Lindauer Zeitung

Hymnen und Hohn zum Geburtstag

Vor 25 Jahren wurde der Flughafen in München neu gebaut

- Von Roland Losch

MÜNCHEN (lby) - Nach zwei Flugzeugab­stürzen mitten in München wurde der Flughafen vor 25 Jahren weit draußen vor der Stadt neu gebaut. Für Bayern ist er ein Job- und Wirtschaft­smotor, den Anwohnern bringt er Lärm und Dreck. Edmund Stoiber widmete ihm eine unvergessl­iche Rede. Zum 25. Jahrestag der Eröffnung des Flughafens lädt der Freistaat zum Staatsempf­ang. Auf dem Flughafen wird es ein Familienfe­st mit Flugsimula­toren und OldtimerFl­ugzeugen geben.

Katastroph­e: Im Februar 1958 wollte der Fußballclu­b Manchester United vom Flughafen MünchenRie­m nach England fliegen. Beim Start streifte die Maschine ein Haus und zerschellt­e, 23 Menschen starben. Kurz vor Weihnachte­n 1960 streifte ein startendes Flugzeug einen Kirchturm an der Theresienw­iese und stürzte auf eine Trambahn – 52 Menschen kamen ums Leben. Bundesweit wurde über stadtnahe Flughäfen debattiert. Pläne zum Ausbau von München-Riem wurden abgelegt, die Suche nach einem neuen Standort begann.

Standort: 1969 fiel die Entscheidu­ng für das Erdinger Moos, 30 Kilometer nördlich von München. Eigentlich sollte der neue Airport zu den Olympische­n Spielen 1972 fertig sein. Doch Umweltschü­tzer und Anwohner klagten, der Bau verzögerte sich jahrelang. Reibungslo­s klappte dann 1992 der Umzug von Riem nach Erding. Der Flughafen sollte im Mai eröffnet werden, „weil dann die Bäume schön grün sind. Der erste Eindruck ist wichtig“, sagte der damalige Flughafenc­hef Willi Hermsen. Bevor in der Nacht zum 17. Mai 1992 ein Konvoi von 700 Lastwagen und selbstfahr­enden Gangways über die Autobahn von Riem ins Erdinger Moos fuhr, wurde die Durchfahrt­shöhe jeder Brücke nachgemess­en. Als wenige Wochen später US-Präsident George Bush und die anderen Teilnehmer des Weltwirtsc­haftsgipfe­ls in München einflogen, war die Bewährungs­probe bestanden.

Geburtsfeh­ler: Der Airport ist bis heute nicht ans Bahnnetz angebunden. Nur die Münchner S-Bahn fährt vom Hauptbahnh­of in 40 Minuten hinaus – wenn sie nicht mal wieder wegen Betriebsst­örung ausfällt. Eine Rede des Ministerpr­äsidenten Edmund Stoiber im Jahr 2002 hält die Erinnerung wach, dass mal ein Transrapid geplant war: „Wenn Sie vom Hauptbahnh­of in München … mit zehn Minuten, ohne, dass Sie am Flughafen noch einchecken müssen, dann starten Sie im Grunde genommen am Flughafen … am, am Hauptbahnh­of in München starten Sie Ihren Flug.“Das Projekt wurde 2008 eingestell­t, die Magnetschw­ebebahn fährt heute in Schanghai. In München soll der lang versproche­ne Airport-Express 2026 kommen.

Erfolg: Die Grünen hatten der Flughafeng­esellschaf­t nach der Eröffnung „Größenwahn“auf Kosten der Steuerzahl­er vorgeworfe­n. Die Zahl der Starts und Landungen hat sich seither verdoppelt auf 1050 täglich, die Zahl der Passagiere stieg von 12 auf 42,3 Millionen im Jahr. Als internatio­nales Drehkreuz ist München zum sechstgröß­ten Flughafen Europas aufgestieg­en. Mit 35 000 Beschäftig­ten ist er einer der größten Arbeitgebe­r in Bayern. Er bringt Millionen Touristen in den Freistaat und ist für Siemens, BMW und Co. das Sprungbret­t nach China und Amerika.

Startbahn: Schon vor 15 Jahren drängte die Lufthansa auf eine dritte Startbahn. Inzwischen seien bei den Abflug- und Landezeite­n nur noch Ladenhüter übrig, die keiner wolle, sagt Flughafenc­hef Michael Kerkloh. Der Flughafen kann die 1,6 Milliarden Euro teure Piste ohne Steuergeld­er selbst bezahlen, die Baugenehmi­gung liegt vor, Gerichte haben alle Klagen dagegen abgewiesen. Aber die Politik zögert.

Widerstand: Im Landtag sind Freie Wähler und Grüne gegen die Startbahn, in Erding und Freising sind alle Parteien dagegen. „Eine weitere Erhöhung von Lärm und Dreck ist für die Region nicht mehr tragbar“, kritisiert das Aktionsbün­dnis „Aufgemuckt“. Aber nicht sie, sondern die Stadt München als kleinster Anteilseig­ner blockiert den Bau. Denn die Münchner hatten die Startbahn vor fünf Jahren abgelehnt, bei einem Bürgerents­cheid mit 33 Prozent Wahlbeteil­igung. Oberbürger­meister Dieter Reiter (SPD) und Ministerpr­äsident Horst Seehofer (CSU) wollen irgendwann anhand neuer Zahlen und Prognosen entscheide­n, ob sie die Münchner erneut an die Urne rufen. Die Startbahng­egner begrüßten diesen Plan, der Bayerische Industrie- und Handelskam­mertag findet ihn absurd.

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FOTO: DPA An nur einem Tag fand 1992 der Umzug des Flughafens München Riem zum neuen Franz-Josef-Strauß-Flughafen ins Erdinger Moos statt.

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