De Maizière verteidigt Begriff „Leitkultur“
Initiative kulturelle Integration stellt 15 Thesen für Zusammenhalt in Vielfalt vor
BERLIN (dpa/epd) - Jeder zweite Deutsche ist für eine „Leitkultur“als Beschreibung eines gemeinsamen Wertekanons. Das geht aus einer am Dienstag veröffentlichten repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov hervor. Danach ist nur ein Viertel der Bevölkerung gegen die Idee der „Leitkultur“. Ungefähr genauso viele Menschen haben dazu gar keine Meinung.
Bundesinnenminister Thomas de Maizière hatte die „Leitkultur“-Debatte Anfang des Monats mit einem Gastbeitrag in der „Bild am Sonntag“wieder angestoßen. Andere bringen unterdessen weitere Ideen in diese Diskussion ein. Insgesamt 15 Thesen für Zusammenhalt stellte die „Initiative kulturelle Integration“am Dienstag in Berlin vor und lud den Innenminister für die Grundsatzrede ein. Bei der Vorstellung der 15 Thesen verteidigte de Maizière seinen umstrittenen Debattenbeitrag am Dienstag in Berlin. Er sagte: „Wir können von niemandem verlangen, unsere Lebensweise zu respektieren, wenn wir sie nicht formulieren.“In seinem Gastbeitrag hatte de Maizière unter anderem erklärt: „Wir geben uns zur Begrüßung die Hand.“Und „Wir zeigen unser Gesicht. Wir sind nicht Burka.“
Diesem in der öffentlichen Debatte heftig attackierten Satz zur Vollverschleierung stimmen laut Yougov-Umfrage knapp drei Viertel der Deutschen zu. Für de Maizières Aussage „Deutsche sind aufgeklärte Patrioten, die ihr Land lieben und nicht andere hassen“gibt es im Vergleich weniger Zustimmung (51 Prozent).
Der Bundesinnenminister warb bei der Vorstellung der Thesen dafür, sich in der Wertedebatte nicht an dem Begriff der „Leitkultur“festzubeißen. Er finde diesen Ausdruck zwar immer noch gut. Wenn es der Diskussion diene, könne er aber auch von einem „Leitbild“für ein gutes Miteinander von Einheimischen und Zuwanderern sprechen, sagte der CDU-Minister.
Stolz auf vielfältige Gesellschaft
An der Formulierung der 15 Thesen der „Initiative kulturelle Integration“hatten sich unter anderem der Deutsche Kulturrat, Vertreter der Religionsgemeinschaften und der Kultusministerkonferenz beteiligt. Die Initiative formulierte: „Unser kultureller Reichtum beruht auch auf den Einflüssen Zugewanderter“und „Religion gehört auch in den öffentlichen Raum“. Die Erinnerung an den Holocaust definierte sie als „eine dauernde Verpflichtung für in Deutschland geborene Menschen ebenso wie für Zugewanderte“. Den Begriff der „Leitkultur“lehnt die Initiative ab. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, sagte, Deutschland sei zwar ein Einwanderungsland. Es fehle aber immer noch der „Stolz auf eine vielfältige Gesellschaft“.
Der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Johann Hinrich Claussen, hat eine Debatte über das kulturelle Selbstverständnis Deutschlands gefordert. Den von de Maizière benutzten Begriff „Leitkultur“lehnt auch er ab. Dieses Wort sei kein ernst zu nehmender Begriff und wenig geeignet, „eine sinnvolle Debatte und ein ernstes, gemeinsames Nachdenken zu eröffnen“. Der Theologe gehört der aus zahlreichen Institutionen besetzten Arbeitsgruppe unter Federführung des Deutschen Kulturrats an, die am Dienstag in Berlin ihre Thesen für ein Leitbild des Einwanderungslandes Deutschland vorstellten.