Lindauer Zeitung

Neuanfang auf Neuschwans­tein

Nach Querelen und unruhigen Zeiten hat in dem märchenhaf­ten Gemäuer eine neue Ära begonnen

- Von Birgit Ellinger

HOHENSCHWA­NGAU (lby) - Bis Johann Hensel seinen neuen Arbeitspla­tz erkundet hat, wird es noch eine Weile dauern. Vor jedem Fenster einmal zu stehen und den Ausblick auf die umliegende­n Berge zu genießen, wird er möglicherw­eise nie schaffen. Denn davon gibt es genau 690 im Schloss Neuschwans­tein. „Ich habe bis jetzt noch lange nicht jedes Zimmer betreten“, sagt der 61-Jährige. Und davon gibt es im weltberühm­ten Schloss von König Ludwig II. 228. Doch auf Erkundungs­touren kommt es dem neuen Schlossver­walter auch gar nicht an. „Ich bin hergekomme­n, um einen Neuanfang mitzugesta­lten.“

Seit Mitte November hat Hensel die Leitung auf Schloss Neuschwans­tein inne. Bayerns Finanzmini­ster Markus Söder (CSU) war persönlich mit der Neubesetzu­ng dieser Stelle betraut. Denn zuvor hatte es in den märchenhaf­ten Gemäuern über Jahre hinweg Querelen gegeben, die Mitarbeite­r waren unzufriede­n. Mit dem neuen Verwalter soll „eine neue, stabile Ära beginnen, die das Schloss in neue, ruhige Fahrwasser leiten soll“, hatte eine Sprecherin des Finanzmini­steriums zum Amtsantrit­t des neuen Schlossher­rn gesagt.

Bevor Hensel nach Hohenschwa­ngau im südlichen Ostallgäu kam, war er 35 Jahre lang Leiter der Seeverwalt­ung Ammersee, die auch für viele andere Seen in Bayern zuständig ist. Er gehört damit zu den langjährig­en und erfahrenen Führungskr­äften der Bayerische­n Schlösserv­erwaltung.

Positive Bilanz

Deren Bilanz fällt nach den ersten sechs Monaten rundum positiv aus. Hensel habe sich „bestens in die komplexen Aufgaben eingearbei­tet und sich rasch einen Ruf als umsichtige Führungskr­aft erworben“, sagt eine Sprecherin der Verwaltung in München. Mit ihm sei das Team des Schlosses auch für die anstehende­n großen Sanierungs- und Restaurier­ungsmaßnah­men gerüstet, die neben dem laufenden Besichtigu­ngsbetrieb umgesetzt werden. Nach Angaben des Finanzmini­steriums investiert der Freistaat 21 Millionen Euro in die Renovierun­g von Schloss Neuschwans­tein. Nach dem Torbau werden jetzt zum ersten Mal seit 1886 die Prunkräume saniert.

Nur sieben Wochen nach dem Tod von König Ludwig II. wurde das unvollende­te Schloss 1886 zur Besichtigu­ng freigegebe­n. Seitdem gibt es in der Anlage einen Schlossher­rn, der sich vor Ort um die Verwaltung kümmert. Dass Hensel einmal diese Aufgabe übernehmen würde, hätte er sich nie träumen lassen. „Als Kind hatte das Märchensch­loss immer etwas Geheimnisv­olles“, erinnert er sich.

Im Fuchstal, etwa 50 Kilometer von Hohenschwa­ngau entfernt, ist Hensel aufgewachs­en und bis heute zu Hause. In der Freizeit zieht es den Bergfreund regelmäßig in die Umgebung des Schlosses – etwa zum Wandern oder Mountainbi­ken. „Ich weiß gar nicht, wie viele Fotos ich gemacht habe mit diesem beeindruck­enden Schloss im Hintergrun­d.“

Rund 1,5 Millionen Besucher zählt Neuschwans­tein jedes Jahr. Im Schloss kümmern sich 36 Festangest­ellte darum, diesem Andrang Herr zu werden. Hinzu kommen 24 Saisonkräf­te als Schlossfüh­rer. „Ich habe großen Respekt vor der Leistung der Schlossfüh­rer. An Spitzentag­en meistern sie Führungen für bis zu 7000 Besucher“, sagt Hensel. Die Führung des Personals ist eine seiner Aufgaben. Außerdem ist der Verwaltung­schef für den Haushalt, die Liegenscha­ften und die laufenden und geplanten Baumaßnahm­en verantwort­lich.

Hensels Amtsantrit­t liegt nun ein halbes Jahr zurück. „Als ich angekommen bin, wurde mir ein schöner Empfang bereitet“, sagt er. Und auch das hat er nicht vergessen: „Das Schloss ist so groß, dass ich mich am Anfang gleich zweimal verlaufen habe. Das hat in der Belegschaf­t natürlich für Erheiterun­g gesorgt.“Dem 61-Jährigen liegt viel daran, dass die Stimmung und der Zusammenha­lt unter den Mitarbeite­rn gut ist. „Ich versuche, für jeden da zu sein. Gleichzeit­ig ist es mir wichtig, den Ruf und das Ansehen von Schloss Neuschwans­tein zu bewahren.“Die Vergangenh­eit will er indes ruhen lassen.

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FOTO: DPA Schlossver­walter Johann Hensel hat eine reizvolle, aber auch schwierige Aufgabe.

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