In einer Krise muss sich was ändern
Sozialpsychiatrischer Dienst steht Menschen bei psychischen Problemen bei.
LINDAU - Depressionen und Burnout treffen immer häufiger immer mehr Menschen. Das beobachten Monika Schilling und Gabriele Mayr schon seit Längerem. Die beiden Frauen sind Sozialarbeiterinnen beim sozialpsychiatrischen Dienst der Diakonie. Sie sind sozusagen die Feuerwehr, wenn Menschen ihr Leben nicht mehr in den Griff bekommen, in eine Krise taumeln und keinen Ausweg sehen. Und das sind gar nicht so wenige: Fast 1800 Beratungsgespräche haben Schilling und Mayr im vergangenen Jahr im Landkreis Lindau geführt, etliche ihrer über 200 Klienten auch längerfristig betreut und begleitet.
Ihr Lindauer Büro befindet sich auf der Insel, fast könnte man sagen „getarnt“. Doch für Menschen mit psychischen Problemen ist das hilfreich, können sie sich dort doch weitgehend unauffällig Hilfe holen. Seit gut zwanzig Jahren bietet die evangelische Diakonie Kempten diese Hilfe im Kreis Lindau an. Gabriele Mayr, die seit einem Jahr das sozialpsychiatrische Zentrum Westallgäu leitet, kennt die Arbeit in der Lindauer Außenstelle seit 2002. Ihre Kollegin Monika Schilling ist sogar schon seit fast zwei Jahrzehnten Ansprechpartnerin für betroffene Landkreisbürger.
Tagtäglich die Nöte anderer Menschen zu hören, ihnen Lösungen aufzeigen zu müssen, sie immer wieder auch scheitern zu sehen – ob das nicht belastet? Schilling schüttelt den Kopf. „Entweder man hält es aus oder man gibt sehr früh auf“, stellt die Sozialarbeiterin fest. Für interessant hält sie ihre Aufgabe, „weil die Menschen so vielschichtig sind“. Wobei ihr nach eigener Aussage „Haltung und Routine“helfen, diese Schicksale nicht auch mit nach Hause zu nehmen.
Vielschichtig sind nach Mayrs Worten nicht nur die Menschen, die im Lindauer Büro Hilfe suchen. Sondern auch ihre Probleme: viele Depressionen, oftmals Menschen am Rande des Burnout, von Schizophrenie bis hin zur Borderline-Erkrankung – „in vielen Fällen ist vor allem unsere Beziehungsarbeit äußerst wichtig“, schildert Mayr. Und das gelte auch schon, bevor der berühmte eine Tropfen das Fass zum Überlaufen bringe: „Wir sind besonders auch Ansprechpartnerinnen für Menschen, die befürchten, von einer psychischen Krankheit bedroht zu sein“, betonen Mayr und Schilling. Und auch für Angehörige solcher Menschen.
Wer sich überlastet fühle, darauf mit Symptomen wie Schlafstörungen reagiere, „der sollte frühzeitig den Weg hierher suchen“, empfiehlt Schilling. Denn wenn sich ein Haufen Probleme auftürme, von Arbeitslosigkeit, Schulden, Mobbing bis zu Krise in der Partnerschaft, „dann sind diejenigen besonders gefährdet, die vorbelastet sind“. Und dann könne es auch passieren, dass der- oder diejenige die Kontrolle über sein Leben verliere. Das könne von einer Psychose bis hin – im schlimmsten Fall – zum Selbstmord reichen.
Für die beiden Sozialarbeiterinnen ist es deshalb wichtig, Vertrauen zu ihren Klienten aufzubauen, ihnen genau zuzuhören. „Wir müssen abklären, was braucht derjenige – und was kann er annehmen beziehungsweise leisten“, sagt Schilling. Gerade am Anfang sei es wichtig, „nicht zu viel auf einmal zu erwarten“. Klar sei aber: In einer Krise „muss sich was ändern“, sind sich Mayr und Schilling einig. Die beiden Fachfrauen geben dafür Impulse. Sie begleiten auch immer wieder Klienten zu anderen Fachstellen, etwa solche mit Angststörungen bei einem notwendigen Behördenbesuch. Und in Notfällen haben sie natürlich ein offenes Ohr, sind auch per Telefon erreichbar. „Aber die Veränderungen muss der betroffene Mensch letztlich selbst machen“, stellt Schilling fest.
Grundsätzlich gilt die Schweigepflicht
„In vielen Fällen ist vor allem unsere Beziehungsarbeit äußerst wichtig.“Gabriele Mayr
Grundsätzlich kann jeder, der psychische Probleme hat, auch anonym in die Beratungsräume auf der Insel kommen. „Kostenträger unserer Arbeit ist der Bezirk“, erläutert Mayr. „Und wir unterliegen grundsätzlich der Schweigepflicht“, fügt Schilling an. Nur wenn eine längere Begleitung Informationen von Ärzten oder Krankenkassen erfordere, müsse der Klient sich offenbaren.
Bei manchen Besuchern helfe schon ein einzelnes Gespräch, wenn ihnen endlich mal jemand zuhöre und die Situation mit anderen Augen sehe. Mit anderen sind die beiden Fachfrauen über Jahre in Kontakt: In Lindau betreffe das etwa jeden zehnten der Klienten.
Das Lindauer Büro des sozialpsychiatrischen Dienstes ist telefonisch unter der Nummer 08382 / 22 0 12 erreichbar.