In der neuen Welt lauert der Tod
Ridley Scott spinnt mit seinem jüngsten „Alien“-Ableger die Saga um blutrünstige Weltraummonster weiter
Der Mensch greift nach den Sternen – findet dort aber nur Grauen: Mit „Alien: Covenant“setzt US-Regisseur Ridley Scott seine vor fast 40 Jahren begonnene Filmreihe fort. Der Nachfolger von „Prometheus“ist ein bildgewaltiges, aber auch sehr blutiges Science-Fiction-Werk, das Philosophen wie Horrorfans gleichermaßen ansprechen will. Es überzeugt aber nicht auf ganzer Linie.
Auf dem Weg zu einem zukünftigen Außenposten der Menschheit gerät das Raumschiff „Covenant“in eine Sternenexplosion. Bei Reparaturarbeiten fangen die Kolonialherren in spe einen Notruf von einem Planeten auf, der sich scheinbar noch besser als Ersatz-Erde eignet. Doch die neue Heimat hält nicht nur atemberaubende Landschaften und angebauten Weizen parat – sondern auch eine Menge blutrünstiger Monster. Die Terraforming-Expertin Daniels (Katherine Waterston) und die Crew treffen auf den Androiden David (Michael Fassbender), der seit zehn Jahren auf dem Planeten lebt und im Vorgängerfilm „Prometheus“eine wichtige Rolle spielte.
Mit dem ersten Teil der „Alien“Reihe schuf Regisseur Ridley Scott 1979 einen düsteren und beklemmenden Film. Während der Begriff Science Fiction Ende der 1970er-Jahre vor allem von Utopisten im Schlafanzug-Look (Star Trek) oder bunte Weltraumopernhelden (Star Wars) geprägt war, ließ Scott den Horror in das Genre einziehen. Außerirdisches Leben, das waren hier nicht die netten Nachbarzivilisationen wie bei „Raumschiff Enterprise“oder drollige Wesen wie in „Krieg der Sterne“, sondern furchterregende Kreaturen, deren Blut wie Säure alles verätzt, was es berührt. Der Film war auch deshalb bahnbrechend, weil er mit Sigourney Weaver als Lt. Ripley die erste weibliche Action-Heldin auf die Kinoleinwand brachte. Der Schweizer Künstler HR Giger bekam für sein Design des namensgebenden Monsters einen Oscar für beste visuelle Effekte.
Über 1,2 Milliarden Dollar eingespielt
Bei den Fortsetzungen übernahmen Regisseure das Ruder, deren größte kommerzielle Erfolge erst später kamen: James Cameron („Aliens“) hatte „Terminator 2“und natürlich „Avatar“noch vor sich. David Fincher gab mit „Alien 3“sein polarisierendes Spielfilmdebüt, lief aber mit „Sieben“und „Fight Club“erst in den Jahren danach zur Hochform auf. Und Jean Pierre Jeunet, der „Alien – Die Wiedergeburt“gemacht hat, kennen die meisten wohl eher von seinem Feelgood-Film „Die fabelhafte Welt der Amelie“. Weltweit spielten alle „Alien“-Filme über 1,2 Milliarden Dollar ein – inlusive mehrerer trashiher Spin-offs.
Seit 2012 hat Ridley Scott („Blade Runner“, „Gladiator“) das Ruder wieder selbst in der Hand. „Prometheus“war die erste von insgesamt vier Vorgeschichten, die erklären sollen, woher die Aliens kommen. Zugleich ging „Prometheus“der Frage nach der Herkunft der Menschheit nach. Obwohl der Film mit einem Einspielergebnis von weltweit 403 Millionen US-Dollar der erfolgreichste der Reihe war, haderten Fans und Kritiker mit dem metaphysischen Überbau und Logiklöchern.
„Alien: Covenant“spielt zehn Jahre nach „Prometheus“. Der Film macht vieles richtig. Wenn das gigantische Raumschiff zum ersten Mal über die Leinwand gleitet und seine Solarsegel ausrollt (eine Metapher für die Menschen auf dem Weg in die neue Welt), ist das optisch überragend. Auch die Landschaften des Planeten, auf dem die Crew landet, sind gigantisch. Gedreht wurde im Milford Sound in Neuseeland, die Bilder sind entsprechend spektakulär. Das gewaltige Sounddesign lässt den Kinozuschauer intensiv in diese fremde Welt eintauchen. Jed Kurzel greift in seiner Filmmusik Motive aus dem ersten „Alien“-Film auf und lässt Einflüsse von spätromantischen Komponisten wie Gustav Mahler aufblitzen. Er schafft es, mit wenigen Tönen angenehm-gruseliges Unbehagen zu erzeugen.
Größte Schwachstelle des Films sind die Charaktere, über die wir kaum etwas erfahren. Dass die Besatzung aus Pärchen besteht, reicht nicht aus, um Identifikationspotenzial zu schaffen. Die Crew wird – logisch – von den Aliens dezimiert, die Altersfreigabe FSK 16 mit reichlich Kunstblut ausgereizt. Da wirkt der Werbespruch des Filmplakats fast sarkastisch: „Lauf“– nur wohin auf einem unbekannten Planeten oder in einem verwinkelten Raumschiff ?
Faszinierend und beängstigend
Die beste Leistung des Films liefert Michael Fassbender („Macbeth“, „Assassins Creed“) ab. Wie er als künstliche Intelligenz in menschlicher Hülle agiert, das ist faszinierend und beängstigend zugleich. Zumal er eine Doppelrolle spielt, denn die Crew hat mit der Menschmaschine Walter ein Upgrade des eingangs erwähnten David an Bord. Fassbenders Androiden-Bruderpaar wird zur zentralen Figur in dieser Erzählung, die auch philosophische und religiöse Aspekte aufgreift. Das geht beim Namen des Films los („Covenant“ist das englische Wort für den biblischen Bund), geht mit dem gläubigen Captain Oram (Billy Crudup, „Spotlight“) weiter und mündet gar in eine Anspielung auf Kain und Abel.
Doch Ridley Scott verhandelt nicht nur Themen wie Schöpfung und Evolution, sondern setzt sich auch kritisch mit künstlicher Intelligenz und dem Willen des Menschen auseinander, fremde Welten zu erobern. Vieles ist nur angerissen, regt aber zum Nachdenken an. Mit den Antworten, die der Film auf offene Fragen aus „Prometheus“gibt, werden wohl nicht alle Fans glücklich sein. Die entscheidende Wendung ist vorhersehbar, das Ende lässt den Kinogänger dann aber mit der spannenden Frage zurück, was weiter passiert. Scott, der im November 80 wird, kennt die Antwort. Denn geht es nach ihm, ist die „Alien“-Saga noch lange nicht zu Ende erzählt.
Alien: Covenant. Regie: Ridley Scott. Mit Michael Fassbender, Katherine Waterston, Billy Crudup, Danny McBride. 122 Minuten. USA 2017. FSK: ab 16.