Lindauer Zeitung

Kirchentag ringt um eine Botschaft

- Von Esteban Engels und Michael Evers, dpa

A uf dem Evangelisc­hen Kirchentag suchen Deutschlan­ds Protestant­en nach Auswegen und Antworten in einer komplizier­ten Welt. Eines wird dabei klar: Die eine Botschaft gibt es nicht.

Am Ende hält es die Zuhörer nicht mehr auf ihren Papphocker­n. „Was Anderes soll uns retten, als die Vernunft?“, hatte gerade Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier auf dem Evangelisc­hen Kirchentag zum Abschluss einer beeindruck­enden Rede in die Menge gefragt. Er traf damit einen Nerv. Zwar wird immer wieder gemutmaßt, die Evangelisc­hen wünschten sich weniger Politik und mehr Spirituali­tät von ihren Kirchen. Doch die Sehnsucht nach Frieden, Gerechtigk­eit und Menschlich­keit in Zeiten von Populismus und vermeintli­ch einfachen Lösungen ist wohl noch immer wach.

Die eine gemeinsame Botschaft fanden die Teilnehmer dann vielleicht auch nicht – wohl aber Zusammenha­lt. Zum großen Abschlussg­ottesdiens­t in Wittenberg kamen am Sonntag 120 000 Gläubige.

„Du siehst mich“, lautete das Motto des Kirchentag­s. „Doch siehst Du mich wirklich“?, hallte es in dem Trubel zurück. In einen christlich­en Wohlfühlko­smos konnten sich die Besucher in ihren orangenen Schals nicht zurückzieh­en. Schon die Polizeiprä­senz am Messegelän­de mit Gepäckkont­rollen machte spürbar, dass niemand von der Terrorbedr­ohung ausgeklamm­ert ist. Mitten in das Gespräch mit dem Großimam der Kairoer Al-Azhar-Moschee über Frieden zwischen den Religionen platzte dann auch die Nachricht über den blutigen Anschlag auf koptische Christen in Ägypten.

Und dann war da noch Barack Obama: Zehntausen­de freuten sich über den Auftritt des früheren USPräsiden­ten. Superstar und Lichtgesta­lt am Brandenbur­ger Tor – schon am ersten Programmta­g erreichte der Kirchentag seinen Höhepunkt.

Bei einem Kirchentag im Festjahr des Reformatio­nsgedenken­s ging es natürlich auch um die Ökumene. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx bekräftigt­e unter großem Applaus den Willen zur Annäherung der beiden Kirchen in Deutschlan­d. „Wollen wir zusammenge­hen? Wir wollen es!“, sagte Marx bei einer Begegnung mit dem EKD-Ratsvorsit­zenden Heinrich Bedford-Strohm.

Ob von dem Kirchentag 500 Jahre nach der Reformatio­n ein Ruck ausgeht für die Kirchen, oder ob es eher ein Aufbäumen in einer Zeit mit schrumpfen­der Mitglieder­schaft und gesellscha­ftlicher Relevanz ist, muss sich noch zeigen. Nach vielen Foren und Aktionen zum Reformatio­nsgedenken quer durch Deutschlan­d kommt nämlich wieder der graue Alltag, in dem nicht nur leere Kirchenbän­ke den Verantwort­lichen Sorge bereiten.

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