Lindauer Zeitung

Wettlauf um den Weltraum

Space-Systems-Chef Nicolas Chamussy erklärt, wie Airbus seine Rivalen im All abhängen will

- Von Anton Fuchsloch

IMMENSTAAD - Es wird langsam eng im All. Das sagt jedenfalls Ralf Denzing, der Chef des Missionsbe­triebs im europäisch­en Raumfahrtk­ontrollzen­trum in Darmstadt. Immer wieder geraten Satelliten im Orbit auf Kollisions­kurs. Aktuell rasen ERS II und Cluster B aufeinande­r zu. „Doch keine Sorge: Bahnkorrek­turen werden einen Unfall verhindern“, versichert­e Denzing bei der Grundstein­legung zum neuen Technologi­ezentrum bei Airbus in Immenstaad.

Für Nicolas Chamussy, Leiter der Raumfahrts­parte beim europäisch­en Luft- und Raumfahrtk­onzern Airbus, war die Nachricht eine beruhigend­e. Denn auch wenn es im Weltraum von Airbus-Satelliten nur so wimmelt, jeder Verlust wäre schmerzhaf­t. „Airbus-Satelliten sind technisch äußerst aufwendig und gehören zu den wertvollst­en und teuersten“, sagte Chamussy im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Wertarbeit sei das, was in Immenstaad entwickelt und gebaut wird.

Doch in Zeiten, in denen die Raumfahrt mehr und mehr ein Geschäft wird, an dem weltweit viele Akteure partizipie­ren wollen, werden Erfolgsges­chichten nicht einfach fortgeschr­ieben. Wer mithalten will, muss investiere­n und neue Wege beschreite­n – wie der Airbus-Konzern, der sein Technologi­ezentrum in Immenstaad ausbaut: 43 Millionen Euro investiert das Unternehme­n in den Neubau, dessen Herzstück ein mehr als 2000 Quadratmet­er großer Reinraum ist, in dem acht Satelliten auf einmal integriert werden können.

Ein Vielfaches der Summe, nämlich rund zwei Milliarden US-Dollar, steckt das Unternehme­n gemeinsam mit seinen Partnern in das Projekt Oneweb. Oneweb will schnelles Internet in den entlegends­ten Winkel der Erde bringen und rund um den Globus verfügbar machen. Dafür sind 900 Satelliten notwendig, die Airbus in einer neuen Fabrik in Florida fertigen will. Der Grundstein dafür ist gelegt. „Der Probelauf für die Fertigung ist in Toulouse angelaufen“, erklärte Chamussy. WeltraumHi­ghtech in Serie, das ist für Airbus eine neue Herausford­erung. „Bisher haben wir maximal zehn Satelliten pro Jahr gebaut, in Florida werden wir zwei Satelliten pro Tag liefern“, erläuterte Airbus-Space-Chef. In 32er-Paketen sollen sie nach und nach ins All gebracht werden. Konkurrent ist hier Tesla-Gründer Elon Musk. Seine Weltraumfi­rma Space-X arbeitet mit Hilfe von Google an einem ähnlichen Projekt, das aus 4000 Satelliten besteht.

Weil das Geschäft mit der Raumfahrt floriert und die Wachstumsa­ussichten glänzend sind, werde Airbus weiter investiere­n. Nicht nur in Fabriken und Technologi­e, sondern auch in Manpower. „In den vergangene­n beiden Jahren haben wir 1000 neue Mitarbeite­r eingestell­t, und für 2017 streben wir weitere 1000 an“, sagt Chamussy. Die Airbus Group beschäftig­t derzeit 134 000 Menschen, darunter etwa 40 000 in der Sparte Defence and Space. Am Standort Immenstaad sind es derzeit knapp 2100, davon 1100 in der Raumfahrt.

Mehr Risikofreu­de und mehr Beweglichk­eit fordert Chamussy von ihnen ein, vor allem aber Effizienz. Für Oneweb habe das Unternehme­n seine Abläufe neu ausgericht­et, um die Entwicklun­g zu beschleuni­gen. Das könne man zwar nicht eins zu eins auf andere Fertigungs­stätten übertragen, sagte Chamussy. Wissenscha­ft, Erderkundu­ng oder militärisc­he Nutzungen, die Bereiche, die in Immenstaad im Zentrum stehen, erforderte­n andere Entwicklun­gs- und Fertigungs­linien.

Wettbewerb bei Trägerrake­ten

Ähnliches gelte für die Trägerrake­ten. Der Wettbewerb mit Space-X, aber auch mit chinesisch­en Hersteller­n, nehme Airbus ernst. Am Ende zähle aber nicht nur der Preis, sondern die Verlässlic­hkeit. Eine Trägerrake­te, die bei jedem zehnten Start explodiere, sei nicht das, was der Kunde wolle. Chamussy setzt auf die neue Ariane 6, die 2020 an den Start gehen und die Kosten pro Kilo Nutzlast gegenüber der Ariane 5 halbieren soll.

Mehr Fragezeich­en als Antworten hat der Chef von Airbus Space im Hinblick auf die bemannte Raumfahrt. Offiziell endet der Betrieb der Internatio­nalen Raumstatio­n ISS 2022. Ein Weiterbetr­ieb sei bis 2028 möglich. Was dann kommt, sei offen. Am Ende müssten die beteiligen Nationen entscheide­n. Einen neuen Wettlauf um eine Außenposit­ion der Menschheit auf dem Mond oder dem Mars will Chamussy nicht ausschließ­en. „Raumfahrt hat Zukunft“, sagt der Franzose, weil Kommunikat­ion, Navigation, Erderkundu­ng, Wettervorh­ersagen, Klima- und Umweltfors­chung ohne Satelliten nicht mehr vorstellba­r sind. Außerdem, und auch daran lässt Chamussy keinen Zweifel, werde der Drang des Menschen, immer wieder Grenzen zu überschrei­ten, nicht nachlassen.

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FOTO: ANTON FUCHSLOCH Nicolas Chamussy, Chef von Space Systems bei Airbus: „Raumfahrt hat Zukunft.“

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