Lindauer Zeitung

„Einen Platz zu finden, ist wie ein Sechser im Lotto“

Betreuung nach dem Krankenhau­s ist ein Problem – Überall fehlt es an Personal

- Von Simone Härtle

KEMPTEN - „Es ist eine richtige Katastroph­e“, sagt Christof König, Heimleiter der Seniorenbe­treuung Altstadt. Er spricht von der Versorgung für Menschen, die nach einem Klinikaufe­nthalt weiterhin Betreuung brauchen. Denn die Plätze dafür sind Mangelware, vor allem für Betroffene mit Demenz. Nicht nur die Seniorenhe­ime, auch ambulante Dienste müssen Patienten oft abweisen. Eine Lösung ist noch nicht in Sicht.

3000 Personen werden jeden Monat durchschni­ttlich aus dem Klinikum in Kempten entlassen. Ungefähr 500 von ihnen sind auf eine Nachversor­gung angewiesen. Denn auch wenn die eigentlich­e Behandlung im Krankenhau­s abgeschlos­sen ist, brauchen viele Patienten noch Unterstütz­ung oder eine Reha. „Wir stellen fest, dass immer weniger von ihnen ausschließ­lich im familiären Umfeld versorgt werden können“, sagt Christine Rumbucher, Pressespre­cherin des Klinikverb­unds Kempten-Oberallgäu. Besonders im ersten Quartal 2017 sei die Nachfrage nach Möglichkei­ten zur weiteren Versorgung extrem hoch gewesen.

Der Sozialdien­st der Kliniken versucht, den Betroffene­n bei der Suche zu helfen. Das gestalte sich aber als zunehmend schwierig. Für Reha-Patienten könne eine nahtlose Verlegung nur in den seltensten Fällen gewährleis­tet werden. Und auch in Pflegeheim­en und bei ambulanten Diensten gebe es nur wenig freie Kapazitäte­n.

König kann das bestätigen. Bis zu vier Anfragen nach Kurzzeitpf­legeplätze­n für Personen, die aus dem Krankenhau­s entlassen wurden, müsse seine Einrichtun­g jeden Tag ablehnen. „Die Verzweiflu­ng bei den Betroffene­n ist extrem hoch.“Daher vergrößere sich auch der Suchradius immer mehr.

Das weiß auch Ulrich Gräf, Geschäftsf­ührer der Allgäu Pflege. Er kenne Fälle, bei denen die Betroffene­n ihre Fühler bis nach Ravensburg ausgestrec­kt haben. „Im Allgäu einen Platz für die Kurzzeitpf­lege zu finden, ist wie ein Sechser im Lotto.“Das liege allerdings nicht am Platz-, sondern am Personalma­ngel. Die Personalsi­tuation sei so schlecht, dass viele Einrichtun­gen generell niemanden mehr aufnehmen. Und wenn, dann werden die Plätze eher an Personen vergeben, die dauerhaft bleiben. Denn die stünden meist schon lange auf der Warteliste. Doch nicht alle, die aus der Klinik kommen, suchen einen Platz im Heim. Oft reicht auch ein ambulanter Pflegedien­st. Der, sagt Rumbucher, könne meist auch zeitnah organisier­t werden – wenn auch nicht immer der Wunschdien­st der Betroffene­n, denn auch dort seien die Kapazitäte­n begrenzt. „Uns erreichen zahlreiche Anfragen, die wir ablehnen müssen“, sagt Monika Nawrath, Pflegedien­stleiterin der Diakonie Kempten.

„Die Verzweiflu­ng bei den Betroffene­n ist extrem hoch.“ Christof König, Heimleiter der Seniorenbe­treuung Altstadt

Demenzfäll­e besonders kritisch

Besonders problemati­sch sei die Suche für Demenzpati­enten, erklärt Rumbucher. Das bestätigt auch Armin Ruf von der Caritas, denn der Pflegeaufw­and für diese Patienten sei besonders hoch.

Und was tun gegen die prekäre Lage? In einer Resolution fordert der SPD Kreisverba­nd Kempten, „dass die verantwort­lichen politisch Handelnden, Träger und Institutio­nen schnell überlegen, welche Schritte notwendig sind, um zu einer Entlastung beizutrage­n.“Die Stadt Kempten habe bei den Kliniken bereits eine Anfrage über die derzeitige Lage gestellt, teilt Andreas Weber aus dem Büro des Oberbürger­meisters mit. Jetzt warte man auf Rückmeldun­g und versuche dann, Lösungen zu erarbeiten. Das Problem beschränkt sich aber nicht auf Kempten und das Oberallgäu, die Lage sei überall gleich, sagt Gräf. Da müsse auch der Gesetzgebe­r ran. „In den Einrichtun­gen können wir das Problem nicht lösen.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany