2050 gibt es sieben Hitzetage mehr
Klimaschutzexperte Hans-Jörg Barth erklärt den Wasserburgern die Auswirkungen des Klimawandels
WASSERBURG - Im Jahr 2050 ist Wasserburg zwar nicht die Gemeinde am Bodensee, in der Zitronenbäume blühen und Palmen die Uferpromenade säumen. Allerdings ändert sich bis dahin klimatisch einiges. Der Klimawandel ist in vollem Gange.
Was Donald Trump mit dem Ausstieg der USA aus dem Pariser Klimaabkommen verleugnet, veranschaulichte der Wissenschaftler und Leiter der EZA-Klimaschutzabteilung Hans-Jörg Barth auf Einladung des Wasserburger Energieteams gut 40 Interessierten im Bürgerbegegnungshaus umso deutlicher. Der Experte gab Bürgern und Gemeinde außerdem Tipps an die Hand, wie sie sich am besten vor den Auswirkungen schützen können und sagte: „So können wir nicht weitermachen.“
Gemeinde steht für Klimaschutz und investiert seit zehn Jahren
Wasserburg ist eine Gemeinde, die sich seit Jahren für den Klimaschutz engagiert. Die Gemeinde ist Träger des European Energy Award und hat seit der Gründung seines Energieteams vor zehn Jahren bereits insgesamt 200 000 Euro darin investiert. Zugrunde liegt diesem Engagement jene Überzeugung, die Bürgermeister Thomas Kleinschmidt bei seiner Einführung in den Abend mit den Worten formulierte: „Jeder Schritt bringt uns weiter, jede umweltbewusste Tat hat Auswirkungen.“
Und dafür ist es höchste Zeit. Denn wie Hans-Jörg Barth im Laufe seines Vortrags „Der Klimawandel in der Bodenseeregion – womit wir bis 2050 rechnen müssen“aufzeigen sollte, ist es eigentlich schon fünf vor zwölf. Um das erklärte Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens zu erreichen, nämlich, dass die Temperatur nicht mehr als zwei Grad, „lieber nur 1,5 Grad“, zunimmt, muss innerhalb der nächsten 30 Jahre und damit innerhalb nur einer Generation, der CO2-Ausstoß so gut wie komplett gestoppt werden. Eine riesige Herausforderung. „Die letzten Jahre sind wir schon nahe an das 1,5-Grad-Ziel rangekommen“, sagte Barth, nachdem er den Interessierten anhand einer wissenschaftlich fundierten Darstellung der Temperatursituation eindrucksvoll veranschaulicht hatte, wo die Menschheit heute steht.
„Zwischen 2035 bis 2040 haben wir das erreicht und dürfen kein CO2 mehr emittieren.“Die Politik müsste dafür sorgen, dass die Industrienationen ab 2040 ohne CO2 wirtschaften. Das sei ambitioniert. Auf die Frage eines Interessierten erklärte Barth, dass es ganz ohne CO2 nicht gehe. Selbst wenn Treib- und Brennstoffe ersetzt werden könnten, bliebe doch das CO2, das die Menschheit für die Produktion von Nahrungsmitteln ausstößt. Allerdings, so konkretisierte er, fallen heute auf jeden Bürger elf Tonnen CO2. „2050 dürften es nur noch zwei Tonnen sein.“Wie es in Wasserburg und rund um den Bodensee aussehen wird, wenn dies nicht geschieht, das machte der Klimaschutzexperte anhand von Klimamodellen deutlich. Dabei erklärte Barth, dass seit 1930 bayernweit ein jährlicher Temperaturanstieg zu beobachten sei. „Jedes Jahr ist mittlerweile ein Rekordjahr.“Dabei konzentriere sich die Erwärmung auf das Winterhalbjahr. Stattdessen sei beim Niederschlag nur wenig Veränderung sichtbar. „Aber die Art und Weise verändert sich.“
Aus diesen Trends der Vergangenheit zog Barth Schlüsse für die Zukunft und kam zu dem Ergebnis, dass die extrem warmen Ereignisse mehr und die extrem kalten weniger werden würden. Sei damit zu rechnen, dass es bis 2050 am See zwischen 1,0 und 1,25 Grad in den Sommermonaten wärmer werden würde, seien es im Winter 1,55 Grad bis 1,95 Grad. Während es mit sechs Dauerfrosttagen unwesentlich weniger Eistage geben wird als heute, müsse jedoch mit sieben Hitzetagen mehr gerechnet werden. Die Niederschläge nähmen im Winter leicht zu, im Sommer allerdings ab. „Man wird in der Landwirtschaft nicht um eine Bewässerung herumkommen“, prognostizierte er.
Weniger Regen stattdessen mehr Gewitter, Stürme und Hagel
Es werde weniger regnen, aber die Art der Niederschläge würden sich verändern – mehr Gewitter, Stürme, Hagel und Starkregen. Während Bauern mit Hagelnetzen vorsorgen könnten, könne sich die Gemeinde mit Retentionsbecken oder Flutmulden vor den Wassermassen schützen und der Flächenversiegelung entgegentreten. Die Bürger können sich durch den Einbau von Rückstausicherungen in ihren Häusern oder der Erhöhung von Lichtschächten schützen. Da der Klimawandel die Vegetationsperiode nach hinten verschiebt und den Pollenflug verlängert, sah Barth im Einbau von Lüftungsanlagen in Wohnhäusern eine Möglichkeit für Allergiker.
Als aktuellstes Beispiel für den Klimawandel nannte Barth das Wetterereignis vom April, wo der für diesen Monat nicht ungewöhnliche Frost die sehr wohl ungewöhnlich frühe Blüte zerstört habe. Da den Menschen am Bodensee trotz Erwärmung und längeren Trockenperioden die Frosttage auch in Zukunft erhalten bleiben, hält Barth den Zitrusfruchtanbau nicht für die Lösung für die Landwirtschaft.
Auch wenn sich die Menschheit vor den Auswirkungen des Klimawandels schützen könne, ist sich Barth sicher: „Momentan sind wir auf dem Pfad, der ins Verderben führt. Wir können so nicht weitermachen.“
Der Experte rät zu einem Umdenken und zur Abkehr von der wachstumsgeprägten Wirtschaft. „Klimaschutz wird in den Kommunen begonnen“und Wasserburg sei ein gutes Beispiel für Engagement.