Herzklopfen beim Schuss
In Bayern legen immer mehr Frauen die Jagdprüfung ab und erobern eine Domäne der Männer
REGENSBURG (lby) - Auflegen, zielen, tief durchatmen, entsichern, einstechen und dann – mit viel Mut – abziehen: Peng! Andrea Zerer lacht. Erleichtert und aufgewühlt zugleich. Es war ihr erster Schuss mit einem Gewehr. „Es flößt einem ganz schön großen Respekt ein, wenn man so eine Waffe in der Hand hält, die Druckwelle spürt und den Knall hört“, sagt Zerer. Auch Karolina Hirsch freut sich mit ihrer Schülerin. Die Trefferquote ist erst mal Nebensache. Daran kann in aller Ruhe gefeilt werden. Zerer besucht die erste Jagdschule für Frauen in Bayern.
Konzentriert und voller Selbstvertrauen zu schießen ist keine Selbstverständlichkeit für Frauen, sagt Hirsch. Sie erinnert sich gut an ihre eigene Jagdausbildung und die vielen Stunden am Schießstand im Herbst 2013. Viele Männer haben der heute 55-Jährigen damals am Schießstand auf den Arm getippt oder ihr gleich die Waffe aus der Hand genommen, um ihr zu zeigen, wie es richtig geht. „Das nervt“, sagt Hirsch, „und untergräbt zudem das Selbstbewusstsein während der Ausbildung.“Gerade das werde arg strapaziert auf dem Weg zum „grünen Abitur“, wie die Jägerprüfung auch genannt wird.
Das „grüne Abitur“haben in Bayern rund 50 000 Jäger in der Tasche, berichtet Susanne Schmid vom Bayerischen Jagdverband. Elf Prozent davon sind Frauen. Tendenz steigend, wie der Verband mitteilt.
120 Theorie- und Praxisstunden sowie Schießübungen sind Pflicht, um zur Prüfung zugelassen zu werden. „Die Zahl der vorgeschriebenen Stunden reicht erfahrungsgemäß nicht aus“, weiß Hirschs Lebensgefährte Thomas Licht. Gerade beim Tontaubenschießen seien Durchhaltevermögen und viel Übung gefragt. „Spätestens nach dem 50. Schuss ist man gefrustet. Aber das ist normal, die meisten brauchen 80 bis 100 Schuss, um überhaupt mal zu treffen.“Imponiergehabe von Männern sei in solchen Momenten nicht förderlich, meint auch Licht.
Die Idee seiner Lebensgefährtin, deshalb eine eigene Jagdschule für Frauen zu eröffnen, habe er von Anfang an unterstützt. Das Konzept kommt an bei den Frauen. In kleinen Gruppen von drei bis sechs Schülerinnen oder im Einzelunterricht macht Hirsch ihre Schützlinge fit fürs „grüne Abitur“. Ihr Lebensgefährte, selbst Jäger, hilft ihr dabei, bringt den Frauen Wildarten, Naturschutz und auch Landbau näher. „Männer interessiert Pflanzenkunde weniger, aber auch das wäre wichtig“, sagt Licht. Frauen seien hier wissbegieriger. Das könnten sich Jäger von Frauen abschauen. Auch die Einstellung, dass es nicht in erster Linie ums Töten geht. „Wir wollen keine Cowboys ausbilden, denen es nur ums Schießen und Trophäensammeln geht“, bringt Hirsch die Philosophie ihrer Jagdschule auf den Punkt. Vielmehr will sie ihre Schülerinnen zu verantwortungsbewussten Jägerinnen ausbilden, die Achtung vor der Schöpfung haben.
Die Jagdschülerinnen sind von Beruf Biologin, Sozialpädagogin, Naturfilmerin oder Metzgereifachverkäuferin, die jüngste 24 und die älteste über 70 Jahre alt – und nicht jede will später wirklich ein Tier schießen. Manche wollen einfach den Lebensraum Wald besser kennenlernen. Keiner geht es um die Lust am Töten, wie sie sagen.
In der Jagdschule lerne man zwar, wie man ein Tier mit einem präzisen Schuss schnell und schmerzlos töte, aber nur theoretisch, sagt Hirsch. „Ob und wann man es dann tut, ist jedem selbst überlassen.“Jägerin Hirsch hat nach ihrer Prüfung mehr als ein Jahr damit gewartet. Es war ein Reh, und das Herz schlug Hirsch damals bis zum Hals. Spaß gemacht habe es ihr nicht. „Aber wenn ich Fleisch essen will, gehört das Töten auch dazu.“
Auf Wunsch begleitet die Lehrerin ihre Absolventinnen weiter und ermutigt sie, wenn männliche Kollegen sie unter Druck setzen, weil sie noch kein Tier erlegt haben. „Sich drängeln zu lassen, wäre nicht gut“, warnt Hirsch. „Ein Tier zu töten, ist eine intime und ernste Sache und sollte nur mit Respekt für das Tier geschehen.“