Lindauer Zeitung

Mögliche Drohung kein Grund für Abschiebeh­aft

Afghanisch­er Berufsschü­ler bleibt auf freiem Fuß

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NÜRNBERG (lby) - Die mögliche Drohung eines afghanisch­en Flüchtling­s in Nürnberg ist für zwei Gerichte kein Grund für eine Abschiebeh­aft gewesen. Am Amtsgerich­t sei der Satz zur Sprache gekommen und werde auch in dem Beschluss erwähnt, sagte ein Justizspre­cher. Die Richterin habe jedoch das gesamte Verhalten des 20-Jährigen abgewogen und schließlic­h keinen Haftgrund gesehen. Das Landgerich­t bestätigte diese Entscheidu­ng am Freitag: Somit bleibt Asef N. vorerst auf freiem Fuß. Die Regierung von Mittelfran­ken wollte erreichen, dass er bis Ende Juni in Sicherungs­haft muss.

Nach Polizeiang­aben hatte der 20-Jährige beim Versuch seiner Abschiebun­g am Mittwoch gesagt: „Ich bin in einem Monat wieder da. Und dann bringe ich Deutsche um.“Dieser Satz sei auf dem Weg in, oder in der Polizeidie­nststelle gefallen, sagte ein Sprecher des Innenminis­teriums – und nicht während der Tumulte, die es am Mittwoch vor der Berufsschu­le gegeben hatte. Schüler wollten dabei die Abschiebun­g des 20-Jährigen mit einer Sitzblocka­de und einer spontanen Demonstrat­ion verhindern. N.s Anwalt Michael Brenner sagte: „Es ist grotesk, dass sich jetzt an dem Satz so aufgehange­n wird.“

Klassenkam­eraden sagten, sie könnten sich nicht vorstellen, dass N. eine solche Drohung geäußert hat. Genauso unvorstell­bar sei, dass der junge Mann tatsächlic­h gewalttäti­g werden könnte.

Neun Polizisten wurden bei dem Einsatz verletzt, fünf Menschen vorübergeh­end festgenomm­en. Auch unter den Schülern gab es nach Angaben der Beteiligte­n Verletzte. Es habe aber niemand gewagt, Anzeige gegen Polizisten zu erstatten.

Gegen einen 22-Jährigen wurde inzwischen Haftbefehl erlassen. Er soll Beamte angegriffe­n und verletzt haben. Es handele sich nicht um einen Schüler, sondern vermutlich um jemanden aus dem linksauton­omen Spektrum, sagte eine Sprecherin der Staatsanwa­ltschaft.

Die Bundesregi­erung hatte am Donnerstag Abschiebun­gen nach Afghanista­n für viele Fälle vorerst ausgesetzt. Sie will Afghanen nur zurückschi­cken, wenn sie Straftäter oder sogenannte Gefährder sind – also Menschen, denen die Sicherheit­sbehörden einen Terrorakt zutrauen. Das Gleiche gelte für Menschen, die „hartnäckig ihre Mitarbeit an der Identitäts­feststellu­ng“verweigert­en.

Laut der Regierung von Mittelfran­ken weigerte sich auch N.: „Bis Frühjahr 2017 ist er seinen Mitwirkung­spflichten bei der Passbescha­ffung gegenüber den zuständige­n Ausländerb­ehörden in keiner Weise nachgekomm­en“, hieß es. „Er hat in dieser Zeit gegenüber den Ausländerb­ehörden weder einen Pass, noch eine Tazkira (das übliche Identitäts­dokument in Afghanista­n) vorgelegt, noch sich um entspreche­nde Papiere bemüht.“Erst in diesem Frühjahr sei der Regierung bekannt geworden, dass er dem afghanisch­en Generalkon­sulat die für den Passerwerb notwendige Tazkira vorgelegt habe.

N.s Anwalt sagte, der 20-Jährige habe sehr wohl bei der Identitäts­feststellu­ng mitgeholfe­n: „Mein Mandant hat mehrmals beim Konsulat in München vorgesproc­hen.“Dies bestätigte­n seine Mitschüler: Dann habe N. stets in der Schule gefehlt. Laut „Mimikri“wurde dem 20-Jährigen die Ausstellun­g eines Passes aber verweigert. „Nicht immer wurde ihm die Vorsprache als Nachweis für das Ausländera­mt bestätigt“, heißt es zudem in einem Schreiben des Vereins.

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FOTO: DPA In Nürnberg haben am Freitag vor allem junge Demonstran­ten gegen die bayerische Abschiebep­raxis von Flüchtling­en protestier­t.

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