Wettlauf um den Weltraum
Space-Systems-Chef Nicolas Chamussy erklärt, wie Airbus seine Rivalen im All abhängen will
IMMENSTAAD - Es wird langsam eng im All. Das sagt jedenfalls Ralf Denzing, der Chef des Missionsbetriebs im europäischen Raumfahrtkontrollzentrum in Darmstadt. Immer wieder geraten Satelliten im Orbit auf Kollisionskurs. Aktuell rasen ERS II und Cluster B aufeinander zu. „Doch keine Sorge: Bahnkorrekturen werden einen Unfall verhindern“, versicherte Denzing bei der Grundsteinlegung zum neuen Technologiezentrum bei Airbus in Immenstaad.
Für Nicolas Chamussy, Leiter der Raumfahrtsparte beim europäischen Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus, war die Nachricht eine beruhigende. Denn auch wenn es im Weltraum von Airbus-Satelliten nur so wimmelt, jeder Verlust wäre schmerzhaft. „Airbus-Satelliten sind technisch äußerst aufwendig und gehören zu den wertvollsten und teuersten“, sagte Chamussy im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“. Wertarbeit sei das, was in Immenstaad entwickelt und gebaut wird.
Doch in Zeiten, in denen die Raumfahrt mehr und mehr ein Geschäft wird, an dem weltweit viele Akteure partizipieren wollen, werden Erfolgsgeschichten nicht einfach fortgeschrieben. Wer mithalten will, muss investieren und neue Wege beschreiten – wie der Airbus-Konzern, der sein Technologiezentrum in Immenstaad ausbaut: 43 Millionen Euro investiert das Unternehmen in den Neubau, dessen Herzstück ein mehr als 2000 Quadratmeter großer Reinraum ist, in dem acht Satelliten auf einmal integriert werden können.
Ein Vielfaches der Summe, nämlich rund zwei Milliarden US-Dollar, steckt das Unternehmen gemeinsam mit seinen Partnern in das Projekt Oneweb. Oneweb will schnelles Internet in den entlegendsten Winkel der Erde bringen und rund um den Globus verfügbar machen. Dafür sind 900 Satelliten notwendig, die Airbus in einer neuen Fabrik in Florida fertigen will. Der Grundstein dafür ist gelegt. „Der Probelauf für die Fertigung ist in Toulouse angelaufen“, erklärte Chamussy. WeltraumHightech in Serie, das ist für Airbus eine neue Herausforderung. „Bisher haben wir maximal zehn Satelliten pro Jahr gebaut, in Florida werden wir zwei Satelliten pro Tag liefern“, erläuterte Airbus-Space-Chef. In 32er-Paketen sollen sie nach und nach ins All gebracht werden. Konkurrent ist hier Tesla-Gründer Elon Musk. Seine Weltraumfirma Space-X arbeitet mit Hilfe von Google an einem ähnlichen Projekt, das aus 4000 Satelliten besteht.
Weil das Geschäft mit der Raumfahrt floriert und die Wachstumsaussichten glänzend sind, werde Airbus weiter investieren. Nicht nur in Fabriken und Technologie, sondern auch in Manpower. „In den vergangenen beiden Jahren haben wir 1000 neue Mitarbeiter eingestellt, und für 2017 streben wir weitere 1000 an“, sagt Chamussy. Die Airbus Group beschäftigt derzeit 134 000 Menschen, darunter etwa 40 000 in der Sparte Defence and Space. Am Standort Immenstaad sind es derzeit knapp 2100, davon 1100 in der Raumfahrt.
Mehr Risikofreude und mehr Beweglichkeit fordert Chamussy von ihnen ein, vor allem aber Effizienz. Für Oneweb habe das Unternehmen seine Abläufe neu ausgerichtet, um die Entwicklung zu beschleunigen. Das könne man zwar nicht eins zu eins auf andere Fertigungsstätten übertragen, sagte Chamussy. Wissenschaft, Erderkundung oder militärische Nutzungen, die Bereiche, die in Immenstaad im Zentrum stehen, erforderten andere Entwicklungs- und Fertigungslinien.
Wettbewerb bei Trägerraketen
Ähnliches gelte für die Trägerraketen. Der Wettbewerb mit Space-X, aber auch mit chinesischen Herstellern, nehme Airbus ernst. Am Ende zähle aber nicht nur der Preis, sondern die Verlässlichkeit. Eine Trägerrakete, die bei jedem zehnten Start explodiere, sei nicht das, was der Kunde wolle. Chamussy setzt auf die neue Ariane 6, die 2020 an den Start gehen und die Kosten pro Kilo Nutzlast gegenüber der Ariane 5 halbieren soll.
Mehr Fragezeichen als Antworten hat der Chef von Airbus Space im Hinblick auf die bemannte Raumfahrt. Offiziell endet der Betrieb der Internationalen Raumstation ISS 2022. Ein Weiterbetrieb sei bis 2028 möglich. Was dann kommt, sei offen. Am Ende müssten die beteiligen Nationen entscheiden. Einen neuen Wettlauf um eine Außenposition der Menschheit auf dem Mond oder dem Mars will Chamussy nicht ausschließen. „Raumfahrt hat Zukunft“, sagt der Franzose, weil Kommunikation, Navigation, Erderkundung, Wettervorhersagen, Klima- und Umweltforschung ohne Satelliten nicht mehr vorstellbar sind. Außerdem, und auch daran lässt Chamussy keinen Zweifel, werde der Drang des Menschen, immer wieder Grenzen zu überschreiten, nicht nachlassen.