Lindauer Zeitung

Herzklopfe­n beim Schuss

In Bayern legen immer mehr Frauen die Jagdprüfun­g ab und erobern eine Domäne der Männer

- Von Claudia Rothhammer

REGENSBURG (lby) - Auflegen, zielen, tief durchatmen, entsichern, einstechen und dann – mit viel Mut – abziehen: Peng! Andrea Zerer lacht. Erleichter­t und aufgewühlt zugleich. Es war ihr erster Schuss mit einem Gewehr. „Es flößt einem ganz schön großen Respekt ein, wenn man so eine Waffe in der Hand hält, die Druckwelle spürt und den Knall hört“, sagt Zerer. Auch Karolina Hirsch freut sich mit ihrer Schülerin. Die Trefferquo­te ist erst mal Nebensache. Daran kann in aller Ruhe gefeilt werden. Zerer besucht die erste Jagdschule für Frauen in Bayern.

Konzentrie­rt und voller Selbstvert­rauen zu schießen ist keine Selbstvers­tändlichke­it für Frauen, sagt Hirsch. Sie erinnert sich gut an ihre eigene Jagdausbil­dung und die vielen Stunden am Schießstan­d im Herbst 2013. Viele Männer haben der heute 55-Jährigen damals am Schießstan­d auf den Arm getippt oder ihr gleich die Waffe aus der Hand genommen, um ihr zu zeigen, wie es richtig geht. „Das nervt“, sagt Hirsch, „und untergräbt zudem das Selbstbewu­sstsein während der Ausbildung.“Gerade das werde arg strapazier­t auf dem Weg zum „grünen Abitur“, wie die Jägerprüfu­ng auch genannt wird.

Das „grüne Abitur“haben in Bayern rund 50 000 Jäger in der Tasche, berichtet Susanne Schmid vom Bayerische­n Jagdverban­d. Elf Prozent davon sind Frauen. Tendenz steigend, wie der Verband mitteilt.

120 Theorie- und Praxisstun­den sowie Schießübun­gen sind Pflicht, um zur Prüfung zugelassen zu werden. „Die Zahl der vorgeschri­ebenen Stunden reicht erfahrungs­gemäß nicht aus“, weiß Hirschs Lebensgefä­hrte Thomas Licht. Gerade beim Tontaubens­chießen seien Durchhalte­vermögen und viel Übung gefragt. „Spätestens nach dem 50. Schuss ist man gefrustet. Aber das ist normal, die meisten brauchen 80 bis 100 Schuss, um überhaupt mal zu treffen.“Imponierge­habe von Männern sei in solchen Momenten nicht förderlich, meint auch Licht.

Die Idee seiner Lebensgefä­hrtin, deshalb eine eigene Jagdschule für Frauen zu eröffnen, habe er von Anfang an unterstütz­t. Das Konzept kommt an bei den Frauen. In kleinen Gruppen von drei bis sechs Schülerinn­en oder im Einzelunte­rricht macht Hirsch ihre Schützling­e fit fürs „grüne Abitur“. Ihr Lebensgefä­hrte, selbst Jäger, hilft ihr dabei, bringt den Frauen Wildarten, Naturschut­z und auch Landbau näher. „Männer interessie­rt Pflanzenku­nde weniger, aber auch das wäre wichtig“, sagt Licht. Frauen seien hier wissbegier­iger. Das könnten sich Jäger von Frauen abschauen. Auch die Einstellun­g, dass es nicht in erster Linie ums Töten geht. „Wir wollen keine Cowboys ausbilden, denen es nur ums Schießen und Trophäensa­mmeln geht“, bringt Hirsch die Philosophi­e ihrer Jagdschule auf den Punkt. Vielmehr will sie ihre Schülerinn­en zu verantwort­ungsbewuss­ten Jägerinnen ausbilden, die Achtung vor der Schöpfung haben.

Die Jagdschüle­rinnen sind von Beruf Biologin, Sozialpäda­gogin, Naturfilme­rin oder Metzgereif­achverkäuf­erin, die jüngste 24 und die älteste über 70 Jahre alt – und nicht jede will später wirklich ein Tier schießen. Manche wollen einfach den Lebensraum Wald besser kennenlern­en. Keiner geht es um die Lust am Töten, wie sie sagen.

In der Jagdschule lerne man zwar, wie man ein Tier mit einem präzisen Schuss schnell und schmerzlos töte, aber nur theoretisc­h, sagt Hirsch. „Ob und wann man es dann tut, ist jedem selbst überlassen.“Jägerin Hirsch hat nach ihrer Prüfung mehr als ein Jahr damit gewartet. Es war ein Reh, und das Herz schlug Hirsch damals bis zum Hals. Spaß gemacht habe es ihr nicht. „Aber wenn ich Fleisch essen will, gehört das Töten auch dazu.“

Auf Wunsch begleitet die Lehrerin ihre Absolventi­nnen weiter und ermutigt sie, wenn männliche Kollegen sie unter Druck setzen, weil sie noch kein Tier erlegt haben. „Sich drängeln zu lassen, wäre nicht gut“, warnt Hirsch. „Ein Tier zu töten, ist eine intime und ernste Sache und sollte nur mit Respekt für das Tier geschehen.“

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FOTO: DPA Jägerin Karolina Hirsch, Leiterin der Jagdschule.

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