Obstbauern könnten mit Mais Zeichen setzen
Sie überlegen, Mais anstelle von Obst zu pflanzen – Aktion soll wachrütteln.
KREIS LINDAU - Der Frost habe die Obstbauern getroffen wie noch nie, sagt Martin Nüberlin, der Vorsitzende der Erzeugergemeinschaft Lindauer Obstbauern. „Jeden Tag bekommen wir einen kleinen Schlag mehr, die Hoffnung schwindet zusehends. Immer mehr Blüten fallen ab.“Die ersten Obstbauern ziehen daraus ihre Konsequenzen: Sie überlegen, einen Teil ihrer Felder mit Mais anstelle von Obst zu bepflanzen – und damit ein Zeichen zu setzen.
Denn irgendwann müsse man eben schauen, wie man über die Runden kommt, sagt Stefan Haas, Obstbauer aus Selmnau bei Wasserburg. „Das macht ein Industriebetrieb auch.“Seine Sauerkirschen seien nach dem Frost im April komplett hinüber, von den Johannisbeeren, so schätzt er, ist etwa die Hälfte kaputt. „Bei den Äpfeln liegt der Schaden zwischen 70 und 90 Prozent.“Nun überlegt er, auf einem etwa 1,3 Hektar großen Teil seiner Felder Mais anzubauen.
„Die Fläche wäre nächstes Jahr sowieso gerodet worden“, erklärt Haas. Denn die Obstbäume darauf sind alt, der Bauer müsste sie sowieso durch neue ersetzen. Nun könne er sich vorstellen, die Bäume schon in den kommenden Wochen zu fällen und aus der Fläche ein Maisfeld zu machen. „Mais ist weniger Arbeit“, erklärt er. Denn Obstbäume müsse man im Sommer pflegen, ob sie nun Ertrag bringen oder nicht.
Das Maisfeld wäre eine Übergangslösung, für ein bis zwei Jahre. Aber es kommt auf die Einnahmen im nächsten Jahr an“, sagt Haas. Er schließt nicht aus, dass die Fläche am Ende Maisfeld bleibt.
Vergangene drei Jahre waren nicht leicht
Haas ist frustriert. Das hat auch mit den Schäden durch den Aprilfrost zu tun – aber nicht nur. „Die vergangenen drei Jahre waren schon rückläufig. Erst kam der Mindestlohn, dann das Russlandembargo, jetzt der Frost. Und die Pflanzenschutzmittel werden immer teurer“, sagt Haas. „Die Verbraucher und die Politik wollen das nicht sehen.“
Peter Sporrädle von Sporrädles Obsthof in Wasserburg geht es ähnlich. Auch er hat durch den Frost viele Blüten verloren. „Die Situation wird von Tag zu Tag schlimmer. Man sieht immer mehr Blüten fliegen“, sagt er. Die kommende Woche will er noch abwarten. Dann entscheidet auch er, ober er auf einem 1,5 Hektar großen Teil seiner Felder alte Apfelbäume fällt und stattdessen für eine Saison Mais pflanzt. „Mais muss man vor dem ersten Juni säen“, erklärt er. In der nächsten Saison will er auf den 1,5 Hektar dann wieder junge Apfelbäume pflanzen.
Falls sie sich dazu entscheiden, Mai anzupflanzen, würden beide Bauern ihn wahrscheinlich an Biogasanlagen verkaufen – das bringt mehr ein als der Verkauf als Tierfutter. „Wenn ich jetzt über den Sommer Mais anbaue, wäre die Fläche sinnvoll genutzt“, erklärt Sporrädle. Denn die Obstbäume auf dieser Fläche hätte er, ebenso wie Stefan Haas, in nächster Zeit sowieso durch junge Bäume ersetzen müssen.
Doch das Maisfeld wäre für die beiden Bauern mehr als eine sinnvolle (Übergangs-) Lösung. Es wäre auch ein Statement. „Ich möchte, dass die Leute aufwachen“, sagt Sporrädle. Denn so schlimm, wie in diesem Jahr, seien die Schäden durch den Frost noch nie gewesen. „Mein Vater ist jetzt 67, und so hat er es noch nie gesehen.“Er habe Felder, auf denen seien 90 Prozent der Blüten verschwunden. Bei einigen Nüssen wisse man nicht, ob sie überleben.
„Der eine oder andere wird Abstand nehmen von dem Job“, sagt Martin Nüberlin. In den vergangenen Jahre sei die Ernte zwar ganz gut gewesen, aber eben nicht so gut, dass sie dieses Jahr ausgleichen könne.
Dabei sei die Tatsache, dass „jetzt nichts auf den Bäumen ist“im Moment noch hauptsächlich „psychologisch“schlimm: „Wir bekommen jetzt ja noch die Ernte vom letzten Jahr bezahlt“, erklärt Nüberlin. Er fordert, dass der Freistaat seinen Obstbauern, ebenso wie BadenWürttemberg, Hilfen bezahlt. „Der Obstbau wird in Baden-Württemberg anders gewichtet als in Bayern“, erklärt Nüberlin.
Doch auch am bayerischen Bodensee gibt es etwa hundert Bauern, die alle unter dem Frost und den kaputten Blüten leiden. Einige haben Nebeneinkünfte durch Hofläden oder Ferienwohnungen. „Mit mehreren Standfüßen geht es“, sagt Peter Sporrädle. „Aber für jemanden, der nur davon lebt, ist es schwierig.“