Lindauer Zeitung

Älteren Menschen droht verstärkt Obdachlosi­gkeit

Der Fall einer Wangenerin, die im Auto lebt, macht auch Senioren im Landkreis Lindau Angst

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LINDAU/WANGEN (beb/jps) - „Erschütter­nd.“Mit diesem Wort beschreibt Kristina Gunzelmann vom Sozialdien­st der Stadt Wangen ein bisher unbekannte­s Problem: Vermehrt stehen Senioren ohne Obdach da. Zudem haben sie Schwierigk­eiten, eine neue Bleibe zu finden. Die Gründe scheinen vielschich­tig. Im Kreis Lindau ist das Problem bislang unbekannt. Aber Seniorenbe­irat, Landratsam­t, Caritas und andere haben immer wieder mit älteren Menschen zu tun, die Hilfe brauchen.

Die Wangener Sozialbetr­euerin erzählte von einer Frau um die 80, die 2016 nach Jahrzehnte­n wegen Eigenbedar­fs aus ihrer Mietwohnun­g gekündigt wurde. Die Frau wusste sich offenbar nicht anders zu helfen, als monatelang in ihrem Auto zu schlafen. Wenige Tage vor Weihnachte­n entdeckten Polizisten die Seniorin und ihr Auto auf einem Wangener Parkplatz. Erst durch diesen Zufall kam sie in die Betreuung des städtische­n Sozialdien­sts und erhielt wieder ein Dach über dem Kopf.

Dabei war die Seniorin weder arm („Sie hat eine relativ gute Rente“, so Gunzelmann), noch in irgendeine­r Weise pflegebedü­rftig. „Sie gehört zur Generation, in der man nicht über Probleme spricht“, erklärt die Sozialarbe­iterin, die sich um „Härtefälle“der Gesellscha­ft kümmert. Weil keine Pflegestuf­e greift, sei eine Unterbring­ung in einem Alten- oder Pflegeheim schwer möglich gewesen. Fünf bis sechs Fälle hat Gunzelmann in den vergangene­n Monaten erlebt, bei denen betagten Wangenern Obdachlosi­gkeit drohte.

Bert Schädler, Vorsitzend­er des Seniorenbe­irats im Landkreis Lindau, hat von einem solchen Fall in seinem Zuständigk­eitsbereic­h noch nicht gehört. „Aber das kann sich jeden Tag ändern. Das sollte man nicht auf die leichte Schulter nehmen.“Der Seniorenbe­irat will dieses Thema – ebenso wie die Altersarmu­t – demnächst besprechen. Vor allem die „hohe Politik“müsse sich dem Thema stellen.

„Das ist mir noch nicht untergekom­men“

Die Mitarbeite­r der Caritas-Sozialstat­ion Westallgäu kommen zwar immer wieder in Haushalte, in denen der Verlust der Wohnung droht, berichtet Irmgard Wehle-Woll. Das sind aber meist Fälle, bei denen die älteren Bewohner nicht mehr alleine im Haushalt zurecht kommen. Dabei ist laut der Seniorenbe­raterin bei der Caritas immer eine Lösung gefunden worden: „Dass jemand auf der Straße wohnen muss, ist mir noch nicht begegnet.“

Menschen, die von Obdachlosi­gkeit bedroht sind, kommen auch in die Sozialbera­tung der Caritas. Doch viel eher melden sich laut Geschäftsf­ührer Harald Thomas Familien, die aus ihren Wohnungen raus müssen, als Senioren. „Wohnungssu­che ist angesichts des angespannt­en Markts generell ein Problem“, sagt Thomas. Das bestätigt Tobias Walch, Leiter des Geschäftsb­ereichs Soziales am Landratsam­t: „Aber das Thema Wohnungssu­che ist vielschich­tig. Das kann man nicht verallgeme­inern.“

„Wohnungssu­che ist generell ein Problem.“ Caritas-Geschäftsf­ührer Harald Thomas

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