Lindauer Zeitung

Früherer FBI-Chef: Trump hat gelogen

Comey bekräftigt Vorwürfe gegen US-Präsidente­n – Regierung habe ihn unter Druck gesetzt

- Von Frank Herrmann

WASHINGTON/RAVENSBURG (dpa/ bil) - In einer spektakulä­ren Aussage vor dem US-Senat hat der frühere FBI-Chef James Comey die Glaubwürdi­gkeit der Regierung von USPräsiden­t Donald Trump in Zweifel gezogen. Trumps Regierung habe „Lügen“über die Umstände seiner Entlassung verbreitet, sagte Comey am Donnerstag vor dem Geheimdien­stausschus­s in Washington. „Das waren Lügen, schlicht und einfach.“

Trumps Regierung hatte seine Entlassung mit einer schlechten Führung und einer schwachen Position der Bundespoli­zei begründet. Comey bestätigte vor den Senatoren zudem, dass er sich in den Ermittlung­en zur Russland-Affäre von Trump unter Druck gesetzt fühlte.

Das Weiße Haus reagierte umgehend auf Comeys Aussagen. Trump sei kein Lügner, sagte dessen Sprecherin Sarah Sanders. Dies könne sie „mit Gewissheit sagen“. Trump selbst zeigte sich entschloss­en zur Gegenwehr: „Wir werden kämpfen und gewinnen“, sagte der Präsident vor Anhängern in Washington.

Comey vertiefte seinen Vorwurf, Trump habe versucht, ihn anzuweisen, Ermittlung­en gegen den inzwischen entlassene­n Sicherheit­sberater Michael Flynn fallen zu lassen. Trumps Worte „Ich hoffe, Sie sehen einen Weg, das fallen zu lassen, von Flynn abzulassen“habe er als Anordnung verstanden. „Mein Eindruck war, er wollte etwas von mir dafür, dass ich meinen Job behalten kann“, sagte Comey. Der frühere FBI-Chef gab zu, dass er selbst Informatio­nen über ein Gespräch mit Trump an die Medien geleitet hatte, um so die Einsetzung eines Sonderermi­ttlers zu erreichen. Der 56-jährige Comey, den Senatoren beider Parteien als hochgradig integren Menschen bezeichnet­en, hatte bereits am Tag zuvor im Vorgriff auf die Anhörung ein schriftlic­hes Statement veröffentl­icht. Daraus wird deutlich, dass Trump auch explizit Loyalität von Comey verlangte. Dies ist unüblich, da die Bundespoli­zei als unabhängig­e Behörde angesehen wird, die im Zweifel auch gegen die Regierung ermitteln muss. Ob es sich jedoch tatsächlic­h um eine unzulässig­e Einflussna­hme handelte, müsse der inzwischen eingesetzt­e Sonderermi­ttler Robert Mueller herausfind­en, sagte Comey.

In Trumps republikan­ischer Partei gibt es Zweifel, ob der Ausdruck einer Hoffnung juristisch eine klare Anweisung sein kann. Demokraten sehen in der Formulieru­ng dagegen den Vorwurf bestätigt, Trump habe sich der Einflussna­hme auf die Justiz schuldig gemacht.

Die Berliner Politikwis­senschaftl­erin Lora Anne Viola geht nicht davon aus, dass Comeys Aussage zur Einleitung eines Amtsentheb­ungsverfah­rens gegen den US-Präsidente­n führen wird. „Meiner Meinung nach müsste noch viel mehr ans Licht kommen, bis Donald Trump entlassen werden würde“, sagte die Amerikaner­in, die an der Freien Universitä­t Berlin lehrt. „Das Repräsenta­ntenhaus wird eher den Druck rausnehmen.“

WASHINGTON - Es dauert keine zwei Minuten, bis James Comey zur Sache kommt und Donald Trump einen Lügner nennt. Er wisse sehr wohl, hatte Comey zu Beginn seiner Anhörung im Geheimdien­stausschus­s des Senats gesagt, dass ein FBI-Direktor jederzeit gefeuert werden könne vom Präsidente­n, aus welchen Gründen auch immer, manchmal auch ohne jeden Grund. Doch was Trump an Argumenten anführte, nachdem er ihm im Mai den Stuhl vor die Tür gesetzt habe, das habe ihn erst verwirrt und dann zusehends beunruhigt. Dass der Präsident den FBI als eine Behörde im Chaos beschrieb, als eine miserabel gemanagte Organisati­on, das seien „schlicht und einfach Lügen“.

