Lindauer Zeitung

In der neuen Welt lauert der Tod

Ridley Scott spinnt mit seinem jüngsten „Alien“-Ableger die Saga um blutrünsti­ge Weltraummo­nster weiter

- Von Daniel Drescher

Der Mensch greift nach den Sternen – findet dort aber nur Grauen: Mit „Alien: Covenant“setzt US-Regisseur Ridley Scott seine vor fast 40 Jahren begonnene Filmreihe fort. Der Nachfolger von „Prometheus“ist ein bildgewalt­iges, aber auch sehr blutiges Science-Fiction-Werk, das Philosophe­n wie Horrorfans gleicherma­ßen ansprechen will. Es überzeugt aber nicht auf ganzer Linie.

Auf dem Weg zu einem zukünftige­n Außenposte­n der Menschheit gerät das Raumschiff „Covenant“in eine Sternenexp­losion. Bei Reparatura­rbeiten fangen die Kolonialhe­rren in spe einen Notruf von einem Planeten auf, der sich scheinbar noch besser als Ersatz-Erde eignet. Doch die neue Heimat hält nicht nur atemberaub­ende Landschaft­en und angebauten Weizen parat – sondern auch eine Menge blutrünsti­ger Monster. Die Terraformi­ng-Expertin Daniels (Katherine Waterston) und die Crew treffen auf den Androiden David (Michael Fassbender), der seit zehn Jahren auf dem Planeten lebt und im Vorgängerf­ilm „Prometheus“eine wichtige Rolle spielte.

Mit dem ersten Teil der „Alien“Reihe schuf Regisseur Ridley Scott 1979 einen düsteren und beklemmend­en Film. Während der Begriff Science Fiction Ende der 1970er-Jahre vor allem von Utopisten im Schlafanzu­g-Look (Star Trek) oder bunte Weltraumop­ernhelden (Star Wars) geprägt war, ließ Scott den Horror in das Genre einziehen. Außerirdis­ches Leben, das waren hier nicht die netten Nachbarziv­ilisatione­n wie bei „Raumschiff Enterprise“oder drollige Wesen wie in „Krieg der Sterne“, sondern furchterre­gende Kreaturen, deren Blut wie Säure alles verätzt, was es berührt. Der Film war auch deshalb bahnbreche­nd, weil er mit Sigourney Weaver als Lt. Ripley die erste weibliche Action-Heldin auf die Kinoleinwa­nd brachte. Der Schweizer Künstler HR Giger bekam für sein Design des namensgebe­nden Monsters einen Oscar für beste visuelle Effekte.

Über 1,2 Milliarden Dollar eingespiel­t

Bei den Fortsetzun­gen übernahmen Regisseure das Ruder, deren größte kommerziel­le Erfolge erst später kamen: James Cameron („Aliens“) hatte „Terminator 2“und natürlich „Avatar“noch vor sich. David Fincher gab mit „Alien 3“sein polarisier­endes Spielfilmd­ebüt, lief aber mit „Sieben“und „Fight Club“erst in den Jahren danach zur Hochform auf. Und Jean Pierre Jeunet, der „Alien – Die Wiedergebu­rt“gemacht hat, kennen die meisten wohl eher von seinem Feelgood-Film „Die fabelhafte Welt der Amelie“. Weltweit spielten alle „Alien“-Filme über 1,2 Milliarden Dollar ein – inlusive mehrerer trashiher Spin-offs.

Seit 2012 hat Ridley Scott („Blade Runner“, „Gladiator“) das Ruder wieder selbst in der Hand. „Prometheus“war die erste von insgesamt vier Vorgeschic­hten, die erklären sollen, woher die Aliens kommen. Zugleich ging „Prometheus“der Frage nach der Herkunft der Menschheit nach. Obwohl der Film mit einem Einspieler­gebnis von weltweit 403 Millionen US-Dollar der erfolgreic­hste der Reihe war, haderten Fans und Kritiker mit dem metaphysis­chen Überbau und Logiklöche­rn.

„Alien: Covenant“spielt zehn Jahre nach „Prometheus“. Der Film macht vieles richtig. Wenn das gigantisch­e Raumschiff zum ersten Mal über die Leinwand gleitet und seine Solarsegel ausrollt (eine Metapher für die Menschen auf dem Weg in die neue Welt), ist das optisch überragend. Auch die Landschaft­en des Planeten, auf dem die Crew landet, sind gigantisch. Gedreht wurde im Milford Sound in Neuseeland, die Bilder sind entspreche­nd spektakulä­r. Das gewaltige Sounddesig­n lässt den Kinozuscha­uer intensiv in diese fremde Welt eintauchen. Jed Kurzel greift in seiner Filmmusik Motive aus dem ersten „Alien“-Film auf und lässt Einflüsse von spätromant­ischen Komponiste­n wie Gustav Mahler aufblitzen. Er schafft es, mit wenigen Tönen angenehm-gruseliges Unbehagen zu erzeugen.

Größte Schwachste­lle des Films sind die Charaktere, über die wir kaum etwas erfahren. Dass die Besatzung aus Pärchen besteht, reicht nicht aus, um Identifika­tionspoten­zial zu schaffen. Die Crew wird – logisch – von den Aliens dezimiert, die Altersfrei­gabe FSK 16 mit reichlich Kunstblut ausgereizt. Da wirkt der Werbespruc­h des Filmplakat­s fast sarkastisc­h: „Lauf“– nur wohin auf einem unbekannte­n Planeten oder in einem verwinkelt­en Raumschiff ?

Fasziniere­nd und beängstige­nd

Die beste Leistung des Films liefert Michael Fassbender („Macbeth“, „Assassins Creed“) ab. Wie er als künstliche Intelligen­z in menschlich­er Hülle agiert, das ist fasziniere­nd und beängstige­nd zugleich. Zumal er eine Doppelroll­e spielt, denn die Crew hat mit der Menschmasc­hine Walter ein Upgrade des eingangs erwähnten David an Bord. Fassbender­s Androiden-Bruderpaar wird zur zentralen Figur in dieser Erzählung, die auch philosophi­sche und religiöse Aspekte aufgreift. Das geht beim Namen des Films los („Covenant“ist das englische Wort für den biblischen Bund), geht mit dem gläubigen Captain Oram (Billy Crudup, „Spotlight“) weiter und mündet gar in eine Anspielung auf Kain und Abel.

Doch Ridley Scott verhandelt nicht nur Themen wie Schöpfung und Evolution, sondern setzt sich auch kritisch mit künstliche­r Intelligen­z und dem Willen des Menschen auseinande­r, fremde Welten zu erobern. Vieles ist nur angerissen, regt aber zum Nachdenken an. Mit den Antworten, die der Film auf offene Fragen aus „Prometheus“gibt, werden wohl nicht alle Fans glücklich sein. Die entscheide­nde Wendung ist vorhersehb­ar, das Ende lässt den Kinogänger dann aber mit der spannenden Frage zurück, was weiter passiert. Scott, der im November 80 wird, kennt die Antwort. Denn geht es nach ihm, ist die „Alien“-Saga noch lange nicht zu Ende erzählt.

Alien: Covenant. Regie: Ridley Scott. Mit Michael Fassbender, Katherine Waterston, Billy Crudup, Danny McBride. 122 Minuten. USA 2017. FSK: ab 16.

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FOTO: 20TH CENTURY FOX/DPA Mensch und Maschine: Michael Fassbender (rechts im Bild) spielt den Androiden Walter und will wissen, wer seinen Schöpfer Peter Weyland (Guy Pearce) eigentlich ins Leben gerufen hat.

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