Selbst an Pfingsten kommt die Polizei nicht zur Ruhe
Betrunkene und Schläger halten die Beamten auf Trab – Eine Nachtschicht mit Streife 1/222
FRIEDRICHSHAFEN - Eine Schlägerei im Asylbewerberheim, eine Ruhestörung in Immenstaad, ein betrunkener Autofahrer: In der Pfingstnacht gleicht kein Einsatz dem anderen. Die Beamten vom Polizeirevier Friedrichshafen haben es mit ganz unterschiedlichen Menschen zu tun. Sie sorgen rund um die Uhr für Sicherheit, 365 Tage im Jahr. Ihr Einzugsgebiet ist der östliche Bodenseekreis.
Um 20 Uhr beginnt die Nachtschicht. Nur wenige Minuten später geht der erste Notruf ein: „Polizei, schnell, schnell“– Die Beamten wissen nur, dass ein Kind den Notruf abgesetzt und es Streit gegeben hat. Mit Blaulicht geht es über die Bundesstraße zu einem Asylbewerberheim. Die Tachonadel springt auf 140 Stundenkilometer. Hinter dem Steuer sitzt Adrian, auf dem Beifahrersitz sein Kollege Werner. Sie wollen nicht, dass ihre vollständigen Namen in der Zeitung erscheinen. Aus Sicherheitsgründen.
Vor Ort treffen die Polizisten auf einen Afghanen. Sein dunkelblaues T-Shirt ist zerrissen. Auf seiner Brust sind Kratzer. Ein Mann hat einen blutigen Striemen am Hals. Die Beteiligten reden durcheinander. Viele sprechen nur gebrochen Deutsch. Ein kleiner Junge übersetzt.
Es ist der Junge, der die Polizei gerufen hat. Der Mann im zerrissenen T-Shirt ist sein Vater. Nach und nach klärt sich die Situation auf: Weil nicht alle regelmäßig die Küche putzen, ist es zum Streit gekommen. Dieser hat sich bis zur körperlichen Auseinandersetzung hochgeschaukelt. Offenbar ist ein abgebrochener Besenstiel eingesetzt worden.
Werner nimmt die Personalien auf, während Adrian die Verletzungen dokumentiert. Diese sind nur leicht und müssen nicht im Krankenhaus behandelt werden. Jeder Kratzer wird fotografiert. Den genauen Tatablauf müssen Kollegen von der örtlichen Polizei später aufarbeiten. Im Streifendienst bleibt dafür keine Zeit.
Einige Bewohner des Asylbewerberheims stehen im Hof und beobachten das Geschehen. Ein Mädchen fährt mit einem rosafarbenen Roller umher. Es ist noch zu jung, um zu verstehen, was vor sich geht. Ein Stück weiter liegt der abgebrochene Besenstiel.
Ein Job ohne Routine
„Mit Kindern rede ich gerne, die sagen oft die Wahrheit“, sagt Werner nach dem Einsatz. Der Hauptkommissar verrichtet schon mehr als 20 Jahre seinen Dienst am Bodensee. Adrian befindet sich noch in der Ausbildung. An ihrer Arbeit gefällt den Polizisten vor allem die Abwechslung. „Man weiß nie, was kommt“, erzählt Adrian. Routine gebe es nicht. „Wenn überhaupt nur bei kleineren Verkehrsunfällen“, meint Werner. „Manchmal sehe ich schon, wer den Unfall verursacht hat, wenn ich noch gar nicht aus dem Streifenwagen gestiegen bin.“Später müssen die beiden los, weil Anwohnern etwas merkwürdig vorkommt. Die Beobachtung entpuppt sich als eine Gruppe, die auf einer Wiese zeltet. Es regnet in Strömen. Adrian und Werner drücken ein Auge zu, weil das Zelt nicht im Naturschutzgebiet steht. Danach kümmern sie sich um einen umgefallenen Bauzaun und eine Ruhestörung in Immenstaad. Auf dem Revier bleibt etwas Zeit, um Einsatzberichte zu schreiben.
