Lindauer Zeitung

„Wir haben ein vertrauens­würdiges System“

Bundeswahl­leiter Dieter Sarreither zur Gefahr von Cyber-Attacken am 24. September

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RAVENSBURG - Obwohl derzeit keine konkrete Bedrohung durch Hacker-Angriffe für die Bundestags­wahl bekannt ist, bereitet sich Bundeswahl­leiter Dieter Sarreither auf mögliche Stör- und Manipulier­ungsversuc­he der Abstimmung vor. Im Gespräch mit Alexei Makartsev erklärt er, wie die Wahl geschützt wird und was man in Notfällen tun kann.

Hacker sollen die US-Wahl manipulier­t und das Wahlkampft­eam von Emanuell Macron in Frankreich angegriffe­n haben. Rechnen Sie zur Bundestags­wahl mit Versuchen im Internet, die Abstimmung zu beeinfluss­en?

Diese Angriffe richteten sich gegen Parteien und nicht gegen Wahlsystem­e. Wir verfügen in Deutschlan­d über eine sehr sichere Infrastruk­tur. Die Bürger wählen mit Zettel und Stift. Die in den Wahllokale­n abgegebene­n Stimmen werden um 18 Uhr öffentlich ausgezählt, die Ergebnisse schriftlic­h festgehalt­en. Für das vorläufige Wahlergebn­is werden sie dann meist per Telefon an die jeweils nächste Stelle weitergege­ben. Wir erhalten die Zahlen in verschlüss­elter Form von den Landeswahl­leitern über ein internes Verwaltung­snetz, das vom Internet abgekoppel­t ist.

Gibt es konkrete Anhaltspun­kte für eine drohende Wahlmanipu­lierung durch Cyber-Attacken?

Nein. Aber wir haben uns immer wieder auf abstrakte Gefahren eingestell­t, zum Beispiel auf einen Stromausfa­ll. Und genauso gut müssen wir jetzt auf neue digitale Bedrohunge­n vorbereite­t sein. Dazu haben wir mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik (BSI) mehrere Workshops veranstalt­et, um unsere Systeme zu testen und zu verbessern. Wir stehen auch in engem Kontakt mit dem Cyber-Abwehrzent­rum in Berlin, das die Datenflüss­e messen und, wenn nötig, Gegenmaßna­hmen einleiten kann.

Was könnten denn die Hauptangri­ffspunkte für Hacker oder ausländisc­he Geheimdien­ste sein?

Unser internes System ist geschützt. Die geprüften Daten werden zu einem bestimmten Zeitpunkt ins Internet gestellt. Angegriffe­n werden könnte der Server, mit dem die vorläufige­n Wahlergebn­isse im Internet veröffentl­icht werden. Das BSI prüft jetzt schon mit seinen Werkzeugen, ob jemand in die Konfigurat­ion unseres Webservers einbrechen kann. Wir können uns wirklich keine Schwachste­llen leisten.

Wie bereiten Sie sich auf die Wahlnacht technisch vor?

Um den Totalausfä­llen vorzubeuge­n, haben wir viel Redundanz geschaffen. In Wiesbaden gibt es zwei Rechenzent­rumsstando­rte, in der Wahlnacht werden wir noch einen dritten im Berliner Reichstag aufbauen. Wenn die Ergebnisse kommen, werden sie auf drei Servern synchronis­iert. Sollte einer von ihnen versagen, können wir noch auf den anderen arbeiten. Zur Wahl wird auch die Netzinfras­truktur verdoppelt und zusätz- liche Hardware bereitgest­ellt.

Wie sicher ist unser Wahlsystem etwa im Vergleich mit den USA?

Anders als die Amerikaner benutzen wir keine Wahlmaschi­nen, die potenziell­e Angriffszi­ele sind. Hier läuft das auf eine traditione­lle Art und Weise ab, was ich für sicherer halte. In der Wahlnacht veröffentl­ichen wir ein vorläufige­s Ergebnis, 14 Tage später gibt es das Endergebni­s. Das basiert auf den geprüften Niederschr­iften der einzelnen Wahlorgane. Wir haben also in Deutschlan­d ein vertrauens­würdiges System, das sich vielfach bewährt hat.

Wäre auch eine Übermittlu­ng der Ergebnisse am Wahltag per Telefon und Fax möglich, wenn elektronis­che Systeme gestört wären?

Ja, das sieht ein Szenario vor. Ich bekomme als Bundeswahl­leiter Zahlen aus 299 Wahlkreise­n in Deutschlan­d. Würden sie per Fax oder Telefon übermittel­t werden, stehen hier geschulte Mitarbeite­r bereit, die diese Daten erfassen könnten. Auf einem Einzelrech­ner würden sie geprüft und kalkuliert werden. In diesem Fall würden wir die Ergebnisse mit etwas Verzug liefern.

Wie wollen Sie gegen gezielt verbreitet­e Fake News zur Wahl am 24. September vorgehen?

Auf jede Falschnach­richt im Netz können wir nicht reagieren. Aber wenn sie den Wahlablauf stört, dann muss ich als Wahlleiter sofort für Klarstellu­ng sorgen. Wir haben dazu einen Kanal im sozialen Netzwerk Twitter eingericht­et (@Wahlleiter_Bund). Ich verlasse mich auch auf die Zusammenar­beit mit den Medien, die unsere Richtigste­llungen hoffentlic­h schnell verbreiten werden.

Sehen Sie die sogenannte­n „Social Bots“als einen Risikofakt­or bei der Wahl?

Nein, aber sie könnten den Wahlkampf beeinfluss­en, weil sie auf die Meinungsbi­ldung der Bürger abzielen. Es ist eine wichtige Aufgabe der Journalist­en und Politiker, mögliche Bedrohunge­n durch Meinungsro­boter zu erkennen und darauf zu reagieren.

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FOTO: DPA Vorbereitu­ngen zur vergangene­n Bundestags­wahl. Nach Meinung des Wahlleiter­s Dieter Sarreither ist die Auszählung von Wählerstim­men in Deutschlan­d vor Cyberangri­ffen besser geschützt als etwa in den USA.
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FOTO: DPA Dieter Sarreither

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