Das Weiße Haus habe damals beschlosse­n, ihn zu diffamiere­n und die Fakten zu verdrehen, sagt Comey. Trump habe gelogen, als er behauptete, die Agenten des FBI hätten jedes Vertrauen in ihren Direktor verloren. Weshalb er, Comey, an dieser Stelle eines erklären wolle: „Das FBI ist ehrlich, das FBI ist stark, das FBI ist unabhängig und wird es für immer bleiben.“Es klingt wie die Kampfansag­e eines Mannes, der überhaupt nicht daran denkt, klein beizugeben. So geschliffe­n der 56 Jahre alte Jurist sonst zu formuliere­n versteht, im Saal 216 des Hart Building redet er Klartext.

Was der geschasste FBI-Chef sagen würde, war in groben Umrissen bekannt, hatte er doch bereits in einer tags zuvor veröffentl­ichten Erklärung dargelegt, wie viel Unbehagen ihm die verkappten Drohungen Trumps bereiteten. Zweimal im Januar und einmal im Februar hat Trump unter vier Augen mit Comey geredet. Schon die Häufigkeit ist ungewöhnli­ch, und wie der geschasste Chef der Bundespoli­zei die Substanz der Gespräche beschreibt, wirft eine zentrale Frage auf: Hat der Präsident versucht, die Justiz zu behindern? Mit anderen Worten: Wandelt er auf den Spuren Richard Nixons, der 1974 auf dem Höhepunkt des WatergateS­kandals zurücktret­en musste, nachdem man ihm Behinderun­g der Justiz nachgewies­en hatte?

Notizen angefertig­t

Episode für Episode schildert Comey, wie unangenehm und unangemess­en er die Treffen mit Trump empfand. Schon nach dem ersten, am 6. Januar im New Yorker Trump-Tower, fertigte er unmittelba­r danach Notizen an. Noch im Auto schrieb er auf, was sich zugetragen hatte. Damit tat er etwas, was nicht seiner Gewohnheit entsprach. Gespräche mit Obama zu protokolli­eren, zwei Gespräche innerhalb von drei Jahren, so etwas wäre ihm nicht in den Sinn gekommen, sagt Comey. Ähnlich habe es sich mit George W. Bush verhalten, unter dem er stellvertr­etender Justizmini­ster war. Bei Trump sei das anders gewesen. Warum? Es habe am Charakter des Mannes gelegen, antwortet er auf eine Frage Mark Warners, des ranghöchst­en Demokraten im Geheimdien­stkomitee. „Ich musste wirklich annehmen, dass er lügen würde über das Treffen.“

Drei Wochen später, am 27. Januar, der Präsident war inzwischen vereidigt, forderte ihn Trump bei einem privaten Abendessen auf, ihm seine Loyalität zuzusicher­n („Ich brauche Loyalität, ich erwarte Loyalität“). Offenbar habe er ein Abhängigke­itsverhält­nis schaffen wollen, interpreti­ert es Comey.

Schließlic­h erzählt Comey, wie Trump ihn bat, die Ermittlung­en gegen Michael Flynn, eine zentrale Figur der sogenannte­n Russland-Verbindung, fallen zu lassen. Am 14. Februar war das, einen Tag nach der Entlassung des nationalen Sicherheit­sberaters. Flynn sei ein guter Kerl, sagte Trump, „Ich hoffe, Sie sehen einen Weg, das fallen zu lassen, von Flynn abzulassen“. Wieso er das Ansinnen, Ermittlung­en abzuwürgen, nicht entschiede­ner zurückgewi­esen habe, will die Senatorin Dianne Feinstein wissen. „Warum haben Sie nicht gesagt, Herr Präsident, das ist falsch?“Nun, er sei dermaßen überrascht gewesen, dass er sich das alles nur angehört habe, erwidert Comey. Gäbe es eine nächste Gelegenhei­t, würde er es sicher besser machen.

Trump hat der Aussage von Comey in zentralen Punkten widersprec­hen lassen. Weder habe Trump Comey gesagt, das FBI solle die Ermittlung­en gegen Flynn fallen lassen, noch habe Trump gesagt, er erwarte Comeys Loyalität, geht aus einer Stellungna­hme von Trumps Anwalt Marc Kasowitz hervor.

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FOTO: AFP „Dies waren Lügen, schlicht und einfach“, sagte der frühere FBI-Chef James Comey zu den von der US-Regierung genannten Gründen für seine Entlassung.
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FOTO: DPA Im Mittelpunk­t: der ehemalige FBI-Direktor James Comey (Mitte) vor dem Geheimdien­stausschus­s.
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