Einsatz im Strandbad
Um ein Uhr setzen sich die Polizisten in den Pausenraum, um einen Cappuccino zu trinken und etwas zu essen. Doch die Pause ist nur von kurzer Dauer. Aus dem Lautsprecher tönt die Nummer ihres Streifenwagens: 1/222.
Und wieder geht es mit Blaulicht und hoher Geschwindigkeit über die Bundesstraße. Diesmal nach Kressbronn. Dort sind drei Personen ins Strandbad eingedrungen. Davon ist eine auf der Flucht vor dem Bademeister von einem Dach gestürzt. Adrian und Werner sind die dritte Streifenwagenbesatzung, die zum Einsatzort fährt. Die Situation ist unklar.
Am Strandbad sind die Kollegen und ein Krankenwagen bereits eingetroffen. Der Verletzte blutet am Kinn und wird von den Sanitätern erstversorgt. Sein Unterarm ist gebrochen. Polizisten befragen die anderen zwei Beteiligten. Die Männer sind alkoholisiert. Weil sie einen Deko-Baumstamm vom Gebäude geworfen haben, gibt es eine Anzeige wegen Sachbeschädigung.
Bleibende Erinnerungen
Polizeibeamte bekommen im Dienst einiges zu sehen. Dinge, die sie nicht wieder vergessen werden. Erinnerungen an Tote und Verletzte. „Es gibt Autounfälle, da kann ich noch die Namen aller Beteiligten nennen“, erzählt Werner. Früher wurden traumatische Erlebnisse ausschließlich im Kollegenkreis besprochen und verarbeitet. Heute verfügt die Polizei über einen psychologischen Betreuungsdienst.
Insgesamt werde die Arbeit zunehmend schwieriger, viele hätten keinen Respekt mehr vor der Polizei. Das gelte vor allem für Betrunkene. „Alkohol enthemmt“, sagt Werner. Immerhin würden viele in der Dienststelle anrufen und sich entschuldigen, wenn sie wieder nüchtern sind. Und so manch einer sei auch nach einer Nacht in der Ausnüchterungszelle wie ausgewechselt.
Mit Alkohol am Steuer
Auch in der Pfingstnacht ist Alkohol immer wieder ein Thema. Harmlos ist der Angetrunkene, der den Streifenwagen heranwinkt und fragt: „Taxi?“Die Antwort: „Ne, Polizei. Wir haben zwar auch ein Schild auf dem Dach, aber ein anderes.“Daraufhin verschwindet der junge Mann wieder in der Dunkelheit. Wäre er über die Straße getorkelt, hätten ihn die Beamten mitnehmen müssen. Werner hält die Kelle hoch. Allgemeine Fahrzeugkontrolle in der Kressbronner Gegend. Seinen Führerschein hat der Fahrer nicht dabei. „Das ist schlecht“, entgegnet der Polizist. „Haben Sie etwas getrunken?“Der Fahrer gibt an, am Mittag ein Radler getrunken zu haben. Ins Röhrchen pusten muss er trotzdem. Der Alkoholtest ergibt 0,76 Promille. Fahrtende.
Der Verkehrssünder muss mit aufs Revier. Ihn erwarten ein einmonatiges Fahrverbot, ein Bußgeld von 500 Euro und zwei Punkte in Flensburg. Außerdem wird ein weiterer Alkoholtest durchgeführt, der vor Gericht verwertbar ist. Nach der Prozedur fahren die Polizisten den Mann nach Hause. „Da soll noch einmal jemand sagen, dass die Polizei nicht freundlich ist“, meint Werner.
Um sechs Uhr morgens ist Schichtwechsel. Adrian und Werner frühstücken noch etwas mit ihren Kollegen. Es gibt Croissants. Ihre Bilanz: „Für eine Samstagnacht war es eher ruhig.“
Insgesamt gibt es fünf Dienstgruppen, die im östlichen Bodenseekreis rund um die Uhr für Sicherheit sorgen. Jede Dienstgruppe durchläuft jeweils einen Früh-, Spät- und Nachtdienst. Nach jeder Schichtrunde erhalten die Beamten eine zweitägige Auszeit.