Der in der Kirche den Führerschein einkassierte
Pfarrer Helmut Bertele feiert seinen 80. Geburtstag
- Zu Ehren seines eigenen Geburtstages hat er seinen silbernen Schautaler angelegt und Bürgermeister Karl Schober hat ihn nicht gekannt – also nicht den Jubilar, sondern diese Lindauer Auszeichnung. Dabei hat Helmut Bertele nicht nur den silbernen Schautaler erhalten, sondern auch den goldenen. Jetzt feierte der langjährige Pfarrer von Oberreitnau, St. Ludwig und St. Johannes der Täufer seinen 80. Geburtstag.
Seit 49 Jahren ist Bertele in seiner Pfarrei sesshaft, eigentlich seine einzige, die er nach seiner Kaplanzeit innegehabt hat. Der zwischen Memmingen und Immenstadt, genau in Weiler, geborene Bertele besuchte in Illertissen das Gymnasium, wo er mit seinem Klassenlehrer auf Kriegsfuß stand. Daher wollte er nach der mittleren Reife raus und Bergwerksingenieur werden. Da kam aber der frühe Tod des Pfarrers in seiner Gemeinde dazwischen, mit 42 Jahren verstarb dieser. Als der 16-jährige Helmut, wie damals üblich, am Totenbett des Geistlichen stand, erlebte er seine Berufung. Entgegen der Vorbehalte seitens der Gymnasiallehrer kehrte er zurück in die Schule, machte sein Abitur und machte sich auf den Weg, der zum Priester führte.
Auch der war für ihn nicht immer einfach. Seine erste Pfarrei, in der er als Kaplan antrat, befand sich bei Schrobenhausen. In der Hopfen- und Spargelbauernecke kam ein Bauer nur zum Pfarrer, wenn eine Hochzeit, Taufe oder Beerdigung anstand. „Hier trugen die Bauern noch Ziehharmonikastiefel“, erinnert sich Bertele, „hier ist die Heimat von Ludwig Thoma.“Ende des 1960er Jahre kam Bertele dann nach Lindau in die Pfarrei St. Ludwig, wo er die Katholiken in Schachen und Bodolz mitversorgte, dort Kirche und Kindergarten baute, die am 17. Oktober 1971 eingeweiht wurden. Von 1980 bis 1995 kam Oberreitnau hinzu, eine spannende Zeit, wie er und Karl Schober sich erinnern.
Als Oberreitnauer sich traurig darüber zeigten, dass ihnen das fehlende Licht im Pfarrhaus jeden Abend zeige, dass sie keinen Pfarrer mehr hätten, zog er jeweils für eine halbe Woche ins Oberreitnauer Pfarrhaus, die anderen Nächte verbrachte er in Schachen. In seiner Oberreitnauer Zeit entstand das Liberatushaus, das auch heute noch ein wichtiger Versammlungsund Veranstaltungsort ist, wie Schober betont, und gut 42 Wohnungen. „Ich wollte meine Pfarrei immer so ausstatten, dass sie von Augsburg weitestgehend unabhängig ist“, erklärt Bertele.
„Das waren meine besten 15 Jahre“, erinnert sich das Geburtstagskind gerne zurück – und muss lächeln. Denn er denkt an so manche Begegnung mit dem früheren Oberreitnauer Bürgermeister Franz Xaver Strodel, dem letzten der einstmals eigenständigen Gemeinde. Da wäre die goldene Hochzeit mit Strodels zweiter Ehefrau, Strodel selbst war da bereits sehr betagt. Seine Kinder lebten in Angst um ihren Vater, der immer noch Auto fuhr. Das packte Bertele in seine Predigt mit rein, indem er Strodel eröffnete, es wäre die „größte Freude, auch für Ihre Kinder, wenn Sie mir hier und jetzt Ihren Führerschein geben“. Was der goldene Bräutigam zum Erstaunen aller sofort tat.
Eines der wichtigsten Anliegen in Oberreitnau war für Helmut Bertele der Friedhof, der sollte eigentlich aufgelöst werden. Nun aber füllt sich auch der neue Friedhof, ehedem eine Obstwiese, wie Schober dem Seelsorger bestätigte.
Noch ein Schwank mit Strodel gefällig? Zum Beispiel der, als Helmut Bertele nach einer Abendmesse sich einsam im Altarraum fühlte und den Bürgermeister nach vorne bat. „Zeigen Sie mir Ihre Frau“, bat er ihn. Strodel erwiderte, er könne sie in dem Dämmerlicht nicht sehen. „Ich sehe euch überhaupt nicht, wenn ihr immer so weit hinten sitzt“, monierte der Pfarrer, worauf Franz Xaver Strodel beim nächsten Mal mit gutem Beispiel voranging und in der dritten Reihe Platz nahm – und alle ihm folgten.
Ein letztes Beispiel hier zeigt, mit welch tierischem Ernst Bertele zu Werke ging und sich so einen großen Kreis an Freunden und Bewunderern schaffte. Ihn störte irgendwann, dass in Oberreitnau die Männern nur rechts, die Frauen links saßen. Da versprach er, dem ersten Mann, der sich auf die linke Seite setze, eine Kiste Bier und prompt saßen in der nächsten Messe gleich sieben zwischen den Frauen. „Das wurde richtig teuer“, schmunzelt der pensionierte Pfarrer.
Irgendwann schwanden dem Pfarrer die Kräfte und so gab er Oberreitnau schließlich 1995 ab und behielt noch St. Johannes bis 1999, bis er in den vorgezogenen Ruhestand ging. Der tat ihm gut, er erholte sich sichtlich und nachhaltig, bis auf seine Augen. Und so konnte er vor Kurzem der offiziellen Einweihung des neuen Gartens im Kindergarten St. Johannes beiwohnen, nicht ohne seinen Kommentar dazuzugeben: „Ich hätte ihn gerne anders gestaltet, mit mehr Freiraum für die Fantasie der Kinder.“