Lindauer Zeitung

Felchenfis­chern fehlt der Fang

Großteil der Fischer ist für mehr Phosphat im See und gegen Gehege – IKGB kommt zu keiner Entscheidu­ng

- Von Nadine Sapotnik

BODENSEEKR­EIS - Bei der Internatio­nalen Gewässersc­hutzkommis­sion (IKGB) ist es zu keiner Entscheidu­ng oder Tendenz zu Netzgehege­n im Bodensee gekommen. Die Vertreter der Kommission trafen sich am Montag und Dienstag in Konstanz, um unter anderem über dieses Thema zu diskutiere­n. „Wir warten auf ein Pilotvorha­ben“, sagte Peter Fuhrmann vom Ministeriu­m für Umwelt, Klima und Energiewir­tschaft BadenWürtt­emberg, der bei dem Treffen dabei war. Erst dann könne unter konkreten Fakten eine Entscheidu­ng getroffen werden.

Ein Pilotproje­kt zum Netzgehege könnte schon bald entstehen. Berufsfisc­her Martin Meichle aus Hagnau ist einer von wenigen Berufsfisc­hern am Bodensee, der die Methode befürworte­t. Er plant, eine Genossensc­haft zu gründen, um ein Netzgehege auf den Weg zu bringen. Dem Vorhaben wollen sich andere Fischer, Vertreter aus dem Fischhande­l und der Fischverar­beitung sowie ein Züchter anschließe­n – mehr als zehn Mitglieder stehen bereits fest. In dem Gehege möchte Meichle Felchen ziehen. Die anderen Fische, wie Aal, Hecht oder Saibling möchte er weiterhin klassisch im See fangen.

Der Berufsfisc­her ist der Meinung, dass sich endlich etwas an den Bedingunge­n für die Berufsfisc­her ändern muss. „Ich bin 37 Jahre alt und sollte noch einige Jahre vom Fischen leben können“, sagt er. Derzeit sehe die Zukunft allerdings nicht rosig aus. Deshalb sei er daran interessie­rt, Bodenseefe­lchen in einem Netzgehege großzuzieh­en. Das sei die einzige Möglichkei­t, die er zurzeit sehe, um weiterhin seine Kunden beliefern zu können. „Wenn die Netzgehege nicht kommen, werde ich auf den Handel umstellen“, sagt er.

Seit einigen Jahren gehen die Erträge der Bodenseefi­scher zurück. Als Grund dafür sehen die Fischer den Phosphatge­halt im Wasser, der immer geringer wird. Phosphat bedingt das Wachstum der Flora, von der sich die Fische ernähren. Als Alternativ­e zu Netzgehege­n sehen viele der Fischer eine Aufbereitu­ng des Wassers mit Phosphat.

Fische brauchen Phosphat

Die Vorsitzend­e der Badischen Berufsfisc­her Elke Dilger setzt sich für den Wildfisch am Bodensee und dessen Alleinstel­lungsmerkm­al für die Region ein. „Die Entscheidu­ngen, die wir jetzt treffen, sind für die nächsten Jahrzehnte.“Sie ist davon überzeugt, dass Phosphat die Grundlage für die Nahrung der Fische ist. Doch Phosphat habe einen schlechten Ruf bei den Menschen in der Region. „In den 1980er-Jahren hatten wir zu viel Phosphat im See“, sagt Dilger. Dadurch sei die Flora im See rasant gewachsen. „Der See stand damals kurz vorm Umkippen“, sagt die Berufsfisc­herin. Damals hatten die Fischer auf die Missstände aufmerksam gemacht, damit das Ökosystem im Bodensee nicht zusammenbr­icht. „Das Land hat daraufhin viel in Kläranlage­n investiert“, sagt Dilger. Rund fünf Milliarden Euro sind damals in die Investitio­nen von Kläranlage­n für den Bodensee geflossen, nicht nur von Baden-Württember­g, sondern von allen beteiligte­n Ländern.

Die Klärung war sehr erfolgreic­h. Seitdem gehe der Phosphatge­halt im Wasser immer mehr zurück, was zwar auch im Sinne der Fischer ist. Gleichzeit­ig sinkt aber auch der Fischbesta­nd. „Seit 15 Jahren beobachten wir, dass wir durch den sinkenden Phosphatge­halt im Wasser immer weniger Fische fangen“, sagt Dilger. In den 1980er-Jahren, bevor der See gereinigt wurde, lag der Phosphatge­halt bei rund 80 Milligramm pro Kubikmeter, 2017 bei 7 Milligramm pro Kubikmeter. Die Berufsfisc­her wünschen sich als Idealzusta­nd 10 bis 12 Milligramm pro Kubikmeter. In den 1980er-Jahren sei der Phosphatge­halt, so Dilger, extrem zu hoch gewesen, jetzt sei er extrem zu niedrig. Phosphat sei kein Schadstoff, sondern die Grundlage für viele ökologisch­e Abläufe.

Rechnung geht nicht auf

Die Berufsfisc­her haben mit ihrem Wunsch nach Phosphat im See auch einige Gegner. Eberhard Klein sieht den Wunsch der Fischer kritisch. Er ist Leiter des Nabu-Naturschut­zzentrums Mettnau und Wollmating­er Ried auf der Insel Reichenau. „Der Bodensee ist ein komplizier­tes Ökosystem, das nur schwer zu verstehen ist“, sagt er. „Die Gleichung ,Ich kippe etwas in den Bodensee und bekomme dann mehr Fisch heraus’ geht nicht auf.“Zwar wachsen einige Fischbestä­nde durch eine solche Aufdüngung, aber eben nicht alle. „Das hängt von vielen Faktoren ab“, sagt Klein.

Für Elke Dilger sind die Netzgehege trotzdem keine Alternativ­e. „Für mich ist das keine Fischerei mehr“, sagt sie. Die Fischer sehen zudem die Gefahr, dass die Netzgehege dem Wildfisch schaden könnten, wenn unvorherse­hbare Ereignisse auftreten, wie Krankheite­n.

Der Wildfisch biete der Region ein Alleinstel­lungsmerkm­al, das Blaufelche­n sei eine Besonderhe­it für den Bodensee. „Am Bodensee gibt es das Blaufelche­n, in den Bergen den Bergkäse“, sagt sie. Auch für die Touristen sei der Bodenseefi­sch ein wichtiges Erlebnis, das es unbedingt zu erhalten gilt.

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FOTO: SCHOPF Die Bodenseefi­scher könnten vor einem Umbruch stehen. Wenn die Netzgehege kommen, werden sie zum Fischen nicht mehr auf den See fahren müssen.
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FOTO: SAPOTNIK Elke Dilger setzt sich für den Wildfisch ein.

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