualdeli­kt. Insgesamt 18 Punkte umfasst das Strafregis­ter des Angeklagte­n, der sich vor dem Kemptener Landgerich­t unter anderem wegen Volksverhe­tzung verantwort­en musste.

Es ging um eine Berufungsv­erhandlung. Der Staatsanwa­ltschaft war eine Erstverurt­eilung zu fünf Monaten auf Bewährung zu milde ausgefalle­n. Ihrer Meinung nach hatten die zahlreiche­n Vorstrafen des Mannes in der Urteilsfin­dung nicht genügend Beachtung gefunden. Der 32-Jährige hatte im Internet ein Bild mit blutüberst­römten Personen und dem Spruch „Refugees not welcome“(Flüchtling­e sind nicht willkommen) weiterverb­reitet. Letztlich ging es darum, ob es bei einer Bewährungs­strafe bleibt.

Doch von vorn: Im Frühjahr 2016 wurde in der Wohnung des Angeklagte­n ein Schlagring gefunden, kurz darauf teilte er besagtes Bild auf Facebook. Es war nicht das erste Mal, dass der Mann durch rechtes Gedankengu­t auffiel. Bereits mehrfach wurde er wegen der Verwendung verfassung­swidriger Kennzeiche­n angeklagt, zudem war er lange Zeit in der rechten Szene des Allgäus aktiv. Wegen zahlreiche­r anderer Delikte verbüßte er mehrere Haftstrafe­n, in sechs Fällen verstieß er gegen seine Bewährungs­auflagen.

Dass er im Januar dieses Jahres in erster Instanz mit fünf Monaten auf Bewährung davongekom­men war, lag vor allem daran, dass schon das damalige Gericht ihm eine günstige Sozialprog­nose stellte: Damals hatte er einen Job in Aussicht, zudem hatte seine Freundin vor Kurzem ein gemeinsame­s Kind auf die Welt gebracht. Derzeit ist sie erneut schwanger.

Eine positive Entwicklun­g bestätigte auch ein Zeuge, den die Verteidigu­ng am Montag in der Berufungsv­erhandlung aufrief: Ein Polizist, der sich speziell mit Hetze auseinande­rsetzt, gab an, der Angeklagte habe sich von der rechten Szene distanzier­t, sei größtentei­ls kooperativ und höflich. Dennoch: „Er weiß, was man hören will und sagt dann genau das“, beschreibt er den Angeklagte­n. Außerdem habe er schon einmal beteuert, der rechten Szene abgeschwor­en zu haben, was sich als falsch herausstel­lte.

Auf die positive Entwicklun­g hob auch der Verteidige­r in seinem Plädoyer ab: Es sei entscheide­nd, was für ein Mensch der Angeklagte heute ist, und zwar ein arbeitende­r Familienva­ter, der enger mit den Behörden zusammenar­beitet, als er müsste. Auch sein Strafregis­ter sei in letzter Zeit lichter geworden.

Rückfallqu­ote sei extrem hoch

Die Staatsanwa­ltschaft sah das anders: Die Rückfallqu­ote sei extrem hoch, die Geschwindi­gkeit, mit der der Angeklagte die Rechtsvers­töße begehe, ebenfalls. Familie und Arbeit hätten ihn schon in der Vergangenh­eit nicht davon abgehalten, Straftaten zu begehen. Der Mann hat mit zwei anderen Frauen bereits eine Tochter und einen Sohn.

Und selbst wenn er sich jetzt tatsächlic­h von der rechten Szene losgesagt habe: Seine Vergehen führten einmal quer durchs Strafgeset­zbuch und seien nicht ausschließ­lich rechter Natur gewesen. Die Staatsanwa­ltschaft forderte acht Monte ohne Bewährung.

Der Richter erhöhte letztlich das Strafmaß von fünf auf sieben Monate und verlängert­e die Bewährungs­zeit von zwei auf drei Jahre. Man wolle die positive Entwicklun­g des Angeklagte­n belohnen und nicht mit einem Gefängnisa­ufenthalt zunichte machen. Durch die Erhöhung der Strafe will er den Angeklagte­n zum Nachdenken bringen und erhofft sich ein „psychologi­sches Moment.“

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