30 Nobelpreisträger kommen nach Lindau
Chemie steht im Mittelpunkt der 67. Nobelpreisträgertagung
(lz) - 30 Nobelpreisträger und 400 Nachwuchswissenschaftler aus aller Welt nehmen an der 67. Nobelpreisträgertagung in Lindau statt. Wegen der Bauarbeiten der Inselhalle findet die Tagung erneut im Stadttheater statt. In einer Pressemitteilung informieren die Veranstalter über die Kernthemen in diesem Jahr, die der Chemie gewidmet sind.
Big Data in der Chemie
Chemiker generieren permanent neue Datensätze, die Strukturen und Verhalten von Molekülen beschreiben und berechnen. So zum Beispiel der Nobelpreisträger Kurt Wüthrich, der die Struktur und Interaktionen von Biomolekülen mithilfe der Kernspinresonanz untersucht. Auch bei der Röntgenstrukturanalyse, mit welcher die Nobelpreisträger Johann Deisenhofer, Robert Huber und Hartmut Michel das Reaktionszentrum der Photosynthese erforschten, entstehen riesige Datensätze. In den letzten Jahren hat die Menge an Informationen, die frei zugänglich sind, drastisch zugenommen: Millionen chemischer Substanzen, Strukturen und Reaktionen sind in öffentlichen Datenbanken gelistet. Neue Technologien sollen dabei helfen, die stetig steigenden Datenmengen zu speichern, zu filtern und auszuwerten, damit Chemiker nützliche Informationen aus den riesigen Datensätzen herausziehen können.
Grüne Chemie
Grüne Chemie soll die Umwelt schonen, indem sie Energie spart und die Freisetzung umweltschädlicher Stoffe reduziert. Der Chemienobelpreisträger Richard Schrock zum Beispiel hat neue Methoden entwickelt, die Prozesse der organischen Synthese umweltfreundlicher machen. Dank der Erkenntnis des Nobelpreisträgers Mario Molina wurde die Nutzung von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) verboten, wodurch sich die von FCKWs angegriffene Ozonschicht langsam wieder regeneriert. Ein noch größeres Umweltproblem ist die Erderwärmung. Auf der Lindauer Tagung diskutieren die Forscher, wie Grüne Chemie dem Klimawandel entgegenwirken kann.
Molekulare Maschinen
Menschliche Zellen produzieren molekulare Maschinen: Sie transportieren Stoffe, stellen Biomoleküle her, die Menschen zum Leben brauchen, und sorgen dafür, dass Menschen sich bewegen können. Eine der wichtigsten dieser biomolekularen Maschinen ist das Ribosom, das für die Produktion von Proteinen in jeder lebendigen Zelle verantwortlich ist. Auch in der synthetischen Chemie spielen winzige Maschinen eine große Rolle: Chemiker haben molekulare Motoren, Propeller und Schalter im Reagenzglas hergestellt. Solche Nanomaschinen könnten in der Herstellung neuer Materialien, Sensoren und Energiespeicher Verwendung finden. Für die Entwicklung molekularer Maschinen wurden Bernard Feringa, Jean-Pierre Sauvage und Sir Fraser Stoddart 2016 mit dem Chemienobelpreis ausgezeichnet. Feringa und Sauvage werden nach Lindau kommen.
Postfaktisches Zeitalter
Das Wort „postfaktisch“spiegelt einen weltweiten politischen Wandel wider: Persönlicher Glauben scheint die öffentliche Meinung stärker zu prägen als objektive Fakten. Politiker verbreiten „alternative Fakten“und stellen sie auf eine Stufe mit evidenzbasierter Wissenschaft. Als Gegenbewegung soll der sogenannte Science March Millionen von Menschen dazu bewegen, auf die Straße zu gehen, um auf die wichtige Rolle der Wissenschaft in der Gesellschaft aufmerksam zu machen. Wissenschaftler müssen verstärkt in den öffentlichen Dialog treten. Wie Wissenschaft wieder an Glaubwürdigkeit gewinnt – auch darum geht es bei dem Lindauer Treffen.